Schweitzer Fachinformationen
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Für den Wassermann ist Freiheit nicht nur ein Wort, sondern ein Lebensgefühl.
Goldene Blätter tanzten auf den Bürgersteigen Londons im Rhythmus des frischen Windes. Die Stadt präsentierte sich bei meinem ersten Besuch von ihrer besten Seite. Die Bäume glühten in satten Orange- und tiefen Rottönen, und die Menschen hatten mit Mänteln und dicken Schals ihre Kleidung an die Temperaturen angepasst. Während ich wartete, dass ich mich in meiner hoffentlich neuen WG als Mitbewohnerin vorstellen konnte, saß ich auf einer Parkbank in der Nähe des Russell Squares und blätterte in Mrs Dalloway von Virginia Woolf. Keine Ahnung, wie oft ich die zerfledderte Ausgabe, die mich zu meinem Besuch in London inspiriert hatte, gelesen hatte. Irgendetwas zwischen drei- und zehnmal garantiert. Eine Geschichte über die großen und kleinen Entscheidungen des Alltags. Irgendwann war ich in einem alten Krämerladen in Bath auf das Buch gestoßen, einem Ort, zu dem mich die gute Jane Austen geführt hatte, und es hatte sich wie mein Schicksal angefühlt. Die Zeilen schienen mir regelrecht zuzurufen: London wird dein nächster Halt sein.
Zufrieden schlug ich das Buch zu, strich lächelnd über den rauen Buchumschlag und schaute mich um. Die Welt um mich herum funktionierte nach ihrem ganz eigenen Tempo, während ich einfach nur ich war. Gemma York. Überlebenskünstlerin mit einem deutlichen Hang zum Abhauen, wenn es ernst wurde. Die es liebte, kreativ zu sein, die Literatur vergötterte und an das Schicksal und die Kraft von Sternen und Tarotkarten glaubte.
Mittlerweile konnte ich Menschen nicht mehr verstehen, die nicht jeden Tag mit einem Lächeln begannen. Was für eine Zeitverschwendung in der kurzen Phase, die wir auf dieser Welt verbrachten. Denn die Erkenntnis, wie kostbar und flüchtig unsere Zeit war, hatte sich mir nach vielen harten Lektionen offenbart. Genauso wie es eine Verschwendung war, nicht so viel wie möglich kennenlernen zu wollen. Orte, Menschen, Schicksale, Regentage, Sternennächte. Ich liebte jeden Moment, der mich lehrte, das Leben in seiner gesamten Bandbreite zu genießen, und streckte mein Gesicht mit geschlossenen Augen der warmen Herbstsonne entgegen, während das Pochen der Stadt einem Herzschlag glich, der niemals stillstand.
Das Gackern einiger Gänse, die auf der nahe gelegenen Wiese etwas Essbares aus dem Boden pickten, ließ mich die Augen wieder öffnen. Der Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich mich langsam in Richtung Clerkenwell aufmachen musste, wenn ich pünktlich zu dem vereinbarten Treffen mit meinen hoffentlich zukünftigen Mitbewohnern sein wollte.
Also zog ich einen Kugelschreiber aus meiner Tasche und schlug den Roman auf.
In diesem Buch findest du nicht nur die wundervollen Worte von Virginia Woolf, sondern gleichzeitig Hoffnung und Mut. Möge diese Geschichte dich so inspirieren, wie sie mich inspiriert hat, und dir zeigen, dass jeder Moment, jedes Gefühl und jede Begegnung wertvoll ist.
Danach legte ich das Buch auf die Sitzfläche der Parkbank, schulterte meine Tasche und stand auf. Ich wappnete mich für die neuen Erlebnisse, die vor mir lagen. Ich umfasste den Griff meines Koffers, in den ich vor vier Jahren alle Dinge gepackt hatte, die mir wichtig waren, ehe ich mich aufgemacht hatte, das Land zu erkunden, und lief los. In einer Hand hielt ich mein Smartphone, auf dem ich den Weg zu der WG eingegeben hatte, die nur zehn Minuten Fußweg von meinem jetzigen Standort entfernt lag. Ich hielt an einer Ampel, als diese für die Fußgänger auf Rot schaltete, und prägte mir den Weg anhand der angezeigten Karte auf dem Display ein. Zumindest versuchte ich es, denn auch wenn ich allerhand Erfahrungen gesammelt hatte - mich in einer fremden Stadt zu orientieren war mir noch nie leichtgefallen. Die Ampel gab ein Signal von sich, und ich lief los, den Blick immer noch auf das Display gerichtet. Aus dem Augenwinkel versuchte ich, mich durch den Strom an Menschen zu manövrieren, die mir entgegenkamen.
Doch plötzlich passierte es. Ich spürte einen unsanften Ruck, mein Handy entglitt meinen Fingern und segelte mit einem grauenvollen Krachen auf den Boden, genauso wie ein Buch, das garantiert nicht von mir war. Hände hatten meine Schultern umfasst. Hielten mich. Langsam schaute ich nach oben, mein Blick wanderte an einem weißen Hemd entlang, das eine breite Brust bedeckte. Am Kragen waren zwei Knöpfe geöffnet und entblößten einen kräftigen Hals, dem ein kantiger Kiefer mit dunklem Dreitagebart und wasserblaue Augen folgten. Die mich durch eine schwarz umrandete Brille so intensiv musterten, dass mein Herz sofort zu rasen begann. Grundgütiger, der Mann sah aus wie ein italienisches Männermodel. Schade, dass ich keine Magazine las oder mehr Fernsehen schaute. Stand hier vor mir vielleicht sogar eine Berühmtheit? Der Mann räusperte sich und ließ meine Schultern los, als hätte er sich verbrannt. »Entschuldigung, ich habe nicht aufgepasst«, sagte er mit tiefer, rauer Stimme, die sofort ein Kribbeln in mir auslöste. Er bückte sich, um alles aufzusammeln und mir mein Handy zu reichen.
»Danke«, erwiderte ich und nahm es entgegen. Natürlich hatte das Display einen fiesen Sprung, großartig. Meine erste Handlung in dieser Stadt würde es wohl sein, mir ein neues zu besorgen. »Es war mein Fehler, ich bin neu hier und hatte keine Ahnung, wohin ich wollte.« Ich hob das Smartphone in die Höhe, um ihm zu zeigen, dass ich mir den Weg hatte anzeigen lassen. Aber wahrscheinlich konnte er sich anhand meines Koffers ohnehin denken, dass ich nicht hier wohnte. Noch nicht.
Mein Blick fiel auf das Buch, das der Mann in seiner kräftigen Hand hielt. Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins von Milan Kundera. Ein anspruchsvolles Werk, das ich selbst einmal gelesen und auf einer der Bänke in der Kathedrale von York gelassen hatte. »Wie finden Sie das Buch?«, fragte ich. Doch plötzlich ließ mich ein Hupen zusammenzucken. Der Mann entzog sich meinem Blick und wirkte selbst ein wenig verwirrt, als er sich umsah. Wir standen immer noch mitten auf der Straße, und die Ampel war bereits wieder auf Rot gesprungen.
»Es . tut mir leid wegen des Anrempelns«, sagte er höflich und schob sich mit dem Zeigefinger die Brille ein Stück auf die Nase. Seine etwas steife Haltung machte ihn eigentlich ziemlich süß, während sein Aussehen, diese verdammte Brille, für die ich definitiv gerade eine Schwäche entwickelte, und seine vollen Lippen mehr Sex-Appeal ausstrahlten, als ich je bei einem Mann gesehen hatte. Außer vielleicht bei Henry Cavill, aber der fiel auch durch jedes Raster. Wenn ich mein Gegenüber so betrachtete, hatte er sogar eine leichte Ähnlichkeit mit ihm.
»Mir tut es leid«, erwiderte ich zögernd, um den Moment des Abschieds noch ein wenig in die Länge zu ziehen. Anscheinend ging es ihm genauso, oder wollte er nur nett sein und mich nicht einfach stehenlassen? Erneut ein Hupen. Verdammt aber auch. Ich schnappte mir den Griff meines Koffers und lächelte dem Mann noch einmal zu. »Auf Wiedersehen«, sagte ich mit einem kleinen Lächeln, bei dem sein ernster Gesichtsausdruck einen Moment sanfter zu werden schien.
Er nickte und ging an mir vorbei. Ich atmete einmal tief durch und eilte auf die andere Seite. Als ich mich dort noch mal umdrehte, lief der Mann mit großen Schritten in Richtung des Parks, in dem ich eben gesessen hatte, und verschwand hinter der hohen Mauer, die die Grünfläche von der belebten Stadt abtrennte. Mein Aufenthalt hier hielt definitiv jetzt bereits einige Überraschungen bereit, und ich freute mich auf die kommende Zeit.
Nach einem kleinen Fußmarsch erreichte ich das Wohnhaus der WG. Letzte Woche hatte ich mich dazu durchgerungen, meine Zeit an der Küste von Dover zu beenden, getrieben von der drängenden Unruhe, die mich immer packte, wenn ich zu lange an einem Ort blieb. Ein Muster, das ich nicht schaffte, zu durchbrechen. Ein Gefühl, als würde ich etwas Wichtiges verpassen, wenn ich mich nicht ständig weiterbewegte.
Ich hatte dem Drängen nachgegeben und Kontakt mit einer Aria Patel aufgenommen, die mit ihrem Mitbewohner Liam einen neuen WG-Partner suchte. Unser anschließendes Telefonat war sehr nett gewesen, und ich war mir sicher, dass auch unser kommendes Treffen so werden würde.
Das Haus war ein charmantes viktorianisches Stadthaus aus rotem Backstein. Es wirkte eher schmal als breit, bot aber auf den ersten Blick mit insgesamt drei Stockwerken genug Platz für drei Menschen. Kleine Balkone waren mit schmiedeeisernen Geländern umringt, und im Vorgarten blühten gepflegte Rosen sowie Lavendelsträucher.
Ich war voller Vorfreude, als ich auf die massive Eichenholztür zuging und mit dem messingfarbenen Türklopfer in der Form eines Löwenkopfes anklopfte. Ich hätte auch klingeln können, aber ich fand, das hatte eindeutig mehr Stil. Hinter der Haustür hörte ich schnelle Schritte, die näher kamen, dann wurde die Tür aufgerissen.
»Aria?«, fragte ich die Frau, die vor mir stand. Sie hatte langes, seidenes schwarzes Haar und wunderschöne braune, mandelförmige Augen und war mindestens einen Kopf kleiner als ich, dabei war ich höchstens mittelgroß. Ihr breites Lächeln ließ ihr gesamtes hübsches Gesicht erstrahlen.
»Gemma? Wie schön, dass du hier bist!«, erwiderte sie und strich sich die Hände, an denen ich Mehl erkennen konnte, an ihrer türkisfarbenen Schürze ab. »Komm rein! Sorry für meine Aufmachung, an meinem freien Tag probiere ich immer ein paar neue Rezepte aus.«
Ich betrat das Haus...
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