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Warum kommt es zu Konjunkturschwankungen? (S. 115)
Wachstum auf des Messers Schneide
Jeweils am 15. November jeden Jahres legt der Sachverständigenrat (die sogenannten fünf Wirtschaftsweisen) der deutschen Öffentlichkeit sein Gutachten zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vor. Obwohl es sich dabei um einen dicken Wälzer mit weit über 400 Seiten handelt, stürzt sich die Presse meist nur auf die Prognose für das Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr. Und in der Tat hängt davon eine Menge ab. Die Konjunkturentwicklung entscheidet mit über den Spielraum für Lohnerhöhungen und über die künftigen Gewinnaussichten der Unternehmen.
Auch die Steuereinnahmen des Staates und das Beitragsaufkommen in den gesetzlichen Sozialversicherungen ist konjunkturabhängig. Vor allem aber bestimmt die Konjunktur zumindest kurzfristig auch die Höhe der Arbeitslosigkeit. Während im Aufschwung normalerweise die Beschäftigung steigt, muß man im Falle eines Abschwungs mit Entlassungen und entsprechend höheren Arbeitslosenquoten rechnen. Kein Wunder also, daß Konjunkturprognosen meist mit großer Spannung erwartet werden.
Wie aber kann man den ständigen Wechsel zwischen Aufschwung und Abschwung erklären? Allgemein versteht man unter Konjunktur mehr oder weniger regelmäßig auftretende Schwankungen der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Man mißt sie in erster Linie daran, wie stark die Produktionskapazitäten der Unternehmen ausgelastet sind. Während im Konjunkturboom nahezu Vollauslastung herrscht, sind in der Rezession die Produktionsanlagen der Industrie oft nur zu 70% beschäftigt. Dementsprechend ist im Boom auch die Nachfrage nach Arbeitskräften hoch, während es in der Rezession zu Entlassungen und Arbeitslosigkeit kommt.
Vereinfacht kann man sich die Konjunktur als eine Sinuskurve vorstellen, ähnlich wie eine Radiowelle. Natürlich entsprechen die Schwankungen der Nachfrage in der Realität nicht genau diesem idealisierten Bild. Auch die Länge eines Konjunkturzyklus ist recht unterschiedlich, meist liegt zwischen zwei Tiefpunkten ein Zeitraum von fünf bis sieben Jahren. Früher glaubte man sogar, daß sich dabei mehrere Wellen von unterschiedlicher Dauer überlagern. Der österreichische Ökonom Josef Schumpeter unterschied in seinem Buch "Business Cycles" von 1939 drei solcher Wellen, die er nach ihren Entdeckern benannte: Die drei- bis vierjährigen "Kitchins", die meist mit Schwankungen der Lagerhaltung erklärt werden, die siebenjährigen "Juglars", die auf Investitionszyklen zurückgehen sollen, und die 50jährigen "Kondratieffs", die als Bauzyklen gelten.
Diese Einteilung wird heute allerdings kaum noch verwendet, sicher nachweisbar sind auch nur die von dem französischen Konjunkturforscher Clement Juglar (1819 - 1905) beobachteten Zyklen mittlerer Dauer. Schon in vorindustrieller Zeit sind Schwankungen der Wirtschaftsaktivität beobachtet worden. Damals gab es allerdings noch keine systematischen Produktionsstatistiken, wenngleich sich einige frühe Ökonomen wie z.B. William Petty (1623 - 1687) bereits darum bemühten.
Daher mußte man zu Hilfsgrößen greifen, um den Konjunkturverlauf zu verfolgen. Schumpeter berichtet, daß dazu sogar die Zahl der sonntäglichen Kirchbesuche herangezogen wurde: In Krisenzeiten waren die Gotteshäuser voll, aber wenn es den Menschen gut ging, ließ die Frömmigkeit im allgemeinen nach. Schumpeter war zwar ein Zeitgenosse von Keynes, aber in der Frage der Konjunkturerklärung gingen ihre Meinungen weit auseinander. Auch heute ist noch umstritten, worauf die konjunkturellen Schwankungen letztlich zurückzuführen sind.
In der vorindustriellen Zeit bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts, als die volkswirtschaftliche Produktion noch zum größten Teil aus landwirtschaftlichen Gütern bestand, machte man die Ernteschwankungen dafür verantwortlich. Mißernten führten zu hohen Preisen und verteuerten damit auch die Produktion in allen nachgelagerten Wirtschaftsstufen, weil die Kosten für landwirtschaftliche Vorprodukte stiegen.