Schweitzer Fachinformationen
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Lesen, um Europa zu verstehen. Jahrelang war der Kärntner Wieser Verlag die Drehscheibe der Vermittlung slowenischer Literatur und auch der gesamten südosteuropäischen Peripherie. Europa verstehen, bedeutet Europa erlesen. Systematisch. Am besten in einer »Europäischen Austauschbibliothek«! Ein Buch aus einer europäischen Sprache in alle anderen rund 400 Sprachen zu übersetzen. Immer zugleich in alle Sprachen. Denn mangels öffentlicher Wahrnehmung (und die schließt die finanzielle Unterstützung durch die EU mit ein) gibt der Verlagsgründer dem Projekt, Verständigung durch Literatur zu erreichen, nur noch eine geringe Chance - schreibt der Herausgeber und Chefredakteur des Jüdischen Echo, Erhard Stackl, im Vorspann.
1. März 2012. Konkurs des Wieser Verlages. Leipziger Buchmesse. In den Gesprächen für die APA, das »Europa-Journal« im Radioprogramm Ö1 und für den »Standard« wird erstmals festgehalten: Seit 21 Jahren hat es bei der Verlagsförderung keine Inflationsabgeltung gegeben. Dies gilt, wie wir heute wissen, für die gesamte Kulturlandschaft. Es hat der Ereignisse um das Burgtheater bedurft, um das Ausmaß der Katastrophe zu erkennen.
Die Verlagsförderung ist in diesen zwei Jahrzehnten mehr als halbiert worden, die Papierpreise sind in der genannten Periode gezähltermaßen 17 Mal erhöht worden. Die Konkurrenzsituation auf dem Markt, insbesondere was die Überwindung der »Weißwurstgrenze« anbelangt, hat sich radikal verändert, die Bedingungen für die Verlage sind wesentlich härter geworden. Die gesamte Branche hat sich verändert. Die Marketingkosten sind erheblich gestiegen.
Kollegen erzählten mir damals in Leipzig, dass es ihnen ähnlich ergehe, nur hätten sie noch eine bessere Gesprächsbasis mit ihren Banken, doch ihre Verschuldung sei der meinigen nicht unähnlich. Ich habe sie aufgefordert, meinen »Fall« als Anlass zu nehmen, um auf die Gesamtsituation hinzuweisen. Sie wollten aber »meinen« Fall nicht zum Anlass nehmen, denn sie fürchteten, eine »Evaluierung« könnte die gesamte Verlagsförderung in Frage stellen. Darum schwiegen sie. Im Standard und auf Ö1 wurde diese Frage erstmals öffentlich gemacht.
2. Ich habe vor mittlerweile 34 Jahren, im Herbst 1980, das erste slowenische Prosa-Buch in deutschsprachiger Übersetzung, Karl Prusnik-Gaspers Gemsen auf der Lawine (Schreibweise der Gemsen 1980, heute Gämsen), herausgebracht. Zur slowenischen Lyrik der Gegenwart erschien in Zusammenarbeit mit den Universitäten in Klagenfurt/Celovec und Ljubljana bei Heyn der - im Frühjahr des selben Jahres - von Paternu, Olof und Neuhäuser herausgegebene Band Na zeli strehi vetra / Auf dem grünen Dach des Windes. Die Gämsen auf der Lawine waren das erste slowenische Buch in der Geschichte, das ins Fernsehen kam. Die Geschichte des Partisanenkampfes innerhalb des tausendjährigen Reiches wurde in der Nachrichtensendung »10 vor 10«, von Dieter Seefranz selig, vorgestellt. Robert Buchacher im Profil folgte, und das Buch wurde zum Erfolg. André Heller war begeistert, und Peter Handke sprach noch im Jahre 2002 anlässlich der Ehrendoktorwürde der Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt/Celovec mit Hochachtung davon (und empfahl auch, Andrej Kokot und Lipej Kolenik zu lesen).
Seither veröffentlichten wir im Wieser Verlag gut 100 Bücher slowenischer Literatur in Übersetzung bzw. haben wir Sekundärliteratur zur slowenischen Literatur herausgebracht. Diese Anstrengung ist vom Verlag gemeistert worden, er hat die Vertriebsstruktur aufgebaut, er hat die Öffentlichkeitsarbeit gemacht, er hat um die Förderungen gekämpft, er hat Lesungen organisiert und sich um Preise und Auszeichnungen bemüht. Das gab es davor nicht.
3. Lassen wir die Details, die sich auf die Jahre danach beziehen, an dieser Stelle aus. Tatsache ist, dass sich im Zuge der europäischen Veränderungen, die sich seit den 1980er Jahren ankündigten, die Literatur eine große Rolle spielte. Nur im deutschsprachigen Raum war deren Bedeutung kaum bis ganz unbekannt. Die slowenische Literatur in Kärnten erlebte Anfang der 1980er Jahre durch Handkes Engagement eine gewisse Beachtung. Sie wäre wieder versiegt, hätte sich nicht der Wieser Verlag (und später auch die beiden Verlage Drava und Hermagoras) der Mühen der Ebene über ganze drei Jahrzehnte angenommen und sie, wie wir wissen, unter schwierigsten Bedingungen und Ausgangssituationen finanziert. Kaum bemerkt und auch nicht wirklich bedankt.
4. Es kam zum Krieg in Jugoslawien. Auf einmal waren Autoren und Autorinnen gefragt, um auf Fragen, auf die nicht einmal die Spitzenjournalisten mehr Antworten geben konnten, kurze und bündige, vor allem schlüssige Antworten zu geben. Karahasan, Velikic, Bogdanovic, Trebeshina, Podrimja, Jancar, Marija Knezevic u. a. - alle vom Wieser Verlag für den deutschsprachigen Raum entdeckt - veröffentlichten ihre Essays nun auch in der FAZ, im Spiegel, Standard und vielen anderen meinungsbildenden Organen. Der Wieser Verlag - und seine Übersetzer und Übersetzerinnen (erinnernd an Brechts Frage: »Cäsar schlug die Gallier. Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?« Die Rolle der Übersetzerinnen und Übersetzer ist bis heute in der literarischen Vermittlung unterbewertet. Was wäre Literatur, was wäre der Diskurs über sie, ohne ihr - meist ungerechterweise - zurückgezogenes Wirken!) - wurde zur Drehscheibe der Vermittlung. Ihre Literatur blieb jedoch - im Verhältnis zur Präsenz der Autoren - auch weiterhin, bis auf einige Ausnahmen, weitgehend unbekannt und unbedankt. Bis in die heutigen Tage. Auch bei Sigrid Löffler, die sich heute, 2014, auf die Suche nach den Repräsentanten der neuen Weltliteratur begibt. Sie hat es 1999 im Literarischen Quartett mit ihrem Lob an Dragan Velikic mit großer Verve begonnen und ist an dem aus Polen stammenden und die slawischen Sprachen sprechenden und verstehenden Literaturpapst Reich-Ranicki gescheitert, der sie damals lakonisch-aggressiv unterbrach: »Wie spricht man den aus?« - und der zu dieser Zeit das allseits vorhandene Antiserbische bediente. (Erinnern wir uns nur an die Anwürfe, die Handke für seine Fragen abbekam!)
Dieser Einwand von Reich-Ranicki hat den Wieser Verlag fast eine Million Schilling gekostet. Wir hatten, auf die Ankündigung hin, dass das Buch »Dante Platz« von Dragan Velikic im Literarischen Quartett besprochen wird, innerhalb von 10 Tagen weitere 8.000 Exemplare gedruckt, die aber vom Buchhandel fast alle wieder zurückgeschickt wurden. Der Chauvinismus hat nach dem Handke-bashing in der Literaturlandschaft weitere grausliche Früchte getragen. Nicht auf Deutsch geschriebene Literatur aus dem europäischen Osten hatte es noch schwerer.
5. Davor oder zur selben Zeit begann auch bei uns im Lande der Chauvinismus zu wachsen. - 1993/94 gab es die Briefbomben-Serie; 1999 kam Jörg Haider, der später Verblichene, erstmals an die Macht. Zu einer internationalen Pressekonferenz in Klagenfurt/ Celovec während der Bachmann-Tage kamen Vertreter der internationalen Presse, lokale und österreichische nicht (ich erinnere mich, dass wir uns sehr gewundert haben, dass es den Österreichern offensichtlich zu minder war, sich die Einschätzung der Kultur zur entstandenen Lage anzuhören), als 19 Kulturinitiativen auf die möglichen Veränderungen hinwiesen, die von Kärnten auf Österreich und Europa ausgehen könnten, und um solidarische Beachtung geworben haben. Deren Warnungen verblassten.
6. Im Schatten des Krieges um Jugoslawien kam es bei uns zur besagten Briefbomben-Serie. Eine dieser Briefbomben war auch an den Wieser Verlag gerichtet, gefolgt von weiteren zwei Attrappen, im Abstand von vier Wochen und einem halben Jahr. Dazwischen gab es drei Morddrohungen gegen den Verleger. Weiters eine Anklage, er habe 34.000 Schilling (2.500 Euro) an Subventionen betrogen. 18 Monate Vorerhebungen, Anklage, Prozess, Subventionsverlust. Der Freispruch ist schon fast eine Gnade, denn der Verlag war diskreditiert, die Struktur vernichtet, der Verleger angepatzt und - irgendwas wird schon dran sein! Es mussten alle entlassen werden, kein Geld war mehr vorhanden, das positive Meinungsbild über Verlag, Autoren und Literatur vernichtet.
Der damalige Sektionschef des Kulturministeriums erzählte mir später, dass auch Verlegerkollegen bei ihm anklopften und meinten, dass Wieser sowieso keine Subventionen verdiene, er gebe sich mit »ausländischen Autoren« ab, und daher sei klar, dass er keine österreichische Literatur verlege.
Spätestens damit wird sichtbar, dass der Chauvinismus die Intellektuellen und die Mitte der Gesellschaft erreicht hatte. Dass sich nach den Briefbomben und den damit zusammenhängenden finanziellen Schwierigkeiten (von anderen will ich an dieser Stelle gar nicht sprechen) über die Jahre keiner angeboten hat, die...
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