Querkenbeck und die goldene Trompete

Eine brandenburgische Kriminalgroteske
 
 
BlueCat Publishing GbR
  • 1. Auflage
  • |
  • erschienen am 26. November 2021
  • |
  • 350 Seiten
 
E-Book | ePUB mit Wasserzeichen-DRM | Systemvoraussetzungen
978-3-86327-071-1 (ISBN)
 
Die Verrückten sind los im Fontaneland und treiben dort, in der wunderschönen Landschaft zwischen Berlin, Kyritz, Lindow und Kremmen, ihr Unwesen.
Die Berliner Freunde Eigenbrodt und Bentheim - recht schräge Vögel - geraten unversehens in den Strudel der abenteuerlichen Jagd nach der GOLDENEN TROMPETE DER PRIGNITZ. Und da jagen viele: allen voran der Verwandlungskünstler Querkenbeck, der seinen Widersachern aus dem Russenclan zuvorkommen möchte (woran ihn aber die Größe seiner Ohren hindert). Im Clan selbst kocht vor allem die rattenscharfe Natascha ihr eigenes Süppchen. Eher hilflos in diesem Strudel der Kyritzer Kommissar Nattermann und gänzlich hilflos der Kremmener "Journalist" Nick Nottenwald, Nataschas Lover. Ein irres Treiben - voller überraschender Wendungen, in augenzwinkernder Grundstimmung.
  • Deutsch
  • Berlin
  • |
  • Deutschland
  • Leser jeden Alters, die skurrilen Humor, Regionalbezug (Brandenburg und Berlin) und Wortwitz schätzen.
  • 0,51 MB
978-3-86327-071-1 (9783863270711)
weitere Ausgaben werden ermittelt

2


IST AUCH KLEBI SONDERBAR,

BENTHEIM MACHT DIE SACHE KLAR.

 

Hamburg schwirrte Bentheim in den nächsten Tagen im Kopf herum. Er hatte dort eine kurze, aber intensive Zeit verlebt und mit wachsender Begeisterung erinnerte er sich an die WG im Karolinenviertel, wo man eigentlich nur zwischen zwei Saufexzessen hinging, um gepflegt in Ohnmacht zu fallen. Und er erinnerte sich an Klebi, damals eine Größe auf dem Kiez, der sich auf Einbrüche in Villen spezialisiert hatte. Seinen Spitznamen verdankte er der Neigung, Bewohnern von Häusern, die er nachts besuchte und die sich dort zufällig und unerwünscht aufhielten, den Mund mit Sekundenkleber zu verschließen. Klebi war ein Mann mit vielen Talenten und vor allem mit Kontakten.

Das alles war gefühlte hundert Jahre her und er fand, dass es an der Zeit wäre, nach Hamburg zu fahren und Klebi zu besuchen. So einer bleibt seinem Metier treu. Er war entweder tot oder saß in seiner reichlich bemessenen Freizeit im 'Froschauge'.

 

"Mensch, das is' doch der fiese Bentheim. Mann, siehst du scheiße aus."

"Danke, Klebi, ich freue mich auch, dich zu sehen."

Die Kneipe war noch an Ort und Stelle auf St. Pauli. Nur dass man jetzt gleich am Eingang auf eine klebrige, zentimeterhohe Dreckschicht trat. Früher war dieser Belag den Klos vorbehalten gewesen. Dafür war seit damals nicht gelüftet worden. Durch den Zigarettenqualm konnte man mit Mühe den Tresen sehen, der von einem Deckenstrahler matt ausgeleuchtet wurde. Klebi war der einzige Gast um 10 Uhr morgens. Er saß auf seinem alten Platz an der Ecke des Tresens. Nachdem sich Bentheims Augen an das trübe Licht und seine Nase an den Gestank gewöhnt hatten, stellte er sich neben die einstige Kiezgröße, die nichts mehr hatte, was an ihre glorreiche Vergangenheit erinnerte. 'Abgeranzt' würde Eigenbrodt sagen, der für solche Erscheinungsbilder ein ganz besonderes Vokabular in petto hatte.

"Muss dich ja nicht fragen, wie's dir geht, hast du ja am Telefon durchblicken lassen", sagte Bentheim, der irgendjemanden suchte, von dem er einen Kaffee bekommen konnte. Klebi registrierte immer noch alles ganz genau und brüllte: "Emma, Schlampe, antreten, Kundschaft!"

Aus irgendeinem geheimen Winkel der Kneipe schleppte sich eine Frau heran, deren Alter zwischen 18 und 80 alle Wetten zuließ. Das Gesicht war unter einer Matte strähniger Haare versteckt und den Rest des Körpers, der sich mühsam hinter den Tresen zwängte, steckte in einem sackartigen Gebilde, das man nicht unbedingt als Kleidung bezeichnen konnte.

Bentheim murmelte etwas von Kaffee, was die Frau hinter dem Tresen auf einen Thermoturm drücken ließ, wodurch eine blassbraune Brühe in eine ehemals weiße Tasse befördert wurde. Bentheim nickte dankend, verzichtete aber auf eine Kostprobe.

"Nu' aber mal Butter bei de Fische", Klebi zündete sich eine Zigarette an und zog durch. "Hab' das am Telefon nich' ganz verstanden, wat wollt ihr da abzieh'n?"

Bentheim hatte vorgearbeitet. Logistik war sein Ding, Eigenbrodt war nur für den Wahnsinn zuständig. Also hatte er Klebi im Kiez ermittelt. Das war nicht schwer gewesen, sein Ruf war legendär. Denn so viele Villen in Blankenese hatten noch nicht mal die ältesten Pizzalieferanten von innen gesehen.

Die Telefonnummer war schon schwieriger zu bekommen gewesen. Da hatte ihm der Portier des kleinen Hotels geholfen, in dem er abgestiegen war. Der hatte einen Freund und dessen Bruder und so weiter und so weiter ... So kam es zu einer fernmündlichen Vorabinformation und zum Treffen mit Klebi, der die notwendigen Beziehungen hatte, um das Projekt 'Hafengaudi', wie es Bentheim getauft hatte, nicht an Formalitäten scheitern zu lassen.

Er erklärte ihm das ganze Vorhaben noch einmal persönlich.

"Ihr habt doch einen an der Kerze! Ihr seid doch total durch die Leuchte. Das ist doch totaler Schwachsinn. Das bringt Ärger und nich' einen müden Cent. Geh ma' zum Arzt, du Flachwichser." Dann begann ein Vortrag über Kontrollen, Sicherheitssysteme, Wachleute und die damit verbundenen Gefahren, den Bentheim erwartet hatte.

Nach etwa fünf Minuten unterbrach er: "Klebi, komm auf den Punkt."

"Ihr braucht 'ne Plastikkarte. Mit euern Namen drauf. Am besten von 'ner großen Reederei, damit die Namen bei 'ner Kontrolle nich' in irgend 'nem Schädel stecken bleiben. Obwohl, Eigenbrodt, weiß nich', wie bescheuert is' das denn? Wer heißt'n so?"

Bentheim fand den Namen seines Freundes auch ziemlich belastend, aber wer konnte etwas für dieses Elend? Er hatte Fantasienamen in Erwägung gezogen, aber bei einer Prüfung der Betriebsausweise wäre es nicht schlecht, echte Personalpapiere vorweisen zu können.

"Ist nun mal so", erwiderte Bentheim, "müssen wir mit leben."

Er hatte auch schon hundert Visitenkarten drucken lassen. Ganz knapp, dezentes Weinrot mit nüchternem weißem Schriftbild "Bentheim und Eigenbrodt", darunter etwas größer "Discovery Agency", und in der dritten Reihe seine Handynummer. Es hatte verhaltenen Protest von Eigenbrodt gegeben, der das nicht originell fand.

"Wäre dir 'Bentbrodt' oder 'Eigenheim' lieber gewesen?" Damit war für ihn die Sache erledigt.

Klebi stürzte seinen letzten einstelligen Wodka des Morgens hinunter. "Wat is' euch der Spaß denn wert?", fragte er.

"Sag was", forderte Bentheim ihn auf.

"200 sollten drin sein."

"Klebi, Klebi, wo sind deine guten Manieren? Einem alten Kumpel die Kohle aus der Tasche ziehen. Für einen lausigen Kontakt."

"Alter Kumpel, dass ich nich' lache", schnaubte Klebi. "Das warst du noch nich' mal vor hunnert Jahren."

"Hälfte", schlug Bentheim vor.

"150! Letztes Angebot, is' 'ne Menge Risiko."

"Aber wohl nicht deins", sagte Bentheim versöhnlich. "Gut, aber schnell muss das gehen."

"Momang". Klebi stand auf und verzog sich an die andere Ecke des Tresens, tippte ein paar Mal auf seinem Handy herum und wartete. Dann nahm er einen Anruf entgegen, deckte den Hörer kurz ab und brüllte durch die Kneipe:

"Hasse Passfotos dabei?"

"Klar!", brüllte Bentheim zurück.

Nach knapp einer Minute saß Klebi wieder neben ihm und der erste zweistellige Wodka des Tages floss durch seine Kehle.

"Und?", fragte Bentheim. "Wann, wer und wo?"

"Kohle!", Klebi hielt die Hand auf.

"Hälfte jetzt, Hälfte nach Erhalt", sagte Bentheim, zählte 75 Euro ab und legte die Passfotos obendrauf.

"Heute Abend, hier is' die Adresse." Klebi schob ihm einen Zettel mit einem Namen und einer Anschrift hin.

"Mann, mitten im Superviertel, wer öffnet die Tür?"

"Paula. Und danach kommst du her und bringst den Rest der Kohle. Wenn nich', dann hol ich den Kleber und besuch dich zuhause."

 

Dass man diesen Bezirk im Osten Hamburgs nicht unbedingt als Favorit bei der Wohnungssuche auf der Liste hatte, konnte Bentheim nachvollziehen. Mehrmals taxierten ihn auf dem Weg zum Haus der geheimnisvollen Paula kräftige, junge Männer und durchleuchteten ihn mit Röntgenblicken. Dass es noch nicht vollständig dunkel war, schien hier keinen direkten Einfluss auf die Überlebenschancen eines Ortsfremden zu haben.

Er hatte sich die drei Stockwerke im Hinterhaus hochgearbeitet, wobei er ab und zu stehen bleiben musste, um den Brechreiz zu unterdrücken, den das Gemisch strenger Gerüche verursachte. An einer pink gestrichenen Tür klingelte er und was dann im Türrahmen erschien, war mit dem Wort 'ausfüllend' nur unzulänglich beschrieben. Das Geschlecht des Wesens, das im Zwielicht der Funzeln im Treppenhaus und im Hausflur erschien, war nicht zu bestimmen. Ganz sicher war, dass sich der Körper weiter nach hinten in den Flur hinein ausdehnte. Aus der Gestalt piepste es plötzlich schrill: "Ah, der Bentheim. Komm rein, Schnucki." Dann drehte sich die Masse und Bentheim überlegte kurz, ob er wieder gehen sollte.

"Mach die Tür hinter dir zu, Schnucki, wir geh'n gleich mal ins Büro."

Er hörte auf zu überlegen, schritt tapfer über die Schwelle, schloss die Wohnungstür und folgte dem Fleischberg, der in einer Art Bademantel steckte, durch einen langen Flur.

"Da hast du ja Glück gehabt", zwitscherte es von vorne, "dass ich heute so einen Stapel Plastikkarten vorbereiten musste. Irgendeine Schwachmatentruppe aus Norwegen oder so. Da hat der Klebi gesagt, für den guten, alten Bentheim könnte ich ja zwei Stück abzwacken. Immer gut, wenn man Leute wie mich hat, was Schnucki? Der Klebi ist ja auch 'n ganz Lieber, der tut mir ja auch ab und zu einen Gefallen."

Bentheim wollte nicht wissen, womit Klebi Paula gefällig war. Stattdessen konzentrierte er sich auf den Weg und darauf, nicht von Gegenständen getroffen zu werden, die sie im Vorbeigehen umwarf.

"So, Schnucki, da wären wir." Sie stieß die Tür zu einem Zimmer am Ende des Flurs auf, aus dem gedämpftes rotes Licht schien, welches von einem Halstuch erzeugt wurde, das jemand über eine Stehlampe geworfen hatte.

Paula walzte an einem überdimensionalen Bett vorbei ans Fenster, vor dem ein kleiner, mit Bergen von Papieren bedeckter Tisch stand. Sie beugte sich darüber und baggerte mit ihren Schaufelhänden durch den Wust, wodurch sie die Unordnung noch ein wenig mehr durcheinanderbrachte. Dann zog sie mit einer erstaunlichen Feinmotorik zwei laminierte Kärtchen hervor und hielt sie zwischen Daumen und Zeigefinger hoch. Bentheim hatte sich zwischen Bett und Schrank bis zu ihr herangekämpft, als sie sich umdrehte und er zum ersten Mal ihre Vorderseite sah. Das Gesicht hatte...

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