Schweitzer Fachinformationen
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Christian Bünger
Verband der Chemischen Industrie e. V.
Die Chemiebranche befindet sich in einem fundamentalen Wandel. Disruptionen verstärken sich und der globale Wettbewerb wird zunehmend intensiver. Dies erfordert noch größere Anstrengungen seitens der Unternehmen, mit Innovationen die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und auszubauen. Die Anforderungen an die Lösungskompetenz der Chemiebranche wachsen stetig und der digitale Wandel vollzieht sich erheblich schneller als noch vor einigen Jahren angenommen. Gleichzeitig findet er auf globaler Ebene statt. Neue digitale Technologien kommen auf den Markt, die Chancen und Potenziale für die Chemie und Pharmaindustrie bieten.
Der Beitrag adressiert Themen rund um die digitale Transformation sowie die Fokus-Punkte Nachhaltigkeit und zirkuläre Wirtschaft. Es werden zahlreiche Beispiele beschrieben, die den aktuellen Stand der Digitalisierung der Chemieindustrie aufzeigen.
Nachhaltige Entwicklung, Resilienz und Prosperität einer Volkswirtschaft erfordern eine innovative, wettbewerbsfähige chemisch-pharmazeutische Industrie. Denn die Branche ist Innovationsmotor und essenzieller Vorlieferant des industriellen Sektors, Eckpfeiler unseres Gesundheitssystems sowie Enabler einer klimaschonenden und zirkulären Wirtschaftsweise.
Die Branche steht hierzulande für knapp 200 Milliarden Euro Umsatz und 464 000 Mitarbeiter. Ein kräftiger Außenhandelsüberschuss bei Chemikalien und Pharmazeutika zeugt von einer hohen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen. Sie haben sich in ihrer über 150-jährigen Geschichte immer wieder erfolgreich modernisiert und an ein sich änderndes Umfeld angepasst.
Dominierten in den 1980er-Jahren noch große Konglomerate, setzte Mitte der 1990er- Jahre eine zunehmende Spezialisierung ein. Viele Konzerne spalteten sich auf und fokussierten sich auf ausgewählte, häufig deutlich engere Bereiche des Chemiegeschäftes. Damit ging auch die Entwicklung des Konzeptes der Chemieparks einher. Wo bis Mitte der 1990er- Jahre eine Einheit aus Produktionsbetrieben und Produktionsstandort bestand, finden sich heutzutage oftmals Chemie- oder Industrieparks. Die Bereitstellung von Flächen, Immobilien, Infrastrukturen, der Netze sowie Ver- und Entsorgungseinrichtungen wird von den Betreibergesellschaften dieser Parks übernommen. Mittlerweile findet das Konzept in der ganzen Welt Nachahmer.
Seit einigen Jahren führen Industrie 4.0 und die digitale Transformation dazu, dass Unternehmen künftig schneller und passgenauer gemeinsam produzieren und Lösungen entwickeln können. Das wird durch Kommunikation zwischen Maschinen und die Nutzung großer Datenmengen innerhalb des Industrienetzwerks bis hin zum Endkunden möglich. Auch für die Chemie ergeben sich Chancen durch Effizienzpotenziale, neue Geschäftsfelder und eine bessere Vernetzung in der Lieferkette. Gleichzeitig können sich aber auch Geschäftsmodelle ändern und veränderte Sicherheitsanforderungen entstehen.
Zeitgleich haben nachhaltiges Wirtschaften und nachhaltiger Konsum an Bedeutung gewonnen. Das zunehmende Gesundheits- und Umweltbewusstsein, der Wunsch nach Individualisierung von Produkten und geänderte Präferenzen der Konsumenten in einer "Sharing Economy" sind Entwicklungstendenzen, auf die sich Unternehmen einstellen müssen. Die Digitalisierung kann helfen, nachhaltige Lösungen zu entwickeln und umzusetzen.
Aus einer Chemie 1.0 von vor 150 Jahren ist seit rund einem Jahrzehnt die Chemie 4.0 geworden. Diese vierte Entwicklungsstufe ist von Digitalisierung, Nachhaltigkeit und zirkulärer Wirtschaft geprägt. Sie bietet dem Chemiestandort Deutschland die Chance, seine globale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, Kundenbedürfnisse noch passgenauer zu befriedigen und mit Innovationen entscheidend zu einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft beizutragen.
Für die Zukunft hat sich die Branche einiges vorgenommen. Neben der digitalen und zirkulären Transformation will sie bis 2050 die Chemiewende schaffen, also treibhausgasneutral sein, ohne fossile Rohstoffe auskommen und gleichzeitig zu nachhaltigem Wachstum und Wohlstand in Deutschland beitragen.
Digitalisierung und Nachhaltigkeit werden die Industriestrukturen fundamental verändern. Die Chemie- und Pharmaindustrie bildet hier keine Ausnahme, im Gegenteil: Die Transformationsgeschwindigkeit wird zukünftig noch zunehmen.
Bereits im Jahr 1991 legte die Chemie mit der Gründung des deutschen Responsible- Care-Programms nach internationalem Muster den Grundstein für Nachhaltigkeit in der Branche. Zuletzt hat das Thema deutlich an Bedeutung hinzugewonnen. Im Jahr 2013 haben der Wirtschaftsverband Verband der Chemischen Industrie (VCI), die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) und der Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) die Nachhaltigkeitsinitiative Chemie3 gegründet. Die drei Organisationen möchten gemeinsam die Nachhaltigkeit als Leitbild in der Branche verankern. Nachhaltigkeit ist als Dreiklang aus wirtschaftlichem Erfolg auf Basis von Innovationen, dem Schutz von Mensch und Umwelt sowie gesellschaftlicher und sozialer Verantwortung zu verstehen. Kern der Nachhaltigkeitsinitiative Chemie3 sind zwölf Leitlinien zur Nachhaltigkeit für die chemische Industrie in Deutschland [1]. Diesem Trend folgt auch die Politik. Im Jahr 2019 veröffentlichte die EU-Kommission den "europäischen Grünen Deal" [2]. Der "European Green Deal" ist ein Aktionsplan, der mit einer "effizienteren Ressourcennutzung" den Übergang zu einer "sauberen und kreislauforientierten Wirtschaft" in Europa vollziehen möchte. Zentrales Ziel ist, die Nettoemissionen von Treibhausgasen bis zum Jahr 2050 auf null zu reduzieren. Der European Green Deal wird die chemischpharmazeutische Industrie in erheblichem Maße beeinflussen. Die Digitalisierung wird diese Transformation unterstützen. Dazu gehören auch Technologien, die aktuell noch am Anfang einer breiten Anwendung stehen wie das Quantencomputing.
Digitalisierung ist für die Chemie nichts Neues. Damit Prozesse sicher und zuverlässig ablaufen, benötigt man detaillierte Informationen über den aktuellen Zustand (Druck, Temperatur, Durchflusszahlen bei Pumpen etc.). Nur mithilfe digitaler Sensoren können diese Informationen automatisiert erfasst werden. Daher ist eine dezentrale Leittechnik zur Steuerung von Anlagen schon lange in der Chemie etabliert. Mit dem Aufkommen von Industrie 4.0 hat die Digitalisierung allerdings eine neue Dynamik bekommen. Industrie 4.0 setzt da an, wo die reine Automatisierung von Anlagen aufhört, nämlich der Produktionsweise selbst. Dabei finden sich Ansatzpunkte für digitales, d. h. vernetztes Handeln in der Chemie entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Sie beginnen in der Forschung, gehen über die Anlagensteuerung und reichen bis hin zu digitalen Geschäftsmodellen.
Aber nicht nur die Chemiebranche ist im Wandel. Auch das Umfeld ändert sich fortlaufend. Disruptionen verstärken sich und der globale Wettbewerb wird zunehmend intensiver. Dies erfordert noch größere Anstrengungen seitens der Unternehmen, mit Innovationen die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und auszubauen. Auch die Kunden der Chemie stehen ihrerseits in starkem Wettbewerb. Im Zuge dessen ändern sich die Anforderungen an die Lösungskompetenz der Branche stetig. Im Rahmen einer VCI-Studie hat die Unternehmensberatung Santiago die Erwartungen der wichtigsten sechs Kundenbranchen der Chemieindustrie analysiert [3]. Es wurde deutlich, dass die Chemie noch stärker vom Endkunden her und noch mehr in Lösungen denken muss. Die Flexibilisierung und Modularisierung der Produktion sind ebenfalls von hoher Bedeutung. Verbesserungspotenziale gibt es laut Studie auch bei der Kommunikation mit den Kunden. Bei all diesen Punkten kann die Digitalisierung unterstützen.
Der digitale Wandel vollzieht sich erheblich schneller als noch vor einigen Jahren angenommen. Gleichzeitig findet er auf globaler Ebene statt. Neue digitale Technologien kommen auf den Markt, die Chancen und Potenziale für die Chemie und Pharmaindustrie bieten. Nur beispielhaft seien an dieser Stelle Drohnen oder autonome Fahrzeuge genannt. Drohnen können bei der Inspektion von Tankanlagen helfen oder Orte erreichen, die für Menschen bis dato nur schwer erreichbar sind oder ein Herunterfahren von Anlagen zur Folge hätten. Autonome Fahrzeuge können helfen, die Intra-Site-Logistik signifikant zu optimieren. All dies ist ohne Digitalisierung nicht denkbar.
Die Frage "Wo steht die Chemie bei der Digitalisierung?" lässt sich pauschal nicht beantworten. Kaum eine andere Industrie kann auf eine ähnlich vielfältige Produktpalette und einen so breiten Kundenstamm verweisen wie die chemisch-pharmazeutische Industrie. Dementsprechend unterschiedlich fällt auch der Grad der Digitalisierung aus.
Digitalisierung ist allerdings ein weiter Begriff. Daher macht es Sinn, die unterschiedlichen Ansatzpunkte der Digitalisierung in drei Kategorien einzuteilen, die unterschiedliche...
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