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Viele hatten ihn zu überreden versucht, er möge nicht fliegen. Doch niemandem war es gelungen, weder seinen engsten Mitarbeitern noch seinen Geliebten. Für die Parade hatten sie ihm ein Schnellboot und eine Droschke als Ersatz angeboten, beides hatte er abgelehnt. Sie hatten ihm einen erfahrenen Co-Piloten vorgeschlagen, womit sie ihn regelrecht beleidigt hatten. Er war fest entschlossen, die Maschine bei den ersten Nationalfeierlichkeiten auf Neu-Slowakien allein zu steuern.
Vor den versammelten Journalisten verkündete er während des Aufmarschs: »Unsere Körper haben wir bereits hierher befördert. Jetzt geht es darum, unsere Seelen zu verwandeln. Und das wird ein neuer Sieg, den wir erringen müssen, denn jeder weitere Fortschritt hängt davon ab.«
Er liebte das Abenteuer, die Höhe, die Geschwindigkeit, die Bewegung. Er gehörte zu den ersten Spitzenpiloten auf der Welt. Flüge über Russland nutzte er, um die Einwohner vor dem drohenden Bolschewismus zu warnen. Seine Flugerfahrungen baute er an den Fronten des Ersten Weltkriegs aus. Eine Vielzahl an Erkundungsflügen führte ihn bis weit ins gefährliche Hinterland.
Aus der Luft sah er das dichte Netz der Schützengräben, die sich von Belgien im Norden bis zu den Alpen im Süden erstreckten, entlang der russischen Grenze zu Deutschland und Österreich-Ungarn bis auf den Balkan. In Westeuropa überflog er zerbombte Geländestreifen, die mit endlosen Reihen aus Kreuzen übersät waren. Tausende von Häusern, von denen nur verkohlte, leere Gerippe übrig geblieben waren. In der Umgebung der Festung von Verdun, Ort der schlimmsten Kämpfe auf französischem Territorium, wuchs nichts mehr, und die Vögel waren verschwunden. Die Flussufer der Marne waren dicht mit Leichen übersät.
Das sumpfige Gebiet der Champagne mit den Rot-Kreuz-Zelten, überflutete Kohlebergwerke, von denen die französische Wirtschaft abhängig war, die Fabriken in Schutt und Asche oder nach Deutschland abtransportiert. Ob seine Hände von selbst zitterten oder durch die Vibrationen des Flugzeugs, wusste er nicht. Er überbrachte wichtige Berichte über feindliche Truppenbewegungen. Er war der Begründer der Militärmeteorologie und lieferte seinen Befehlshabern die ersten Wetterberichte, die auch zutrafen und für zahlreiche Einheiten eine große Hilfe waren, womit er viel Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Er wies auf aktuelle oder anstehende gefährliche Witterungsbedingungen hin, wertete Frontensysteme aus und beobachtete Gewitterwolken. Die Meteorologie betrachtete er für das Flugwesen als genauso unabdingbar, wie es die Atemluft für das Leben der Menschen war. Über österreichisch-ungarischen Schützengräben warf er Flugblätter ab und animierte die Soldaten zum Desertieren:
Slowaken! Slawen! Teure Brüder!
Die Stunde der Befreiung naht! Eure politischen Vertreter haben in Frankreich, England, Rußland und Amerika eine große Organisation geschaffen, die eifrig auch an der Befreiung unseres Volkes arbeitet.
Gerade jetzt bauen wir unsere erste eigene Armee auf. Burschen, Männer, die ihr uns lieb und teuer seid, helft auch Ihr uns! In Euren Händen liegt heute die Zukunft. Kämpft nicht für den Erzfeind! Laßt ab von Italien, das heute ebenfalls auf unserer Seite steht und für die Befreiung der Völker in Mitteleuropa kämpft.
Paris, im Juni 1916.
Für das Slowakische Auslandskomitee: Dr. Milan Stefánik
Für seine außerordentlichen Manövrierfähigkeiten in der Luft ernannten ihn die Franzosen strategisch zum ersten General slowakischer Herkunft und verliehen ihm den höchsten militärischen Rang.
Die Beförderung nahm er konsterniert zur Kenntnis, sie war ihm erstaunlich schnell zuteilgeworden, für den hohen Rang hatte er weder genügend Fähigkeiten vorgewiesen noch die entsprechende Qualifikation oder Praxis. Er begriff, dass nur der akute Mangel an slowakischen Führungskräften ihm solch einen atemberaubenden Aufstieg ermöglicht hatte.
Schon als er Offizier geworden war, hatte er sich zum Ziel gesetzt, seine Kenntnisse der Militärwissenschaften, des strategischen Planens und Führens möglichst weit zu perfektionieren. Immer ging es ihm um den Erfolg, in allem, was er im Leben anfing. Er wollte gelobt und bewundert werden. Bereits an der Universität in Prag war ihm sein früheres stilles, provinzielles Leben als etwas weit Zurückliegendes erschienen. Er studierte so lange, bis er belobigt und den anderen als Vorbild hingestellt wurde.
Sobald er eine Sache erreicht hatte, stürzte er sich sofort in eine neue. Und machte so lange weiter, bis er auch darin erstklassig war.
Alles in der Metropole kam ihm bunt und neu vor und alles wurde durch seine Gegenwart so hell erleuchtet. Früher hatte er nichts, und jetzt entdeckte er die mannigfaltigsten Reichtümer. Er erlebte die Höhepunkte seiner Welteroberung.
Schädlich waren für ihn lediglich seine Frauengeschichten und die Schulden, die er überall machte, um sich seinen kostspieligen Lebensstil leisten zu können. Er wohnte prinzipiell in Luxushotels und kaufte teure Kleidung, die er gern mit seinen Auszeichnungen schmückte.
Seit jeher hatte er ein Faible für Nervenkitzel, Gefahr und Selbstaufopferung. Er quoll regelrecht über vor Energie. Er brauchte Bewegung, kein ruhiges Dahindümpeln. Keine Position, die er erlangte, konnte ihn voll zufriedenstellen. Hals über Kopf stürzte er sich auch in Aufgaben, um die andere einen Bogen machten.
Mehrere Male kehrte er von riskanten Missionen mit Schäden an seiner Maschine zurück. In einem Archiv fand ich eine handschriftliche Notiz von ihm: »Ich fliege über feindliche Positionen. Bei jedem Flug schießen sie auf mich. Bis jetzt bin ich nicht verwundet. Meine Pflicht erfülle ich eifrig, um dem slowakischen Volk alle Ehre zu machen und meine aufrichtige Liebe gegenüber Frankreich und Polynesien zum Ausdruck zu bringen.«
Die Piloten fingen zu jener Zeit gerade erst an, größere Entfernungen in der Luft zurückzulegen. Die Strecken wurden immer länger, oft zum Preis von Verletzten und Todesopfern. Es kam zu internationalen Wettbewerben darum, wer es weiter schaffte. Für die Überwindung von Rekordentfernungen wurden attraktive Preise ausgeschrieben. Jeder Flug bedeutete ein Risiko und eine körperliche Belastung, bei schlechtem Wetter besonders, denn die ungeschützte Besatzung war im Cockpit stundenlang den Witterungsbedingungen ausgeliefert.
Die zum Schwimmerflugzeug umgerüstete Caproni 450 mit der Registriernummer 11 495 bestand aus einer mit hellbraunem Leinen überzogenen Holzkonstruktion. Der dreimotorige schwere Doppeldecker-Bomber gehörte zu den modernsten Maschinen der alliierten Luftstreitkräfte. Die Baureihe litt allerdings unter gravierenden Mängeln, die auf die Entstehungszeit und auf Beschränkungen in technischer Hinsicht zurückzuführen waren.
Stolz hatte er sich die Maschine direkt vom Entwickler Giovanni Caproni aus Italien einmal über die halbe Erdkugel liefern lassen. Zwei der Motoren mit einer Leistung von je hundertfünfzig Pferdestärken hatten die Konstrukteure in seitlichen Gondeln auf den unteren Tragflächen platziert, der dritte trieb den Schubpropeller an.
Der Pilot saß hinter dem Navigator, und im rückwärtigen Teil, noch hinter den vollen Treibstofftanks, wurde die Besatzung durch einen Mechaniker komplettiert. Für Kampfhandlungen bestand die Ausrüstung aus zwei Fiat-Revelli-Maschinengewehren und Zweihundert-Kilo-Bomben, die unter der mittleren Gondel eingehängt wurden.
Warum war er so wild entschlossen, wieder zu fliegen? Vielleicht wollte er sich das Ergebnis seiner jahrelangen Bemühungen detailliert von oben anschauen. Vermutlich lag ihm daran, auf der ersten Feierlichkeit im Exil zu sehen, wohin er seine Landsleute geführt hatte, vom Himmel aus zu verfolgen, wie die Kolonisierung voranschritt, wie sich die Kokosplantagen ausdehnten, wie schnell neue Strohhütten hinzukamen, hier und da mit den für Cicmany typischen weißen Verzierungen oder mit Mustern aus Detva.
Oder er wollte das Observatorium sehen. In den Himmel eintauchen und die langen Dschungelstreifen betrachten, die einander ähnelten und unter ihm als Reihen aus uralten, von Rankenpflanzen aneinander gefesselten Bäumen vorbeiglitten.
Stefánik, ein kleiner, kränklicher Mann, aus dessen zerfurchtem Gesicht dennoch klare Augen strahlten, litt an Bauchschmerzen und Krämpfen und hinkte. Seine alltäglichen gesundheitlichen Strapazen hielt er kraft seines Willens in Schach und verbarg sie mit größter Anstrengung vor der Öffentlichkeit. Sich auszuruhen und zu...
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