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Als ich 1988 zum ersten Mal den Gebäudekomplex der Central Intelligence Agency betrat, war ich ein junger Zeitungsjournalist und hatte gerade einen längeren Aufenthalt in Afghanistan hinter mir. Dorthin war ich gereist, um über die mehrere Milliarden Dollar schweren Waffenlieferungen der CIA an die afghanischen Guerillakämpfer zu berichten, deren Dschihad gegen die sowjetischen Invasoren der letzte große Kampf des Kalten Krieges war. Vor dem Abflug hatte ich einen CIA-Sprecher angerufen und um ein Briefing zur Vorbereitung meiner Reise gebeten, doch das wurde rundheraus abgelehnt. Ich flog nach Afghanistan, und nach meiner Rückkehr saß ich noch keinen ganzen Tag wieder an meinem Schreibtisch in Washington, als das Telefon klingelte: Ob ich einverstanden wäre, jetzt zu diesem Briefing zu kommen? Ich hatte keine Ahnung, dass ich im Begriff war, mein Lebensthema zu entdecken.
Ich fuhr die zwölf Kilometer zu dem Waldgebiet bei Langley in Virginia und betrat die Eingangshalle der CIA-Zentrale. Zu meiner Linken war ein Vers aus dem Johannes-Evangelium in die Wand eingemeißelt: Und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen. Mir kam ein Gedanke. War es möglich, die Wahrheit über die CIA zu erkennen? Konnte ich über sie berichten, so wie ich früher als junger Reporter über Polizisten und Prozesse berichtet hatte? Dazu musste ich zuallererst mit ihren altgedienten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sprechen, musste ihnen zuhören, um herauszufinden, wie ein geheimer Nachrichtendienst in einer offenen, demokratischen Gesellschaft operiert.
Ein paar Monate später rief ich Richard Helms an, der unter den Präsidenten Lyndon B. Johnson und Richard Nixon sieben Jahre lang CIA-Direktor gewesen war. Nixon hatte ihn entlassen, weil er sich geweigert hatte, den Watergate-Einbruch unter der fadenscheinigen Berufung auf die nationale Sicherheit zu vertuschen. Helms, Gründungsmitglied der CIA und während der Kubakrise und der Anfangszeit des Vietnamkriegs Leiter des eigentlichen Geheimdienstes innerhalb der Agency, des Clandestine Service, war so elegant wie ein britischer Bankier, ein wortgewandter Erzähler und ein Mann, der zum Lunch gern ein Bier trank. Er erteilte mir eine mehrstündige Lektion in Sachen Geschichte der CIA. Zu Beginn, im Jahr 1947, bestand ihre Aufgabe darin, alles Wissenswerte über den Feind in Erfahrung zu bringen. Spione versuchten, den Geheimnissen des Kremls auf die Spur zu kommen, akademisch ausgebildete Analysten überprüften die Ergebnisse, und Direktoren erstatteten dem Präsidenten der Vereinigten Staaten Bericht. »Anfangs wussten wir gar nichts«, sagte Helms. »Unser Wissen über die Absichten und Vorhaben der anderen Seite, über ihre Fähigkeiten war gleich oder fast gleich null. Wenn man an ein Telefonbuch oder eine Karte von einem Flugplatz herankam, war das schon eine Leistung. Was die Geschehnisse in der Welt betraf, tappten wir häufig im Dunkeln.« Die Chancen, Licht in dieses Dunkel zu bringen, waren verschwindend gering. Doch binnen eines Jahres änderte sich der Auftrag. Die Sowjets hatten mehr als die Hälfte Europas an sich gerissen. Das Pentagon und das Außenministerium befahlen der CIA, Feuer mit Feuer zu bekämpfen und die Kräfte des Kommunismus zurückzudrängen. Statt die Welt mittels Spionage besser kennenzulernen, trat nun der Versuch in den Vordergrund, sie mittels geheimer Aktionen zu verändern. Helms hielt das für einen tragischen Fehler. 1950 hatte die CIA bereits eine paramilitärische Armee aufgestellt und versuchte von da an vier Jahre lang, angeworbene ausländische Agenten nach Russland, Polen, China, Nordkorea und in die Ukraine einzuschleusen; sie sollten mit dem Fallschirm hinter den feindlichen Linien abspringen. Das waren Selbstmordeinsätze, weil die Operationspläne oftmals von kommunistischen Spionen aufgedeckt wurden. Sie blieben viele Jahre lang geheim, ebenso wie die gewaltsamen rechten Staatsstreiche und die Mordkomplotte gegen ausländische Spitzenpolitiker. Helms hatte diese Geheimnisse bewahrt. Zum Kummer der CIA taten seine Nachfolger dies nicht.
Helms wollte mir klarmachen, dass die Pläne für einen Umsturz im Iran oder zur Ermordung Fidel Castros nicht auf dem Mist der Agency gewachsen waren. Jeder Präsident seit Harry Truman hatte die CIA angewiesen, mit Waffen und Geld einzugreifen, um die Kontrolle über Staaten zu übernehmen, wenn es nicht möglich war, die Marines dorthin zu schicken. Ihre Agenten taten, was man ihnen befahl. Sie vollzogen die Außenpolitik der Vereinigten Staaten. Ihre Macht kam vom Präsidenten höchstpersönlich. Und die Direktoren, Spione und Analysten der CIA waren darauf angewiesen, dass er ihren Informationen vertraute; wenn nicht, verloren sie ihren Daseinszweck. Sie lernten, dass es gefährlich war, ihm Dinge zu sagen, die er nicht hören wollte.
Als ich 1993 für die New York Times über die CIA zu berichten begann, war der Kalte Krieg vorbei, die Agency befand sich in beständigen Turbulenzen, und der alte Geheimhaltungskodex brach allmählich zusammen. Erstaunlich viele, hochrangige Agenten und Analysten in der Zentrale sprachen offen mit mir, wie auch viele Mitglieder der alten Garde, die nach zwanzig oder dreißig Dienstjahren nun im Ruhestand waren und ihre Tarnkappe abgelegt hatten. Die CIA begann langsam, einige ihrer Akten über verdeckte Aktionen aus der Zeit des Kalten Krieges in Europa, Asien und Lateinamerika zu öffnen. Ihre Vergangenheit nahm klarere Konturen an. Spionage und verdeckte Aktionen waren nicht die glamourösen und romantischen Abenteuer, als die sie in den Spielfilmen dargestellt wurden. »Geheimdienstarbeit ist kein Zuckerschlecken«, sagte Helms. »Sie ist schmutzig und gefährlich.« Ich fand die Realität weitaus interessanter als die Fiktion.
Allmählich begriff ich nicht nur, was die CIA tat, sondern auch, wie es war, für sie zu arbeiten. Journalisten und Geheimdienstleute waren eigentlich gar nicht so verschieden. Ich konnte in Khartum oder Havanna landen und ohne Umschweife sagen: »Bringen Sie mich zu Ihrem Anführer.« Kurz darauf stand ich dann dem Diktator des Sudan oder Castro persönlich gegenüber. Wenn CIA-Agenten ihre Karten richtig ausspielten, hatten sie überall auf der Welt einen solchen Zugang, sowohl zur herrschenden Klasse als auch zu den Rebellen, die diese zu stürzen versuchten. Agenten im Ausland anzuwerben war nicht viel anders, als Quellen bei der CIA aufzutun, obwohl Reporter nicht für Informationen bezahlten, Spione hingegen schon, und zwar reichlich. Spion und Schreiber waren beide darauf angewiesen, dass es ihnen gelang, eine Vertrauensbasis zu schaffen. Ihr Antrieb war die Suche nach einer verborgenen Wahrheit. Und sie wussten, es konnte Jahre dauern, bis sie durch die Geheimnisse, von denen sie erfuhren, zu einem tieferen Verständnis der Wirklichkeit gelangten. Der Unterschied war, dass der Journalist die Welt kennenlernen wollte und die CIA die Macht besaß, sie zu verändern.
Bis zur Jahrtausendwende hatte ich eine kritische Masse freigegebener Dokumente zusammengetragen und mehr als zweihundert Interviews geführt. Ich dachte, es wäre vielleicht möglich, eine Geschichte der ersten 60 Jahre der CIA zu schreiben. Legacy of Ashes erschien 2007[1] im Gefolge der Enthüllungen über die Geheimgefängnisse der CIA und die Folterungen, die darin stattfanden. Die CIA hatte erneut den Auftrag erhalten, eine Geheimarmee zu werden, und ihr Spionage- und Analysebereich war im Namen der Terrorismusbekämpfung verkleinert worden. Ihre unzutreffenden Berichte über Saddam Husseins angebliche Waffenarsenale hatten dazu geführt, dass die Vereinigten Staaten in den Irak einmarschierten und ihn besetzten, die katastrophalste außenpolitische Entscheidung seit dem Vietnamkrieg. In mancherlei Hinsicht spiegelte das Buch die Dunkelheit jener Zeit.
Rückblickend gab es in Bezug auf die Arbeit der CIA im In- und Ausland nach den Anschlägen vom 11. September 2001 noch so vieles, was ich nicht wusste - und ihre geheime Geschichte in den Jahrzehnten danach war ebenfalls weitgehend unbekannt. Also machte ich mich im Frühjahr 2022 daran, The Mission zu schreiben. Das Buch, dass Sie in den Händen halten, ist die erste Chronik der CIA im 21. Jahrhundert, erzählt in den Worten derjenigen, die dabei waren. So wie damals, als ich mich mit der CIA zu befassen begann, erklärte sich auch diesmal wieder eine erstaunliche Anzahl von Leuten bereit, mit mir zu sprechen. Sie hatten im Irak, in Afghanistan, Pakistan, Syrien und einem Dutzend anderer Staaten gekämpft. Sie hatten Spionageaktivitäten vom Mittelmeer bis zum Pazifik durchgeführt. Wegen ihrer tödlichen Operationen im Rahmen der Terrorabwehr und der Bekämpfung des Drogenhandels waren sie strafrechtlichen Ermittlungen ausgesetzt gewesen. Sie hatten sich erfolgreich bemüht, den Kreml zu infiltrieren, und hatten den Soldaten und Spionen der Ukraine eine Rettungsleine zugeworfen. Unter meinen Gesprächspartnern: der Mann, der das geheime Gefängnissystem der CIA erschaffen hatte, die Frau, die daran mitgewirkt hatte, den weltweit größten Schmugglerring für Atomwaffentechnologie auszuheben, ein Undercover-Agent, auf dessen Gehaltsliste Präsidenten standen, Stationschefs auf vier Kontinenten und der gegenwärtige Chef des Clandestine Service der...
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