Schweitzer Fachinformationen
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Seit ihrem gemeinsamen Studium in Münster waren Christian Haffner und Martin Hauser eng befreundet. Beide hatten Sport und Englisch auf Lehramt studiert. Der eine war Oberstudienrat an einem Dortmunder, der andere Studiendirektor an einem Bochumer Gymnasium. Sie waren Ende 40. Ihre Geburtstage lagen nur zwei Wochen auseinander. Der fünfzigste sollte im nächsten Jahr zusammen groß gefeiert werden.
Ihre Frauen, Sekretärinnen an der Technischen Universität Dortmund, hatten sie während ihrer Studienzeit bei einem Universitätsball kennengelernt. Unmittelbar nach Abschluss des Studiums fand eine Doppelhochzeit statt. Die Freundschaft zwischen den kinderlosen Paaren wurde von Jahr zu Jahr enger. Fast sämtliche Urlaube fanden gemeinsam statt, meist auf den westfriesischen Inseln in den Niederlanden. Die finanziellen Verhältnisse waren gut. Elke und Christian Haffner bewohnten ein Reihenhaus im Süden Dortmunds, Karin und Martin Hauser eine Eigentumswohnung in Bochum-Ehrenfeld.
Zuerst war es nur ein Hirngespinst, das Haffner bei einem gemütlichen Männerabend während eines im ZDF übertragenen Champions League-Spiels von sich gab. "Weißt du, Martin", begann er zusammenhanglos, "die Versicherungen sind schon ziemlich naiv. Du erinnerst dich doch an den Einbruch vor drei Jahren in unser Hotelzimmer in Griechenland, als uns ein paar Wertsachen und Elke ein Seidentuch sowie eine Umhängetasche von Versace geklaut worden sind. Die war natürlich nicht echt. Hatten wir billig in der Türkei gekauft. Aber die Versicherung hat geblecht, obwohl wir keine Quittung vorlegen konnten. Ein paar ältere Fotos, die wir ihnen zeigten, hatten genügt."
"Die haben dann den vollen Preis, den eine echte Versace kostet, gezahlt?", fragte Martin ungläubig.
"Ja. Abgezogen haben sie lediglich einen Teil vom Neupreis wegen des Alters der Tasche, das wir mit drei Jahren angegeben hatten."
"Da hast du nie was von erzählt. Wie kommst du jetzt da drauf?"
"Mir geht da seit ein paar Wochen so eine Sache durch den Kopf, die mich beschäftigt."
"Schieß los!"
"Weißt du, alles ist so . eingefahren. Auf die Schule habe ich schon lange kein' Bock mehr. Die Gören werden immer aufmüpfiger und scheren sich einen Scheißdreck um das, was wir ihnen beibringen wollen. Der Idealismus, mit dem ich mal als Junglehrer gestartet bin, ist flöten."
"Und was geht dir durch den Kopf?"
"Ich will raus aus der Tretmühle und zwar für immer. Kräftig absahnen und dann tschüss!"
"Lotto spielen", grinste Martin, "oder was meinst du?"
"Nee, da hast du nicht wirklich eine Chance."
"Also . eine Bank überfallen?"
"Zu großes Risiko. Nein, ich denke an eine Lebensversicherung."
"Aber wenn du tot bist, hat nur Elke was davon."
"Tod ist ein gutes Stichwort. Ich schließe eine hohe Risikolebensversicherung ab und verschwinde dann auf Nimmerwiedersehen."
"Du spinnst!"
"Nein, Martin, ich habe mir das ganz genau überlegt. Ich täusche meinen Tod vor, ohne dass meine Leiche gefunden wird. Elke lässt mich dann für tot erklären und kassiert die Versicherungssumme."
"Du weißt aber schon, dass du erst nach zehn Jahren für tot erklärt werden kannst."
"Im Normalfall schon", fiel Haffner seinem Freund ins Wort. "Aber bei einem Unfall auf dem Wasser beträgt die Frist nur ein Jahr. Ich habe mich da im Internet schlau gemacht."
"So? Wusste ich nicht. Und wo soll sich dein Unfall abspielen?"
"Auf Texel. Die Holländer sind vielleicht ein bisschen laxer als die Deutschen, was die Nachforschungen betrifft."
"Du scheinst dich ja tatsächlich schon ziemlich genau mit der Sache beschäftigt zu haben."
"Und ob! Bist du dabei?"
"Wie meinst du das denn jetzt?"
"Wir ziehen die Sache zusammen durch. Du hast doch eigentlich auch kein' Bock mehr, oder?"
"Du meinst, wir schließen beide eine hohe Versicherung ab, fahren zusammen in Urlaub und verunglücken bei einer gemeinsamen Bootsfahrt?"
"Genau das meine ich."
"Wenn du mich fragst, ganz schön riskant."
"Nee, überhaupt nicht. Die finden ein paar unserer Sachen am Strand, suchen nach uns und stellen dann nach zwei, drei Tagen ihre Nachforschungen ein. Offizielle Version: Tod durch Ertrinken."
"Hm, tolle Geschichte. Hört sich nicht schlecht an. Aber ein bisschen Schiss hätte ich schon. Hast du schon mal mit Elke darüber gesprochen?"
"Ja, aber nicht so konkret. Nur mal so vorgefühlt. Hab ihr gesagt, dass ein Kollege von mir so was mal in Bierlaune von sich gegeben hätte."
"Und was meinte sie?"
"Sie fand das clever. Zumindest hat sie sich so aus gedrückt."
"Ich weiß nicht, ob Karin da mitziehen würde."
"Kommt auf einen Versuch an. Lass uns mal nach der Übertragung ins Wohnzimmer zu den Frauen gehen und auf den Busch klopfen."
"Okay, wenn du meinst."
Was als Gedankenspielerei begonnen hatte, entwickelte sich zum konkreten Plan. Am ersten Abend hatten die Ehefrauen Bedenken geäußert. Aber bei einem weiteren Treffen noch in derselben Woche beschlossen sie schließlich gemeinsam, ihr Vorhaben zu verwirklichen.
Der Unfall sollte sich in den Herbstferien ereignen. Bis dahin wollten sie sich zur Vorbereitung ein halbes Jahr Zeit lassen. Nichts überstürzen. Haffner ließ sich von mehr als einem Dutzend Lebensversicherern Anträge schicken. Sie sonderten diejenigen aus, die nach anderweitigen Lebensversicherungen fragten, wie das früher - wie sie wussten - regelmäßig der Fall gewesen war. Jeder von ihnen schloss bei fünf Versicherern mehrere hochsummige Todesfallversicherungen im Gesamtvolumen von knapp drei Millionen Euro ab. Ihre Ehefrauen setzten sie als Bezugsberechtigte ein.
Im Oktober war es dann soweit. Der Segelurlaub auf Texel stand an. Schon vor Wochen war für die Herbstferien ein Haus in Strandnähe gebucht worden, in dem sie schon mehrfach gemeinsam ihren Urlaub verbracht hatten.
An einem stürmischen Tag brachen die Männer mit ihrem gemieteten Boot auf zu einem Segeltörn. Der Vermieter kannte die beiden Deutschen als erfahrene Segler, meinte zwar noch, sie hätten sich einen extrem schlechten Tag ausgesucht, hielt aber eine eindringliche Warnung für überflüssig, weil die beiden schon öfter bei solchen Windverhältnissen gesegelt waren.
Am späten Nachmittag erschien die Polizei bei den Ehefrauen. Am Strand waren Kleidungsstücke und mehrere Utensilien gefunden worden, die auf einen Segelunfall schließen ließen. In einer Jackentasche befand sich ein Sportbootführerschein See, lautend auf den Namen 'Martin Hauser'. Trotz sofort eingeleiteter Suche war das Boot noch nicht gesichtet worden. Den Frauen wurde mitgeteilt, dass sie mit dem Schlimmsten rechnen müssten. Die Rettungsaktion werde fortgesetzt. Aber auch in den nächsten beiden Tagen blieb das Boot verschwunden. Von den beiden Männern fehlte jede Spur. Die Suche wurde eingestellt. Man ging davon aus, dass das Boot im Sturm kenterte und beide Segler ertrunken waren.
Zur Klärung der Formalitäten blieben die beiden Frauen noch zwei weitere Tage vor Ort. Wieder zu Hause reichten sie die amtlichen Papiere den diversen Versicherern ein. Die Todesfallsummen machten sie im Laufe des sich anschließenden Schriftwechsels geltend.
Übereinstimmend wurde ihnen erklärt, dass die Versicherungsleistungen erst dann ausgezahlt werden könnten, wenn die Vermissten für tot erklärt worden seien. Im Normalfall nach zehn Jahren, bei Seeverschollenheit, wenn das Boot untergegangen sei, frühestens nach einem Jahr.
Im November des Folgejahres stellten die beiden Frauen die Anträge, ihre Männer für tot erklären zu lassen. Die Ende Oktober des vorangegangenen Jahres ausgestellten Bescheinigungen ließen sie mehrfach beglaubigen und legten sie den Versicherern mit der Bitte um Auszahlung der jeweiligen Versicherungssumme vor. Zwei hatten bereits gezahlt. Ein Mitarbeiter einer anderen Gesellschaft zögerte mit der Auszahlung. Die Höhe der Versicherungssumme von jeweils 600.000 Euro passte seiner Meinung nach nicht zum sozialen Umfeld der beiden Lehrer. Er fragte sich im Übrigen, weshalb die Bescheinigung nicht im Original, sondern in beglaubigter Form vorgelegt worden war. Sicherheitshalber bat er deshalb den Verband, in der HIS-Datei nachzuforschen, ob seitens der Versicherungsnehmer noch bei anderen Versicherern Risikolebensversicherungen abgeschlossen worden seien. Das führte zu mehreren Treffern. Unmittelbar danach fand ein reger Informationsaustausch zwischen den betreffenden Gesellschaften und deren Außendienstmitarbeitern statt.
Bei einem der Versicherer hatte sich Hauser kurz nach...
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