Schweitzer Fachinformationen
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Lautstark schwingen sich selbsternannte Tribunen des Volkes, esoterische »Querdenker« und autoritäre Demagogen zu Verteidigern der demokratischen Ordnung auf, deren Werte sie eigentlich ablehnen. Um Gefolgschaft zu organisieren, schüren sie Ängste vor drohendem Chaos und spinnen Verschwörungstheorien über anonyme Mächte, die das Schicksal der Nation bestimmen. Vorschläge zur Lösung komplexer gesellschaftliche Probleme sind ihre Sache nicht. Vielmehr verlegen sie sich auf eine aggressive Rhetorik des Kampfes gegen »die Politiker«, »die Linken«, »die Flüchtlinge« und immer wieder: »die Juden«.
Was sich wie eine Kurzbeschreibung von Aspekten der politischen Kultur unserer Tage liest, ist Gegenstand eines Buches, das vor mehr als siebzig Jahren geschrieben wurde. In Falsche Propheten analysiert Leo Löwenthal Themen und Techniken politischer Demagogie. Er fragt, warum die immergleichen Phrasen und Phantasmen verfangen, legt dar, weshalb dem Agitator so schwer beizukommen ist, und warnt vor Unterschätzung. Denn nicht selten ist die Agitation »Generalprobe fürs Pogrom«. Falsche Propheten ist ein Klassiker der politischen Psychologie. Inwiefern es auch ein Buch für unsere Gegenwart ist, zeigt Carolin Emcke in ihrem Nachwort zu dieser Neuausgabe.
Die erste Aufgabe, die sich bei der Untersuchung jedweder sozialen Bewegung stellt, ist es, die spezifische, gesellschaftlich bedingte Unzufriedenheit aufzudecken, an welche das politische Programm appelliert. In den meisten Fällen ist dies nicht schwierig - in der Tat verwendet der Wortführer gesellschaftlichen Wandels selbst ja beachtliche Energien auf die Formulierung dieser Ursache. Daß der Agitator bestehendes Unbehagen für seine Zwecke ausbeutet, ist auch klar: Er scheint sich stets an Leute zu wenden, die unter groben Ungerechtigkeiten leiden und deren Geduld erschöpft ist. Wer immer jedoch die Agitationstexte untersucht und aufgrund von Erfahrungen mit anderen sozialen Bewegungen die Ursache für das bestehende Mißbehagen herauszufinden sucht, ist stets enttäuscht.
Die Schwierigkeit liegt nicht darin, daß die Agitation dem Sozialforscher keine Antworten liefert, sondern in der Tatsache, daß Fragen beantwortet werden, die er nicht gestellt hat: Wann immer er nach >etwas< fragt, bezieht sich die Antwort auf ein >wer<. Er findet zahllose verleumdende und bösartige Hinweise auf Feinde, aber nirgends kann er eine deutlich definierte soziale Ursache entdecken, unter der das Publikum des Agitators offensichtlich leidet. Bestenfalls versieht das Agitationsmaterial den Untersuchenden mit widersprüchlichen Hinweisen auf derartige angebliche Ursachen. Wenn wir nicht akzeptieren, daß der Agitator lediglich ein Verrückter ist, müssen wir annehmen, daß er - obwohl eine gewisse Unzufriedenheit besteht -, im Gegensatz zu anderen Wortführern sozialen Wandels, entweder unfähig oder nicht willens ist, dieselbe deutlich zu umreißen. Daher sieht sich eine Untersuchung des Agitationsphänomens mit der Aufgabe konfrontiert, diesen Zustand der Unzufriedenheit, auf den der Agitator sich bezieht, selbst zu explizieren.
Bereits ein flüchtiger Blick auf das Agitationsmaterial macht deutlich, daß jeder Versuch einer Analyse mittels Methoden, die bei der Untersuchung der Motive eines Revolutionärs oder eines Reformers hilfreich sind, hier nur in eine Sackgasse führt. Bei dem Versuch, die vom Agitator formulierten Beschwerden in Kategorien einzuordnen, ergibt sich etwa dieses Bild:
1. Wirtschaftliche Beschwerden. Der Agitator durchstreift alle Gebiete des wirtschaftlichen Lebens. Er kann überall anfangen. Ausländische Nationen erhalten zu große finanzielle Unterstützung.
»If we have any money to offer for nothing, or to loan, or to give away, we had better give it to our own first. Of course, that is old-fashioned.«
Nicht nur nehmen die Ausländer unser Geld, sie bedrohen uns auch auf dem Arbeitsmarkt.
»People born in America have to commit suicide because they have nothing to eat while refugees get their jobs.«
Hinter solchen Ungerechtigkeiten stehen »the International Bankers who devised and control our money system, [and] are guilty of giving us unsound money«.
Derartige Zustände bedeuten eine Gefahr für die amerikanische Lebensweise, denn
»what is more likely to follow many years of Nudeal[4] communistic confiscatory taxation, wool-less, metal-less, auto-less regimentation and planned scarcities than our finally becoming stripped by necessity to Nudism?«
2. Politische Beschwerden. Internationale Verträge der amerikanischen Bundesregierung bedeuten ein Risiko für politische Freiheiten. »Wie Rußland leiden auch die Vereinigten Staaten unter der Geißel des Internationalismus.« Die amerikanische Bevölkerung wird gewarnt: »Laßt euch nicht von den Internationalisten unter uns beschwindeln.«
Natürlich ist es nur vernünftig, daß
»treaties and agreements . shall be reached with other nations, but . we want no world court and no world congress made up of a few Orientals and a few Russians and a few Europeans and a few British . to make laws for us to obey .«
Sowohl die Gefahr eines »Sowjet-Amerika . wo . ein in Österreich geborener Felix Frankfurter den Vorsitz in den endlosen >Moskau-Prozessen< führt .« als auch die Herrschaft »tyrannischer Bürokraten, die - wenn es nach ihnen ginge - in Amerika eine erbarmungslose Diktatur errichten würden«, schwebt wie ein Damoklesschwert über uns.
3. Kulturelle Beschwerden. Der Agitator ist zutiefst beunruhigt, weil die öffentlichen Informationsmedien sich in den Händen der Feinde der Nation befinden:
». the Hollywood motion picture industry is being exploited by Russian Jewish Communists determined to inject their materialistic propaganda into the fresh minds of our children .«
Hollywood ist
»largely dominated by aliens who have appropriated to their own use the inventions and discoveries of native citizens and who now specialize in speculation, indecency and foreign propaganda«.
4. Moralische Beschwerden. Die Feinde des Agitators sind berüchtigt wegen ihrer Laxheit in moralischen Fragen: Sie geben sich dem Luxus hin und sind
»a crowd of Marxists, refugees, left-wing internationalists who enjoy the cream of the country and want the rest of us to go on milkless, butterless, cheeseless days while they guzzle champagne«.
Und das Empörendste ist die Tatsache, daß »wir Nicht-Juden naiv und leichtgläubig sind. Denn während wir beteten, hatten sie ihre Hände in unseren Taschen.«
Diese Liste diffuser Beschwerden könnte beliebig ergänzt werden; sie sollte ausreichen, um zu demonstrieren, daß die Beschwerden, zu deren Sprecher sich der Agitator macht, sich nicht auf irgendwelche deutlich umrissenen materiellen oder moralischen Zustände beziehen. Die einzigen wahrnehmbaren Konstanten in dieser Reihe von Beschwerden sind Hinweise auf gewisse emotionale Komplexe, die man grob etwa so aufteilen könnte:
Mißtrauen: Der Agitator spielt mit dem Mißtrauen seiner Zuhörer, das sich auf alle Sozialphänomene bezieht, die sie in ihrem Alltag bedrängen und die sie nicht begreifen. Flüchtlinge aus dem Ausland beuten die >Leichtgläubigkeit< der Amerikaner aus, die er warnt, sich keinen Sand in die Augen streuen zu lassen von >internationalists<. Wie ein roter Faden ziehen sich durch alle Äußerungen des Agitators Wörter wie »hoax«, »corrupt«, »insincere«, »duped«, »manipulate«.
Abhängigkeit: Der Agitator scheint vorauszusetzen, daß sein Publikum aus Leuten besteht, die unter einem Gefühl der Hilflosigkeit und Passivität leiden. Er spielt geschickt mit der Ambivalenz, die diesem Komplex anhaftet, der einerseits den Protest gegen Manipulation reflektiert und andererseits den Wunsch nach Zugehörigkeit zu einer starken und einflußreichen Organisation.
Vorenthaltung: Der Agitator gibt zu verstehen, daß zwar eine Überfülle materieller und geistiger Güter vorhanden ist, die Massen jedoch um ihren rechtmäßigen Anteil gebracht werden. Die Gelder amerikanischer Steuerzahler werden zum Nutzen aller anderen, nur nicht ihrer selbst verwandt. »Wir füttern die Fremden«, beschwert sich der Agitator, »während wir unsere eigenen Millionen von Arbeitslosen vernachlässigen.«
Angst: Dieser Komplex zeigt sich in der allgemeinen Vorahnung der Katastrophe, die sich in den Ängsten der >middle-class< hauptsächlich als eine totale Veränderung ihres Lebens durch revolutionäre Aktionen darstellt. Hinzu kommt ihr Verdacht, daß die moralischen Fundamente des gesellschaftlichen Lebens unterminiert werden. Der Agitator spricht von der »dunkelsten Stunde in der Geschichte Amerikas« und beschreibt eingehend ein allumfassendes Gefühl der Angst und Unsicherheit:
»This afternoon America is caught in the throes of fear, apprehension and concern. Men are afraid . to vote, afraid not to vote . Our population has...
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