Bakterielle Harnwegsinfektionen (HWIs) sind eine häufig diagnostizierte Erkrankung bei Kleintieren. Etwa 14 % aller Hunde und 12-19 % aller Katzen erkranken mindestens einmal in ihrem Leben daran. Gleichzeitig sind HWIs eine der häufigsten Indikationen für die Ver-schreibung von Antibiotika. Der zunehmende Einsatz solcher Medikamente führte weltweit zu einem Anstieg antimikrobiell resistenter Bakterien, was die Behandlung zuvor leicht the-rapierbarer Infektionen zunehmend erschwert. Darüber hinaus birgt die enge Beziehung zwischen Haustieren und Menschen das Risiko der direkten Übertragung resistenter Erreger sowie des indirekten Austauschs von Resistenzgenen.
Ziel dieser Arbeit war es, die Prävalenz verschiedener bakterieller HWI-Erreger bei Hund und Katze vergleichend zu bestimmen, deren phänotypische Resistenzprofile zu analysieren und diese mit den derzeit gültigen Behandlungsrichtlinien abzugleichen. Darüber hinaus wurden die isolierten E. coli mittels Ganzgenomsequenzierung und bioinformatischen Tools in silico umfassend charakterisiert. Zusätzlich wurde das Biofilmbildungspotenzial von 100 E. coli-Isolaten funktionell untersucht, wobei die Auswahl eine repräsentative Verteilung der Sequenztypen (STs) darstellte.
Zwischen November 2019 und November 2020 wurden 1862 eingesandte Proben aus dem Harntrakt von Hunden (66,2 %) und Katzen (33,8 %), die im Rahmen der Routinediagnostik am Institut bearbeitet wurden, kulturell untersucht. Sowohl beim Hund (47,6 %) als auch bei der Katze (50,2 %) wurde E. coli als häufigster Erreger identifiziert. Beim Hund dominierten zudem koagulasepositive Staphylokokken (CoPS, 14,9 %), Enterokokken (9,9 %) und Proteus spp. (9,1 %), während bei Katzen Enterokokken (16,2 %) und S. felis (7,0 %) besonders häufig vorkamen.
Ein Fragebogen, der zur Ermittlung von Begleiterkrankungen, HWI-Symptomatik und anti-mikrobiellen Vorbehandlungen erstellt wurde, konnte für 113 Hunde und 48 Katzen ausge-wertet werden. Die Daten zeigten, dass Amoxicillin/Clavulansäure (AMC) das am häufigsten eingesetzte Antibiotikum war (Hund, 63,2 %; Katze, 34,6 %). Im Vergleich dazu wurde Amoxi-cillin (AMX) ohne ß-Laktamase-Inhibitor nur bei 4,4 % der Hunde und 15,4 % der Katzen ver-wendet. Trimethoprim-Sulfamethoxazol (SXT), ein weiteres First-Line-Antibiotikum, kam aus-schließlich bei 4,4 % der Hunde zum Einsatz. Auffällig war der häufige Gebrauch von Fluor-chinolonen und Cephalosporinen der 3.-Generation - beides von der WHO als Highest Priori-ty Critically Important Antimicrobial (HPCIA) für die Humanmedizin eingestuft - insbesonde-re bei Katzen. Diese wurden in 46,1 % der Fälle eingesetzt, wobei Marbofloxacin (MAR, 23,1 %), Cefovecin (CFV, 11,5 %), und Enrofloxacin (ENR, 7,7 %) die am häufigsten verordne-ten Wirkstoffe waren. Bei Hunden erhielten 19,9 % ein solches Antibiotikum, allerdings war der Anteil der mit CFV behandelten Tiere mit 2,2 % deutlich niedriger. Mit dem am häufigs-ten eingesetzten Fluorchinolon ENR wurden 11,8 % der Hunde vorbehandelt.
Die Analyse des Resistenzprofils von E. coli, dem häufigsten Erreger von HWIs, ergab, dass dieser vermehrte Einsatz von Second-Line Antibiotika nicht gerechtfertigt war. Lediglich 5,1 % der von Hunden und 5,7 % der von Katzen isolierten Stämme zeigten eine Resistenz gegenüber AMC. Bei SXT lag die Resistenzrate bei 11,2 % (Hund) bzw. 8,3 % (Katze). Nur bei Ampicillin (AMP), das als Surrogat für AMX in der Resistenztestung verwendet wird, wurden erhöhte Resistenzraten festgestellt: 22,6 % der von Hunden und 23,6 % der von Katzen iso-lierten E. coli-Stämme waren gegenüber dieser Substanz resistent. Bemerkenswert ist, dass trotz des häufigen Einsatzes von Second-Line Antibiotika bei den getesteten Isolaten weiter-hin eine hohe Empfindlichkeit gegenüber diesen Wirkstoffen nachgewiesen werden konnte: Die Resistenzraten lagen bei CFV bei 3,3 % (Hund) bzw. 3,2 % (Katze), bei ENR bei 7,3 % (Hund) bzw. 6,4 % (Katze) und bei Pradofloxacin (PRA) bei 7,6 % (Hund) bzw. 5,7 % (Katze).
Bei den CoPS zeigte die Analyse des Resistenzprofils beim Hund leicht höhere Werte (AMC 6,8 %, SXT 6,7 %, AMP 32,7 %, CFV 5,7 %, ENR 6,8 % und PRA 2,9 %). Auffällig war die we-sentlich höhere Resistenz dieser Bakterien bei der Katze: AMP 69,2 %, AMC und SXT jeweils 46,2 %, ENR 53,8 %, CFV 25,0 %, und PRA 23,1 %. Entsprechend hoch war der Anteil an mul-tiresistenten CoPS mit 39,4 % (Hund) bzw. 69,2 % (Katze), während eine Resistenz gegenüber Oxacillin nur bei 8,0 % (Hund) bzw. 13,5 % (Katze) festgestellt wurde. Mit Hilfe einer Multi-plex-PCR wurde in sieben Isolaten ein mecA-Gen nachgewiesen.
Es konnte außerdem gezeigt werden, dass 90,6 % aller in dieser Arbeit getesteten multiresis-tenten Staphylokokken-, Enterokokken-, Streptokokken- und Enterobacterales-Isolate weiter-hin sensibel gegenüber Nitrofurantoin waren. Dieser Wirkstoff ist in Deutschland nicht als Tierarzneimittel zugelassen, wird allerdings in internationalen Behandlungsrichtlinien als Second-Line Antibiotikum geführt.
Im Rahmen dieser Arbeit wurden 198 nicht redundante E. coli-Isolate von Hunden und 117 Isolate von Katzen mittels Ganzgenomsequenzierung und bioinformatischer Analyse der Se-quenzdaten analysiert. Die Clermont-Typisierung ergab, dass 77,8 % der Isolate der Phy-logruppe B2 zugeordnet werden konnten. Zwischen den beiden Tierarten wurden hierbei keine signifikanten Unterschiede festgestellt. Basierend auf dem Nachweis von Virulenzge-nen wurden 55,6 % der Isolate kaninen Ursprungs und 65,0 % der Isolate felinen Ursprungs als extraintestinal pathogene E. coli (ExPEC) und 46,0 % (Hund) bzw. 59,8 % (Katze) als uro-pathogene E. coli (UPEC) eingestuft. Dabei gehörten 72,2 % der ExPEC- und 64,5 % der UP-EC-Isolate der Phylogruppe B2 an.
Die MLST-Analyse nach dem Achtman-Schema ergab eine Zuordnung zu 82 verschiedenen STs. Die häufigsten STs waren ST372 (17,5 %), ST73 (15,9 %), ST12 (8,6 %), ST141 (4,8 %), ST127 (4,8 %) und ST131 (3,5 %), die allesamt der Phylogruppe B2 zugeordnet werden. ST372 war deutlich mit Hunden assoziiert, dieser Sequenztyp wurde in 26,8 % der kaninen Isolate nachgewiesen und - mit zwei Ausnahmen - ausschließlich bei dieser Tierart vorkam. Bei Katzen dominierte hingegen der human-assoziierte ST73 mit 27,4 %, während er bei Hunden nur in 9,1 % der Fälle nachgewiesen wurde. Alle Isolate der human-assoziierten Sequenzty-pen ST127, ST141 und ST131 sowie 96,0 % der ST73-Isolate konnten der Gruppe der ExPEC zugeordnet werden, während dies bei ST372 nur in 61,8 % der Fälle zutraf. Die Zugehörigkeit zum Pathovar UPEC war insgesamt geringer, jedoch wurden alle 15 ST127-Isolate und 88,0 % Isolate des ST73 diesem Pathovar zugeordnet. Der vor allem mit humaner HWI assoziierte pandemische Klon ST131 wurde bei sechs Hunden und fünf Katzen nachgewiesen. Von diesen Isolaten konnten lediglich zwei der Subklade C1/H30R1, welche durch das fimH30-Allel ge-kennzeichnet ist und mit Fluorchinolonresistenz assoziiert wird, zugeordnet werden.
Multiresistente Isolate (Hund, n = 25; Katze, n = 11) wurden häufiger in nicht-B2-Phylogruppen nachgewiesen als in B2-Isolaten. Mit einem Anteil von 2,5 % an ESBL- (blaCTX-M-15, n = 3; blaCTX-M-27, n = 1), AmpC- (blaCMY-2, blaDHA, blaEC6 und blaEC11-like, jeweils n = 1) oder Carbapenemase-tragenden Isolaten (blaOXA-48, n =1) lag die Prävalenz in dieser Arbeit niedri-ger als in der Literatur angegeben. Außerdem wurde in einem ST73-Isolat eines Hundes das mobile Colistin-Resistenzgen mcr-4.6 auf einem ColE10-Plasmid nachgewiesen.
Die Untersuchungen zum Biofilmbildungsvermögen zeigten, dass vor allem ST131 eine aus-geprägte Biofilmbildungsaktivität im nährstoffarmen M63-Medium aufwies. Resistenzgene wie blaTEM oder blaCTX-M zeigten einen signifikanten Zusammenhang mit einer reduzierten Biofilmbildung. Insgesamt war die Biofilmbildung im M63-Medium signifikant stärker aus-geprägt, was die Anpassungsfähigkeit von HWI-assoziierten E. coli-STs an nährstoffarme Umgebungen, wie sie in den Harnwegen vorliegen, verdeutlicht.
Die Zunahme antimikrobieller Resistenzen stellt sowohl die Human- als auch die Veterinär-medizin vor erhebliche Herausforderungen. Durch die Implementierung und strikte Anwen-dung von Behandlungsrichtlinien soll eine weitere Zunahme, insbesondere gegenüber HPCIA, sowie die Ausbreitung bestehender Resistenzen eingedämmt werden. Angesichts der engen Beziehung zwischen Mensch und Haustier ist eine getrennte Betrachtung beider Bereiche zunehmend unzureichend. Im Sinne des One Health-Ansatzes ist daher ein integriertes Moni-toring von Resistenzprofilen sowie klonalen Linien erforderlich, die sich durch spezifische Resistenzgene oder -tragende Plasmide auszeichnen. Ein solch ganzheitlicher Ansatz ist es-senziell, um Maßnahmen zur Infektionsprävention und -kontrolle zu entwickeln, umzusetzen und deren Wirksamkeit nachhaltig zu überwachen.