Schweitzer Fachinformationen
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Knapp über dem zerklüfteten Kamm der Serra de Tramuntana, die sich wie eine gutmütige Eidechse um das Tal schmiegte, ließ sich zaghaft die Sonne blicken. Nicht ohne Mühe stieg sie bis über den höchsten Gipfel und schaute die Orangen- und Zitronenhaine hinab. Dann fiel ihr Blick auf ein winziges gelbes Auto, das ziemlich munter die steile Bergstraße hinaufratterte.
Isabel Flores Montserrat gab die letzte Strophe von Big Yellow Taxi wild und laut zum Besten, und der leichte Wind trug sie vergnügt davon. Inzwischen schwebte die Sonne am Himmel wie ein launischer Luftballon und blendete Isabel so sehr, dass sie kaum die Straße sehen konnte. Sie klappte die Sonnenblende herunter, ließ dann wieder den linken Ellbogen auf dem offenen Fenster ruhen, während sie mit der rechten Hand steuerte. Ihre vom Schwimmen feuchten schwarzen Locken tanzten im Wind; wieder einmal strich sie sich eine Strähne aus dem Gesicht und schaltete einen Gang hinunter, um eine besonders enge Kurve zu nehmen. Da entdeckte sie zu ihrer Verblüffung Leben auf der Straße - einen Rentner, der vor ihr mühsam in die Pedale trat. Zu dieser frühen Stunde konnte das nur der alte alte Bartomeu sein. Sie grinste und bremste mit einem kurzen Hupen ab, bis sie im Schritttempo neben dem Fahrrad rollte.
»Ich hätte im Auto noch Platz!«
Der alte Mann starrte sie mit wässrigen grauen Augen an und gackerte heiser. »Gràcies, Bel, aber so lebensmüde bin ich auch wieder nicht.«
Isabel lachte, winkte, ließ den Motor aufheulen und rauschte an alte Bartomeu vorbei. »Pass auf, Pequeñito«, sagte sie zu ihrem Auto und trommelte auf das Lenkrad, »wenn wir im Dorf ankommen, halte die Scheinwerfer nach einem Parkplatz offen, ja?«
Der kleine Fiat schaffte schnaufend den steilen Anstieg nach Sant Martí und ruckelte, als Isabel in einer engen Kopfsteingasse beschleunigte. Die meisten Parkplätze hier waren bereits von Urlaubern belegt, die zweifellos noch in ihren Betten vor sich hin träumten. Gelegenheitsdiebe wurden von diesen Autos geradezu magisch angezogen, denn die meisten trugen einen verräterischen Mietwagenaufkleber an der Windschutzscheibe. Bestimmt würden die Banden, die in der Sommersaison von Palma in die ländlichen Gegenden ziehen, ein paar davon ausräumen - das war so sicher wie das Amen in der Kirche! Die ehemalige Polizistin in Isabel ärgerte sich. Sie bremste am ruhigen Dorfplatz ab, bog links in die Calle Feliu und dann rechts zum Rathaus. Ganz hinten entdeckte sie einen freien Besucherparkplatz im Schatten einer hohen Platane. Sie schoss mit dem Fiat in die Lücke, stellte den Motor ab und klopf?te liebevoll aufs Armaturenbrett.
»Bis dann, Pequeñito!«
Erst als sie ausgestiegen war, bemerkte sie Pau, den treuen Dorfpolizisten. Er kam auf sie zu, drohte mit dem Finger und zeigte auf Pequeñito.
»Bel, du kannst hier nicht parken. Dieser Platz ist für den Tourismusminister reserviert. Er besucht heute den Bürgermeister.«
Isabel breitete dramatisch die Arme aus. »Steht etwa sein Name drauf? Und überhaupt: Wenn es ebendiese Touristen nicht gäbe, könnte ich in aller Ruhe woanders parken!«
»Das mag ja sein, aber diesen Platz brauche ich trotzdem.«
»Komm schon, Pau, solltest du nicht lieber den Minister bequatschen, damit er sich mal um einen neuen Parkplatz in Sant Martí kümmert? Wenn der mehr Touristen will, soll er eben das Geld lockermachen .«
Der junge Mann zog sich die blaue Uniformmütze vom Kopf und wischte sich die Stirn ab.
»Heiß wird es. Warst du schwimmen?«
Sie nickte. »Ich hole mir einen Kaffee. Kommst du mit?«
Er schnauf?te und setzte sich die Mütze wieder auf. »Danke, aber ich muss hierbleiben, bis der Minister eintrifft.«
»Schade. Dann fahre ich mal weg.«
Mit einem Seufzer gab sie sich geschlagen und begann, halbherzig nach dem Autoschlüssel zu suchen. Pau legte ihr die Hand auf den Arm.
»Schon gut. Ich finde einen anderen Parkplatz für seinen Chauffeur. Recht hast du, was glauben diese Politiker eigentlich, wer sie sind? Es wird Zeit, dass wir hier Geld für einen neuen Parkplatz bekommen.«
Isabel schenkte ihm ihr strahlendstes Lächeln. »Gràcies, Pau. Du bist ein Engel!«
Als sie in Richtung der Bar Castell schlenderte, wünschte sie sich, alle Problemchen des Lebens wären so einfach zu lösen.
Ein Kreischen zerriss die schwüle Morgenluft auf der Plaça de Sant Martí. Isabel ließ ihre Zeitung sinken und schaute aus dem Korbstuhl auf der Barterrasse in den blauen Himmel, entdeckte aber nicht etwa eine Möwe, sondern einen graziösen Zwergadler. Entrückt beobachtete sie seinen Flug - bis ihre Träumerei unsanft von einer eindringlichen Stimme unterbrochen wurde, die von der plaça unten kam.
»He, Bel! Bist du da oben etwa eingenickt?«
Isabel blinzelte und suchte den gepflasterten Platz ab, bis sie eine junge Frau mit weinendem Kind auf dem Arm entdeckte - ihre Freundin Marga nebst Tochter.
Isabel grinste auf die beiden herab. »Das Geräusch eben, war das Sof?ia?«
Marga zuckte die Achseln. »Deine geliebte Patentochter ist in den Springbrunnen gefallen. Ein Glück, dass ich Wechselsachen für sie dabeihatte. Können wir uns zu dir setzen?«
Isabel warf ihr dunkles Haar zurück. »Venga!«
Als sie ihren Diario de Mallorca zusammenfaltete, zwinkerte ihr der Regionalpräsident von der Titelseite zu. Mit ihrem angeknabberten Fingernagel tippte sie auf seine Nase und schaute ihm in die Augen. »Flirten Sie nicht mit mir, Señor Presidente! Haben Sie nichts Besseres zu tun, als eine neue Galerie zu eröffnen?« Sie warf ihn in die Tasche und mit ihm die üblichen Verdächtigen der Nachrichtenseiten - korrupte Politiker, betrügerische Bauunternehmer, Drogendealer, Taschendiebe und gewalttätige Ehemänner. Rafael, der Barbesitzer, blickte zu ihr, während er am Tresen ein Glas polierte. Sie lächelte ihn an.
Isabel war schon immer Stammgast der Bar Castell gewesen, und Rafael schien nie zu altern. Ob er aus dem Jungbrunnen getrunken oder einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatte? Wie auch immer, seine wilden grauen Locken wurden nicht dünner, und auf seinen geraden Rücken wäre auch ein halb so alter Mann neidisch gewesen.
»Es sieht dir gar nicht ähnlich, so lange hier herumzusitzen«, rief er zu ihr rüber. »Kann der junge Pep denn allein die Stellung halten?«
Isabel gähnte. »Ein bisschen Freiraum hat noch niemandem geschadet. Er beschwert sich immer, ich würde ihm im Nacken sitzen.«
»Armer Pep! Ich würde nicht für eine Frau arbeiten wollen. Ihr behandelt uns alle wie Sklaven.«
Sie grinste: »Stimmt.« Und da Marga und Sof?ia inzwischen die steile Treppe erklommen hatten, fügte sie hinzu: »Apropos Sklaven: Wo bitte sind unsere Kaffees?«
Die beiden Frauen tauschten Küsschen aus, und Isabel wollte das Mädchen in die Arme nehmen, aber die Kleine wehrte sie ab und trippelte mit dem wankenden Schritt eines alten Säufers an die Bar zu Rafael.
Isabel schaute ihr nach. »Du bist mir eine. Hast Rafael lieber als deine Patentante, was?«
Marga seufzte. »Für Rafaels Schokomilch würde sie ihre Seele verkaufen.«
Sie folgte ihrer Tochter, zog winzige nasse Sachen - Shorts, Söckchen und ein T-Shirt - aus ihrer voluminösen Strohtasche und legte sie auf die gekachelte Fensterbank, damit sie in der Sonne trockneten.
Rafael hob die Kleine auf den Tresen. »Für ein Bad ist es nie zu früh, was?«
Er wuschelte ihr durch die Haare, nahm eine kleine Flasche Cacaolat aus dem Kühlschrank, öffnete den Deckel und drückte ihr die Schokomilch in die Hand.
»Pajita!«, befahl sie.
Rafael zog einen blauen Papierstrohhalm aus einem Terrakottatopf und steckte ihn in die Flasche. Sof?ia schüttelte den Kopf.
»Roja y blanca, Rafa!«
Geduldig ersetzte er den Strohhalm und lachte, als Sof?ia mit einem ernsten Nicken die rot-weiß gestreif?te Variante guthieß.
Marga kam auf die Terrasse heraus und ließ sich neben ihrer Freundin im Schatten eines riesigen Sonnenschirms auf einen Stuhl fallen. Rafael kam mit zwei Tässchen dampfenden Kaffees herüber, dazu eine frisch gebackene ensaïmada für Marga. Nach altem spanischen Kaffeeritual schüttelten die Frauen ihre Zuckerpäckchen kräftig, bevor sie diese in ihre Tassen leerten.
»Und, wie läuft es so mit meinem kleinen Bruder?«, fragte Marga und steckte sich genüsslich ein Stück Blätterteig in den Mund.
»Oh, Pep macht sich gut! Obwohl .«
Isabel nahm einen Schluck und ließ den starken Cortado auf sich wirken:...
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