Schweitzer Fachinformationen
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Folter - rauscht es bei diesem Rückblick durch meinen angstsedierten Kopf, und ich wende meinen Blick vom Hof zur Tür des Sitzungssaals. So sehr haben mich die Umstände meines eigenen Falles erschüttert, dass ich ins Philosophieren gekommen bin. Kein Philosophieren über den Sinn des Lebens, sondern über den Sinn und Unsinn des Berufsstandes des Rechtsanwaltes. Schon immer spürte ich eine gewisse Abneigung gegen den eigenen Beruf. Dabei wäre der Beruf des Anwaltes in der Theorie noch zu rechtfertigen, wenn da nicht die anderen Anwälte wären. Es ist die personifizierte Anwaltschaft, die mir wie die Holländer auf einem Campingplatz jede Idylle der guten Idee versauen.
In meinem Prozess laufe ich Gefahr, die Zulassung als Rechtsanwalt zu verlieren und von der Anwaltschaft als Geächteter verbannt zu werden. Mein rationaler Verstand angesichts der beruflichen Nah-Tod-Erfahrung veranlasst mich, mein Anwaltsdasein noch einmal Revue passieren zu lassen:
Fragt man zehn Anwälte, warum sie Jura studiert haben, so werden acht von ihnen antworten: "Damals wusste ich nicht genau, was ich sonst machen sollte." Dann folgen einige Erklärungen, warum es andere Karrieren - wie z.B. eine Lehre - nicht geworden sind.
Man könnte nun eine unsichtbare oder gar gottgegebene Bestimmung zum Anwaltsberuf vermuten, die jeden Jurastudenten in seiner spirituellen Unschuld ereilt. Alles im Leben hat seinen Sinn. Die rationale Wissenschaft hingegen müsste feststellen: Jura ist ein "Auffangstudiengang". Nun wissen Juristen, was ein "Auffangtatbestand" ist. Alles, was zuvor nicht qualifiziert untergebracht werden konnte, wird hier gesammelt und bekommt eine letzte Chance - sozusagen der Restmüll bei einer sonst sehr umweltbewussten Mülltrennung.
An dieser Stelle herzlichen Glückwunsch an alle Nicht-Juristen. Eure Karriere startete wahrscheinlich qualifiziert und offensichtlich mit Verstand und Leidenschaft. Die Anwaltsföten aber waren zum Zeitpunkt der Studienplatz-Zellteilung noch nicht reif für einen gut überlegten und orientierten Schritt.
Ein Haufen unfertiger und leidenschaftsloser Ungeborener, die sich nicht einmal für eine Berufung entscheiden können. Ihnen wurde bisher beigebracht, dass in einem Sozialstaat wie Deutschland jeder die gleiche Chance auf Karriere hat. Mit gleichen Chancen ergibt sich aber plötzlich eine quälende Wahlmöglichkeit, die den Anwaltsfötus überwältigt und in seiner Berufswahl bis auf den kleinsten gemeinsamen Nenner lähmt: "Jura kann nie schaden", raunt es wie die Stimme der Sirenen durch die Reihen der deutschen Abiturienten. "Das ist was Ordentliches, Anwälte sind angesehen und verdienen gutes Geld".
Der Anwaltsfötus lässt sich von der mystischen aber verlockenden Stimme einfangen und wird ein Klon dieses historischen Vorurteils. Bescheiden werden individuelle Entfaltungswünsche und rebellische Intuitionen unterdrückt. Phantasie und Kreativität dürfen jetzt nicht mehr erwartet werden. Disziplin und Systemtreue kann man hingegen unterstellen. Somit ist dem Anwaltsfötus nichts grundsätzlich Verwerfliches vorzuwerfen. Er ist ein brauchbarer Soldat der gesellschaftlichen Klonarmee. Andere, die mit ihrem Leben nichts anzufangen wissen, landen auch gerne mal auf weniger edlen Abwegen.
Aber woher soll die Reife, sich bewusst für oder gegen den Beruf Rechtsanwalt zu entscheiden, auch kommen? Die Schule bietet ganz andere Herausforderungen: Noten, Leistungsdruck, Trotz und Rebellion - ein teilweise unausstehlicher Cocktail. Diejenigen, die sich eher auf die Noten oder die Leistungen konzentrieren, fühlen sich zur Medizin oder eben zur Juristerei berufen.
Die Motivation zu diesen Studiengängen beruht daher nicht auf der Anwendung des Wissens im Beruf, sondern in der stumpfen Herausforderung, die in der Schule erworbene Fähigkeit, Wissen in sich hereinzupumpen, weiter unter Beweis zu stellen. Ein guter Numerus clausus (NC) ist dabei die größere Entscheidungshilfe, als der hiermit in Verbindung stehende Beruf. Fehlzündung.
Diejenigen, die gleichzeitig noch das Gefühl in sich tragen, den Menschen helfen zu wollen oder durch den Anstoß einer enttäuschten Liebe oder durch spätpubertierende Betroffenheit zu Lebensabschnitts-Vegetariern mutiert sind, studieren Medizin, die anderen Jura. Reicht der Numerus clausus nicht, so muss man wohl BWL angehen oder schlimmstenfalls VWL. Wenn es für all das nicht reicht, so kann man noch "auf Lehramt" studieren. Das klingt nach Hohn, ist aber eine ernst zu nehmende Entscheidungsbasis bei der Wahl des Studiums. Die Berufswahl gerät hierbei vollkommen ins Hintertreffen. Es ist anzunehmen, dass einige Lehramtstudenten erst nach Abschluss des Studiums feststellen, welchen Beruf das Studium mit sich bringt, aber darüber sollte dann besser ein Lehrer berichten.
Der Anwaltsfötus war vor seinem Entschluss - oder besser seinem Reflex zum Jurastudium - sicherlich einmal Klassensprecher oder wäre es zumindest gern gewesen. In Zeiten der Karriere-Empfängnis (1 bis 2 Jahre vor dem Studienantrag) hat er versucht, seinen Minderwertigkeitsgefühlen durch aufdringliche Diskussionen mit seinen Mitmenschen beizukommen. Das entnervte Aufgeben des Gegenübers hat er dann als Sieg empfunden. So nistet sich der Wille zur Herrschaft ein und der Samen des Rechthabens vollendet die Empfängnis. es entsteht der Anwaltsfötus. Dies ist ein natürlicher Prozess, der bei ungeschütztem gesellschaftlichem Verkehr und ohne weitere Aufklärung schicksalhaft zustößt. Die Überbevölkerung an den juristischen Fakultäten ist nicht verwunderlich. Es ist aber an der Zeit, in einer hochentwickelten Gesellschaft über Aufklärung und Verhütung zu reden.
Was läuft hier falsch? Die Schule bereitet die Jugend offensichtlich nicht qualifiziert auf das Berufsleben vor. Brav vermittelt das Schulsystem die Notwendigkeit zu lernen und gute Noten zu haben. Die Schule setzt eine Kette von akademischen Standards in Gang, die grundlegend auf intellektuelle Werte bauen und nicht auf praktische Anwendung. Aber ist der akademische Bildungsstil wirklich der Ursprung jeden Wohlstandes?
Ich empfinde es bis heute nicht als Schande, sondern eher als Chance, wenn ein heranwachsender Akademiker auf diesem Weg an einer Hürde, wie Schulempfehlung, Abitur, Klausuren oder Examen scheitert. Auch wenn ein Ausscheren aus diesen deutschen gesellschaftlichen Bildungsstandards zunächst wie ein uneinholbarer Verlust erscheint, ist es doch die erste Chance, sich um das zu bemühen, was einen wirklich interessiert oder zumindest sich endlich mal um praktische Anwendung seiner intellektuellen und körperlichen Fähigkeiten zu kümmern.
Ich hatte in der Grundschule einen Freund, der schließlich auf die Hauptschule ging und eine Lehre machte. Mit 16 Jahren fing er in dem örtlichen Delikatessengeschäft zu arbeiten an und übernahm dort schließlich eine führende Stellung. Bis ich mit 29 Jahren in mein Berufsleben als Anwalt einstieg, hatte dieser ehrenhafte Mitschüler bereits ein vermutetes Gesamtarbeitseinkommen von 312.000,- ? bei optimalem Steuersatz erzielt, während ich noch meine Eltern und andere Quellen anzapfte, um mich um meine intellektuelle Bereicherung zu bemühen. Über die Erfüllung seines Berufslebens kann ich nicht viel sagen außer, dass er immer gute Laune in dem Geschäft verbreitet, eine nette Familie hat und in meiner Nachbarschaft wohnt.
Ein weiterer Freund fiel zum dritten Mal durch das erste juristische Staatsexamen. Er war natürlich sehr frustriert und ging zu einer Bank, weil ihn das immer schon interessierte. Ich traf ihn dann noch einmal wieder, wie er in einem Porsche vor einem Café vorfuhr, während ich gerade meine Referendarstelle antrat. Mein kurzes Nicken in Richtung Porsche, nach der üblichen "mir geht es gut"-Floskel, erwiderte er nur mit "Investmentbanker".
Auch wenn dies vor den großen Finanzkrisen war und ich nicht weiß, ob der Porsche inzwischen gepfändet ist, zeigt das Beispiel deutlich, wie das praktische Leben spielt. Eine akademische Laufbahn ist da schon eine recht einseitige Schiene. Das wahre Leben wird in Erwartung der größten Potenziale erst einmal hinausgezögert, ohne Fakten zu schaffen. Es wird alles auf die akademische Karte gesetzt in der Hoffnung, in einem späteren Leben das große Los zu ziehen. Jeder frühzeitige Abbruch ist dabei eine Chance auf Realität. Dass die auch hart sein kann, soll hier nicht verheimlicht werden, aber nicht jeder Abbruch ist gleich ein Absturz. Und nicht jedes Los des fertigen Akademikers ist ein Gewinn.
Wie soll sich nun ein Schüler auf die Realitäten des Berufslebens und insbesondere auf die des Anwaltsberufes einstellen. Ein Praktikum! Aber ist das wirklich eine gute Idee?
Die Babyschildkröte hat sich gerade aus ihrem Ei gepellt und weiß nichts von dieser Welt. Instinktiv dreht sie sich und läuft Richtung Meer. Die arme Babyschildkröte. Sie weiß gar nicht, was da auf sie zukommt. Umweltaktivisten und Tierschützer sollten hier ein Praktikum für die Schildkröte anbieten. Sie sollten kleine Schüsseln mit Wasser auf dem Weg zum Meer aufstellen. Dann kann die kleine Babyschildkröte schon einmal testen, wie das so im großen Meer wird.
Genau das ist ein Praktikum. Eine Übung unter völlig abwegigen Umständen für ein Wesen, das sich noch ausschließlich von seinen Instinkten leiten lässt und von dem großen Meer noch gar nichts wissen will - die Babypraxiskröte.
Niemals! Wir haben einige Babypraxiskröten in unserer Kanzlei durchgeschleust, und ich habe auch viele Gespräche mit den entsprechenden Lehrern geführt: die pure Heuchelei. "Nein, er/sie macht sich wirklich...
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