Schweitzer Fachinformationen
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Zeit seines Lebens hatte Hermanus Johannes Ecksteen danach gestrebt, ein erfolgreicher Mensch zu sein, aber bisher war er es nur im negativen Sinn gewesen: Die Eltern kümmerten sich kaum um das rothaarige Kind mit den abstehenden Ohren und den Biberzähnen, denn sie besaßen eine kleine Farm in der Karru und hatten sieben hungrige Mäuler zu stopfen. Als Ecksteen acht war, kam er ein Jahr zu spät in die Schule, weil es mit seinem Wortschatz nicht weit her war, und mit zwölf konnte er immer noch keine Zahlen richtig herum schreiben, außer der Sechs, die so oft in seinem Zeugnis gestanden, dass er sie sich schließlich eingeprägt hatte.
Der kleine Hermanus war nicht dumm; sein Interesse galt vielmehr einem Fach, das in der Schule nicht gelehrt wurde: der Archäologie! Und so stieg er im Traum lieber zu einem Pharao in die düstere Grabkammer als zu einem Mädchen ins Gebüsch, und am Tage kritzelte er anstelle von Zahlen geheimnisvolle Zeichen an die Tafel, die kein Lehrer zu deuten wusste. Und das war sein Pech.
Der Erste Weltkrieg setzte seiner Karriere als Berufsschüler ein Ende. Bis an die Zähne bewaffnet, marschierte der inzwischen zum jungen Mann gereifte Hermanus los, obwohl er nichts gegen die Briten hatte. Es dauerte nicht lange, und Ecksteen wurde in eine Schreibstube versetzt, weil er auf seinem Wachposten eingeschlafen war. Da er sich jedoch mit den Zahlen nicht anfreunden konnte, reduzierte er am Schreibtisch kurzerhand die Schutztruppe auf sechs Mann, die angeblich über sechsundsechzig Karabiner und sechshundertsechsundsechzig Patronen verfügten und denen laut Ecksteens Rechnung am Monatsende ein fürstlicher Lohn von sechstausendsechshundertsechsundsechzig Mark pro Mann zustand. Das fiel dem Schatzmeister auf, und für Ecksteen war der Krieg vorzeitig aus.
Kaum entlassen, legte ihm sein Vater Fesseln an: Die elterliche Farm rief! Doch was Ecksteen am Morgen mit seinen ungeschickten Händen aufbaute, das stieß er am Abend mit dem Hintern wieder um, und als der Zweite Weltkrieg ausbrach, bat ihn der Vater, die Farm im Nordkapland zu verschonen und seine Zerstörungswut stattdessen an der Front auszulassen.
Ecksteen wusste nicht recht, gegen wen er diesmal ins Veld ziehen sollte. Er hatte nämlich im wahrsten Sinn des Wortes den Überblick verloren, denn er war unterdessen so kurzsichtig geworden, dass er auf zehn Schritte seinen besten Freund nicht vom ärgsten Feind hätte unterscheiden können. Ministerpräsident Jan Christiaan Smuts erleichterte ihm die Wahl, indem er Ecksteen eine Brille verpasste und ihn ins Internierungslager steckte.
Etwa zur selben Zeit wurde im kriegszerrütteten Deutschland, genauer in Hamburg, ein Mädchen geboren. Die Mutter, Frau des Kleiderfabrikanten Landtberg, taufte es Syria und war außer sich vor Glück, durfte sie doch hoffen, dass ihre Tochter nie eine Uniform würde tragen müssen. Da Syria zu diesem Zeitpunkt weder sprechen noch laufen konnte, wollen wir das Mädchen aufwachsen lassen und so lange zu unserer eigentlichen Geschichte zurückkehren:
Nach dem Zweiten Weltkrieg erbte Ecksteen die Farm in der Karru und war gerade dabei, sie systematisch herunterzuwirtschaften, als ihm jemand sagte, dass Geld in einer Kasse dürrebeständiger sei als ein Schaf auf der Weide. Er verkaufte die Farm und erwarb in Gochas den Gemischtwarenladen. Doch ihm ging es trotz der Kasse nicht gut, weil er anfangs stets zu viel zahlte und zu wenig für sein Geld bekam, bis er Ma heiratete, die zwar nicht zu ihm passte, aber dafür mit Zahlen umzugehen wusste.
Wie wir feststellen, war Ecksteen weder ein Farmer noch ein Soldat und ebenso wenig ein Geschäftsmann wie der Kleiderfabrikant Landtberg etwa, der unterdessen eine Fabrikkette aufgebaut und seiner Tochter Syria eine Manufaktur in Holland anvertraut hatte.
Wer weiß, vielleicht wäre aus Ecksteen unter anderen Umständen ein respektabler Archäologe geworden, doch jemand, der eine horizontale Acht malt, wird in seinem Leben keine Pyramide von innen sehen. Und so zwang ihn das Schicksal, Rollen zu spielen, die ihm nicht lagen, und um seine Schwächen zu vertuschen, setzte er alles daran, seinen Mitmenschen zu gefallen, indem er sich jeden Samstagmorgen die Ausreden der Farmer anhörte, absichtlich ungezahlte Rechnungen übersah, für astronomische Summen bürgte und so den Laden mehrmals an den Rand des Ruins brachte.
Einmal, das musste man ihm lassen, vollbrachte er ein kleines Wunder: Er zeugte einen Stammhalter! Johan war zwar ein schwaches, winziges Lebewesen, aber immerhin ein Kind, das in die Windeln schiss wie alle anderen Säuglinge auch. Wann immer Ecksteen ins Bad stieg, blickte er stolz an sich herunter und konnte es kaum fassen, dass dieses kleine Ding dort unten so etwas Großes vollbracht hatte.
Nur in seinem Arbeitszimmer, hinter verschlossener Tür und inmitten der vielen Bücher, da war er wirklich in seinem Element. Niemand ahnte etwas von dem ungeheuren Wissen, das er sich selbst angeeignet hatte, und als Benjamin ihm an diesem Nachmittag im Lager das Geheimnis anvertraute, rieselte ihm eine Gänsehaut den Rücken herunter, und das Haar sträubte sich ihm im Nacken vor Glück.
Vorn im Laden hörten ihn Ma und Johan erregt mit dem stinkenden Hottentotten flüstern, Geldscheine wechselten den Besitzer, dann schloss sich Ecksteen in seinem Arbeitszimmer ein, war für niemanden zu sprechen. Erst Stunden später kam er mit einem fieberglänzenden Ausdruck in den Augen hinter dem Stapel wissenschaftlicher Literatur zum Vorschein und verkündete im Esszimmer, wo sich Ma und Johan zum Abendbrot niedergelassen hatten, dass er ihnen etwas mitzuteilen habe.
»Ach?«, sagte Ma und schob sich einen Happen Süßkartoffel in den Mund. Dabei zwinkerte sie Johan belustigt zu, denn sie kannte Ecksteens hochfliegenden Träume und hatte sie bisher geduldet, weil es sich eben nur um Träume gehandelt hatte, die er, sei es aus Zeitmangel oder aus Feigheit, sowieso nicht verwirklichen konnte. Der folgende Satz, den er ihr mit entschlossener Stimme anvertraute, traf sie deshalb völlig unvorbereitet: »Ich werde den Laden verkaufen und dafür Land bei Unions End erwerben!«
Der Bissen blieb Ma in der Kehle stecken. Sie wurde blass und würgte etwas Unverständliches hervor, das aber eindeutig nach einer Frage klang. Und darauf schien Ecksteen nur gewartet zu haben. Er wuchs im Esszimmer zu einer zwei Meter großen Abenteurerfigur heran, die er nicht war, denn er sah eher wie ein Missionar aus mit seinem behäbigen Leib und der fleischigen Nase im runden Gesicht, das bis an die Wangenknochen hoch von einem roten Bart überwuchert wurde. Jetzt klaffte das Gestrüpp auseinander, und Ecksteen sprach kurz und abgehackt, wie es seine Art war: »In der Nähe des Länderdreiecks, dort, wo Südwestafrika, das Betschuanaland und die Union Südafrika zusammentreffen, soll es einen Berg geben!«
Seine Worte schwebten unangefochten im Raum, bis Ma ihre Kehle mit einem Schluck Tee frei gespült hatte: »Aber das ist doch kein Grund, den Laden aufzugeben!«, rief sie, denn für Ma war der Laden das Symbol eines bequemen Lebens, und sie hatte all die Jahre erbarmungslos die Gefahren der Armut abgewehrt, die dem Symbol hin und wieder gefährlich nahe gekommen waren.
Ecksteen schrumpfte in sich zusammen, sodass Ma schon einen hoffnungsvollen Augenblick glaubte, er hätte es sich anders überlegt, da neigte er sich plötzlich vor und verteilte die hervorbrechende Wortflut mit ruckartigen Handbewegungen über den Tisch: »Ich habe immer angenommen, dass es in der Umgebung vom Unions End keine Berge gäbe, sondern nur Dünen, unter denen sich vielleicht Kalkrücken verbergen oder nichts weiter als Sandschichten. Benjamin hat also einen Berg gefunden, wo theoretisch kein Berg stehen dürfte, verstehst du?«
Er erwartete nicht, dass Ma vor Staunen den Mund aufriss - obwohl er sein Leben dafür gegeben hätte, denn sie war eine nüchtern denkende Frau, die keine Fantasie besaß, weder in der Liebe noch in sonstigen Dingen -, nein, ein wenig Interesse hätte ihn schon zufriedengestellt, doch als ihm nur ihr verständnisloser Blick begegnete, den er so an ihr hasste, ließ er die Arme sinken und wandte sich an seinen Sohn, der ihn aus großen Augen anhimmelte und alles wiedergutmachte.
»Es ist keine gewöhnliche Höhle, Johan, mehr eine trichterförmige Blase aus Lavagestein, die mit artesischem Wasser gefüllt ist.« Er nahm seine Hände zu Hilfe, um die Umrisse der seltsamen Entdeckung in die Luft zu hacken, dann beugte er sich wieder über den Tisch. »Weißt du, was das heißt, Junge?«
Ehe Johan den Kopf schütteln konnte oder Ma, die ebenfalls nicht wusste, worauf er hinauswollte, richtete sich Ecksteen auf und sagte etwas von Magma, das Wissenschaftlern zufolge im Erdinneren kocht und brodelt.
»Und weils da unten keinen Schornstein gibt, baut sich ein gewaltiger Druck auf«, fuhr er fort und ballte die Fäuste so fest, dass sie zitterten, und diesmal konnte selbst Ma etwas nachempfinden. »Dabei wird vom Feuer gereinigter Kohlenstoff zusammengepresst und durch eine schwache Stelle in der Erdkruste nach oben gequetscht .«
Ma zischelte etwas.
»Was hast du dem Jungen gesagt, Ma? . Woher weißt denn du, dass Diamanten und Kohlenstoff was miteinander zu tun haben?«
»Ich habe in der Schule aufgepasst.«
Als Ecksteen die Arme wieder hob, um Johan den Rest zu erklären, wirkten seine Gesten verunsichert,...
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