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Ein komplexes Phänomen wie die Frauenbewegung ist nicht einfach zu definieren. Käthe Schirmacher formulierte 1905 kämpferisch: "Von jeher hat der Mann diejenige, die ihm Genossin, Kameradin sein sollte, zu beherrschen versucht. Auf Grund des Faustrechts ist ihm das meist gelungen. Jeder Protest gegen dieses Faustrecht war - 'Frauenbewegung'." Ähnlich vage, wenn auch weitaus vornehmer, definierten andere den unübersehbaren Aufbruch der Frauen. Die Geschichte der Frauenbewegung ist zumeist als Ideen- und Organisationsgeschichte konzipiert worden, in der einige herausragende Persönlichkeiten und überregional agierende oder bekannt gewordene Vereine als Initiatoren der Frauenbewegung beschrieben wurden. In Lokalstudien und in Stadtgeschichten wird eine weit facettenreichere und differenziertere Geschichte der Frauenbewegung rekonstruiert, die mit der Geschichte der überregionalen Vereine unübersehbar zusammenhängt, aber doch ganz eigene Seiten hat. Und in den Arbeiten, die zu einzelnen Aktionsfeldern dieser Frauenbewegung verfasst wurden, zur Wohlfahrtspolitik, zur Bildungspolitik, zur Jugendarbeit, zu juristischen Fragen und zu einzelnen Berufszweigen, tauchen wiederum andere Aspekte der Frauenbewegung auf. Auch die biografischen Arbeiten zur Frauenbewegung lassen die Vielfalt und das dichte Netz dieser Bewegung aufscheinen, dessen Erforschung noch am Anfang steht.
Die wichtigsten Anstöße erhielt die Frauenbewegung von der Französischen Revolution 1789 und der europäischen Revolution 1848/49. Die Französische Revolution mobilisierte mit der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte auch die Forderungen nach der rechtlichen und sozialen Gleichstellung der Frau, die zumeist mit einer radikalen Kritik an den bestehenden Verhältnissen verknüpft waren. Die Anfänge der organisierten Frauenbewegung in Deutschland reichen in die Vierzigerjahre des 19. Jahrhunderts zurück. Die Aufbruchstimmung, die Deutschland im Vormärz erfasste, beschränkte sich nicht auf den männlichen Teil der Bevölkerung. Aus vereinzelter Kritik an der Situation von Frauen wurde eine Frauenbewegung, die um die Jahrhundertwende in der Öffentlichkeit unübersehbar an Einfluss und Ansehen gewonnen hatte. Es entstand eine vielfältige, publikumswirksame Vereinskultur mit eigenen Publikationsorganen, Beratungsstellen sowie einem umfangreichen Angebot an Informationsveranstaltungen, Treffen und Kongressen, die nicht nur das jeweilige städtische beziehungsweise regionale Milieu prägte, sondern auch der nationalen und internationalen Vernetzung diente. Da die Frauenorganisationen von Frauen aus bürgerlichen Schichten, zum Teil auch aus dem Adel, gegründet und geleitet wurden, stand die Forderung nach Bildungs- und Berufsmöglichkeiten für (bürgerliche) Frauen sowie die Verbesserung der sozialen Lage der Unterschichten im Mittelpunkt der zahlreichen Bildungs-, Berufs- und Wohltätigkeitsvereine. Aus der Bevormundung durch die bürgerlich geprägte Frauenbewegung lösten sich die Arbeiterinnen, die sich mit der Entstehung der sozialistischen Parteien und der Arbeitervereine zunehmend in Frauenabteilungen oder separaten Interessenvertretungen organisierten und eine Gleichstellung der Frau in erster Linie durch die radikale Veränderung der Gesellschaft zum Sozialismus erreichen wollten.
Die Frauenbewegung, die sich im 19. Jahrhundert in den USA und in Westeuropa entwickelte, setzte sich aus verschiedenen Vereinen und Organisationen zusammen, die von Frauen gegründet, geleitet und dominiert wurden und deren Mitglieder mehrheitlich Frauen waren. Diese Frauenvereine engagierten sich auf unterschiedlichen Feldern für eine Verbesserung der Situation von Frauen, mit der sie auch gesamtgesellschaftliche Reformen durchsetzen wollten. Hinter dieser sehr allgemeinen Definition steht eine Vielzahl von Frauenvereinen mit unterschiedlichsten Zielsetzungen, die eine Beteiligung an nationalen Belangen, ein Mitspracherecht in Kommunen und Kirchen, eine Anerkennung der familiären Leistungen von Frauen, bessere Bildungs- und Erwerbsmöglichkeiten für Frauen und die politische Gleichberechtigung forderten. Andere Vereine bemühten sich um die Milderung der Not armer Bevölkerungsschichten, organisierten die Betreuung und Speisung von Arbeiterkindern, engagierten sich für eine bessere medizinische Betreuung von Frauen und Kindern, kämpften gegen schlechte Wohn- und Arbeitsbedingungen sowie gegen staatlich geregelte Prostitution, Mädchenhandel und Alkoholmissbrauch. Während die einen die Anerkennung der Gleichwertigkeit des weiblichen Geschlechts in einer reformierten Gesellschaft erreichen wollten, forderten die anderen gleiche Rechte und gleiche Pflichten in einer revolutionierten Welt. Wie radikal auch immer die Forderungen aussahen: Sie waren an eine Gesellschaft gerichtet, in der die Vorstellung von einer Gleichberechtigung der Geschlechter wenig Akzeptanz fand und ein deutliches Machtgefälle zwischen Männern und Frauen allgegenwärtig war.
Die Vereine und Organisationen der deutschen Frauenbewegung werdenin der Forschung meistunterdem Terminus "bürgerliche Frauenbewegung "rubriziert. Diese Bezeichnung ist, was die Mitgliedsstruktur dieser Frauenvereine betrifft, in der Regel gerechtfertigt. Wenn sich auch Frauen aus anderen Schichten in diesen Organisationen engagierten, so stammte die Mehrheit doch aus bürgerlichen Kreisen: Ute Gerhard schätzt, dass 85 % der Frauen aus bürgerlichen Familien stammten, 10%aus Arbeiterfamilien und 5% aus dem Adel. Problematisch und belastet ist der Begriff "bürgerliche Frauenbewegung" jedoch dadurch, dass er von sozialistischen Zeitgenossinnen pejorativ benutzt wurde: Mit der Bezeichnung "bürgerliche Frauenbewegung" grenzten sich Politikerinnen wie Clara Zetkin und Lily Braun (die eine war die Tochter eines Lehrers, die andere stammte aus einer adeligen Familie) von den nicht sozialistischen Vereinen ab, die ihnen die Interessen der Arbeiterklasse zu wenig oder gar nicht zu berücksichtigen schienen. Die innerhalb oder in ideologischer Nähe zur SPD, KPD und den Gewerkschaften angesiedelten Frauenorganisationen werden in der Forschung proletarische oder sozialistische Frauenbewegung genannt, obwohl sich z.B. Clara Zetkin immer davon distanzierte, Arbeiterinnenvereine als Teil der Frauenbewegung zu definieren.Sie postulierte, dass jede Klasse ihre eigene Frauenfrage habe. Da die proletarische Frauenbewegung die Lösung der Frauenfrage in und mit der Entstehung der sozialistischen oder kommunistischen Gesellschaft erhoffte, ordnete sie die Fraueninteressen den Parteiinteressen unter. In dieser Hinsicht waren die hier im Mittelpunkt stehenden Frauenorganisationen der (bürgerlichen) Frauenbewegung autonomer, da sie in der Regeldenliberalen Parteien nahestanden, sich ihnen aber nicht unterordneten.
Neuere biografische, stadt- und regionalgeschichtliche sowie auf die unterschiedlichsten Sachthemen bezogene Arbeiten haben deutlich gemacht, dass die in der Geschichtsschreibung seit dem Ende des 19. Jahrhunderts übliche Unterteilung der Frauenbewegung in eine "bürgerliche" und in eine "sozialistische" oder "proletarische" Frauenbewegung fragwürdig ist. Nur die "bürgerliche" Frauenbewegung strebte von Anfang an die Etablierung einer selbstständigen feministischen Organisation an, während die "proletarische" sich in die sozialistische Arbeiterbewegung eingliederte. Trotzdem verfolgten beide Gruppierungen, in Anerkennung von Geschlechterunterschieden und Hochschätzung von Mutterschaft, entgegen aller politischen Abgrenzungsrhetorik zum Teil gemeinsame Ziele.
Eine statische Einteilung der Vereine in diese beiden Rubriken ist auch deshalb wenig sinnvoll, da Frauenvereine Entwicklungsprozessen unterlagen, in denen sich die Vereinstätigkeit, die Kooperationen und die politischen Einstellungen einzelner Mitglieder oder ganzer Vereine ändern konnten. Die Aktivistinnen der Frauenbewegung bildeten, obwohl sie für unterschiedliche Richtungen vereinnahmt werden, trotz vieler Streitigkeiten, Differenzen und Animositäten immer wieder Aktionsbündnisse, um sich auf verschiedenen Gebieten, mit unterschiedlichen Mitteln und in variablen Koalitionen für eine Änderung der männerdominierten Gesellschaft einzusetzen.
In dieser Darstellung wird von der deutschen Frauenbewegung gesprochen und der Schwerpunkt auf den Dachverband der deutschen Frauenbewegung, den Bund Deutscher Frauenvereine (BDF) sowie auf die ihm angeschlossenen Vereine und deren Protagonistinnen gelegt. Diese Perspektive soll dazu anregen, die Vielfalt der Frauenvereine, die sich unter diesem Dach versammelten, näher in den Blick zu nehmen und nach ihren Potenzialen zu fragen. Weder vorher noch nachher ist es einer deutschen Frauenorganisation gelungen, ein so breites Spektrum von Frauenvereinen zu mobilisieren, denen nach Schätzungen zuletzt 500 000 bis 1 Million Mitglieder angehörten. Wie bruchstückhaft unser Wissen über diese erfolgreiche soziale Bewegung immer noch ist, zeigen neuere Untersuchungen, die die Überlieferungslücken nicht nur für die Frauenbewegung in Deutschland, sondern für die Frauenbewegungen auf der ganzen Welt verdeutlichen.
Auch wenn es richtig bleibt, dass der BDF sich trotz programmatisch festgelegter Neutralität gegenüber den sozialistisch und...
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