Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Kapitel 2
IN DIESEM KAPITEL
Im Vergleich zu deutlich älteren Wissenschaftsgebieten ist die Mikrobiologie zwar historisch gesehen nicht mehr ganz neu, aber dennoch ein »Youngster« angesichts der zahlreichen Spezialgebiete, die sich in den letzten Jahren rund um die Mikrobiologie etabliert haben.
Die Anfänge der Mathematik reichen zurück in die Zeit um etwa 3000 v. Chr. in Babylonien, die Physik nahm mit dem Naturwissenschaftler Aristoteles (384 bis 322 v. Chr. ihren Anfang, aber das Wissen über winzige Lebewesen, ihre Biologie und ihre Auswirkungen auf das menschliche Leben gibt es erst seit dem späten 19. Jahrhundert. Bis um die 1880er-Jahre glaubten die Menschen noch immer, dass Leben durch eine Urzeugung aus unbelebter Materie entsteht und Krankheiten durch Sünden oder üble Gerüche (Miasmen) verursacht werden - so hören sie auch heute oft noch »das stinkt ja wie die Pest« - eine Reminiszenz an wirklich mittelalterliche Zeiten.
Wie in anderen Bereichen der Wissenschaft gibt es in der mikrobiologischen Forschung zwei Aspekte: die Grundlagenforschung und die angewandte Forschung. Bei der Grundlagenforschung geht es darum, die fundamentalen Regeln der mikrobiellen Welt zu entdecken und die Vielfalt mikrobieller Systeme zu untersuchen. In der angewandten Mikrobiologie steht eher die Lösung eines Problems im Vordergrund, zum Beispiel die Frage, wie sich Mikroorganismen, deren Gene und Proteine ??für praktische Anwendungen in der Industrie oder Medizin nutzen lassen.
In diesem Kapitel erklären wir die wichtigsten Konzepte und Experimente, die zur Entdeckung von Mikroorganismen und ihrer Bedeutung für das Entstehen von Krankheiten führten. Wir stellen verschiedene Bereiche der Mikrobiologie vor und beschäftigen uns mit den Fortschritten und Herausforderungen bei der Prävention und Therapie von Infektionskrankheiten.
Medizinische Praktiken in der Antike waren zwar stark vom Glauben an übernatürliche Kräfte geprägt, dennoch war das alte Ägypten seiner Zeit in Bezug auf die Medizin weit voraus. Altägyptische Ärzte führten bereits 2000 v. Chr. erfolgreich Operationen durch und behandelten eine Vielzahl von Erkrankungen. Altgriechische Ärzte befassten sich um 400 v. Chr. mit der Ausgewogenheit des »humors« im Körper (die verschiedenen Körpersäfte). Sie glaubten, dass ein Ungleichgewicht dieser Säfte für Krankheiten verantwortlich ist. Auf diesem Konzept beruhte auch die Medizin im Europa des Mittelalters. Mikrobielle Verursacher von Krankheiten oder die Übertragungswege waren jedoch noch völlig unbekannt.
Warum Menschen von Krankheiten betroffen sind oder nicht und wie diese behandelt werden sollten, unterschied sich erheblich von Kultur zu Kultur. Die Ursache von Krankheiten war nach damaliger Vorstellung unter anderem:
Obwohl das Konzept der Ansteckung generell bekannt war, wurde es nicht winzigen Lebewesen zugeschrieben, sondern eben den schlechten Gerüchen oder Geistern wie dem Teufel. Dementsprechend wurden damals auch einfache Maßnahmen wie das Entfernen der Infektionsquelle oder das Waschen von Händen beziehungsweise chirurgischen Geräten völlig außer Acht gelassen.
Bevor Mikroorganismen entdeckt wurden, war nicht bekannt, dass das Leben ausschließlich von lebenden Zellen abstammt. Die Menschen glaubten damals, Leben entstehe von allein aus Schlamm und Seen mit ausreichenden Nährstoffen in einem Prozess der spontanen Erzeugung (Urzeugung oder Abiogenese). Dieses Konzept war so überzeugend, dass es bis in das späte 19. Jahrhundert Bestand hatte.
Robert Hooke, ein englischer Wissenschaftler des 17. Jahrhunderts, verwendete als erster eine Linse, um die kleinsten Einheiten von Geweben zu betrachten. Diese Einheitenbezeichnete er als »Zellen«. Wenig später beobachtete der niederländische Tuchmacher, hobbymäßige Linsenmacher und Amateurbiologe Antoni van Leeuwenhoek mit seinen selbstgefertigten Mikroskopen kleine Lebewesen in Teichwasser und Speichel, die er Animacula (»Tierchen«) nannte - und wurde von der britischen Royal Society für seine Neuentdeckung 1676 zunächst ziemlich verspottet. Mit seinen über 500 Mikroskopen »Marke Eigenbau« soll van Leeuwenhoek eine Vergrößerung des bis zu 270-fachen erreicht haben - eine wirklich erstaunliche Leistung für die damalige Zeit!
Nachdem die Existenz von Mikroorganismen irgendwann anerkannt war, glaubten die meisten Wissenschaftler im 19. Jahrhundert noch immer, dass solche einfachen Lebensformen durch spontane Erzeugung entstehen könnten. Sie erhitzten einen Behälter mit einer Nährlösung (eine Mischung von Nährstoffen, die das Wachstum von Mikroorganismen unterstützen sollte) und versiegelten diesen. Als dann keine Mikroorganismen wuchsen, glaubten sie, dass dies auf die Abwesenheit von entweder Luft oder der Lebenskraft (was auch immer das war!) zurückzuführen sein musste, die notwendig ist, um Leben zu erzeugen.
Das Konzept der spontanen Entstehung von Leben wurde schließlich vom französischen Chemiker Louis Pasteur in einer Reihe kreativer Experimente mit einem Schwanenhalskolben widerlegt (Abbildung 2.1). Als er eine Nährbouillon in einem Kolben mit geradem Hals kochte und sie dann für eine Weile der Luft aussetzte, wuchsen Organismen. Als er das Experiment mit einem Schwanenhalskolben wiederholte, wuchs nichts. Die S-Form dieses zweiten Kolbens fängt alle Staubpartikel aus der Luft ein und verhindert, dass sie in die Nährbouillon gelangen können. Erst wenn die Nährbouillon mit der Luft im Schwanenhals wieder vermischt wird, kommt es zur Kontamination. Pasteur zeigte, dass zwar Luft in den Kolben eindringen konnte, aber eben nicht die Partikel in der Luft. Damit bewies er, dass es die Organismen im Staub waren, die letztendlich in der Bouillon wuchsen.
Abbildung 2.1: Pasteurs Experimente, die die Theorie der spontanen Erzeugung widerlegten
Die Vorstellung, dass unsichtbare Mikroorganismen die Ursache von Krankheiten sein könnten, wird als Keimtheorie bezeichnet, die ab 1870 Eingang in das Verständnis von Mikroorganismen fand - ein weiterer wichtiger Beitrag von Pasteur zu den Anfängen der Mikrobiologie. Anlass für diese Untersuchungen war für Pasteur damals übrigens seine Suche nach dem infektiösen Organismus, der den Tod von dreien seiner Töchter durch Typhus verursachte.
Etwa zur gleichen Zeit, als Pasteur seine Experimente durchführte, arbeitete der Arzt Robert Koch daran, die Ursachen für schwere Tiererkrankungen zu finden; zuerst Anthrax, dann Tuberkulose. Er stellte eine Reihe strenger Richtlinien auf, die er Postulate nannte. Kochs Postulate sind heute noch (wenn auch mit Einschränkungen) gültig, um nachzuweisen, dass ein Mikroorganismus eine bestimmte Krankheit verursacht:
Sobald die Wissenschaftler begriffen hatten, dass Mikroorganismen Krankheiten verursachen, war es nur eine Frage der Zeit, bis sich die medizinischen Praktiken erheblich verbesserten. Früher war eine Operation genauso gefährlich wie gar keine Behandlung, aber nach der Einführung aseptischer Techniken stiegen die Überlebensraten beträchtlich. Händewaschen und die Quarantäne infizierter Patienten verringerten die Ausbreitung von Krankheiten und machten Krankenhäuser zu einem Ort, an dem man eher geheilt wurde als starb.
Die Impfung wurde zwar noch vor der Keimtheorie entdeckt, aber erst zur Zeit von Pasteur vollständig verstanden. Im späten 18. Jahrhundert blieben Milchmädchen, die sich beim Melken mit den harmlosen Kuhpocken infiziert hatten, von den tödlichen Pocken-Ausbrüchen verschont, die England regelmäßig verwüsteten. Das fiel auch dem Arzt Edward Jenner auf. Er kam auf eine geniale (wenn auch ethisch sehr fragwürdige) Idee: Er verwendete Eiter aus Kuhpocken und infizierte damit gesunde Menschen als Schutz gegen Pockeninfekte. Erst Jahre später erkannte Pasteur, dass das Kuhpockenvirus dem Pockenvirus ähnlich genug ist, um eine Immunantwort auszulösen, die einer Person...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Adobe-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet – also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Adobe-DRM wird hier ein „harter” Kopierschutz verwendet. Wenn die notwendigen Voraussetzungen nicht vorliegen, können Sie das E-Book leider nicht öffnen. Daher müssen Sie bereits vor dem Download Ihre Lese-Hardware vorbereiten.Bitte beachten Sie: Wir empfehlen Ihnen unbedingt nach Installation der Lese-Software diese mit Ihrer persönlichen Adobe-ID zu autorisieren!
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.