Schweitzer Fachinformationen
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Prolog
Das große Feuer in der Mitte des Platzes warf zuckende Schatten in die Gesichter der Männer. Sie standen im Kreis und warteten darauf, dass Harald Hårfagre das Wort ergriff. Es waren die Stammesführer, die Harald aufgerufen hatte, um an seiner Seite gegen die Könige von Rogaland, Hordaland und Møre zu kämpfen. Diese wollte er sich unterwerfen und künftig ihre Länder beherrschen.
Es war Nacht, die Finsternis ringsum war mit Blicken kaum zu durchdringen. Der Himmel war bedeckt, und der Mond zeigte sich nur als verschwommener gelber Fleck hinter den Wolken. Lediglich dort, wo die verschiedenen Stämme lagerten, flackerten Feuer und waren verworrene Geräusche zu vernehmen. Die Stimmung war gedrückt, denn keiner der Krieger, die dort saßen, wusste, ob er den morgigen Abend noch erleben würde.
Es war die Nacht vor der großen Schlacht. Die Seher hatten einen grandiosen Sieg prophezeit. Um die Götter gnädig zu stimmen, hatte man ihnen tagsüber Menschen und Tiere geopfert, und die Krieger hofften, dass für sie die Tore von Walhall offen standen, sollten sie im Kampf fallen.
Schließlich kam Harald. Einige bärtige Männer, hochgewachsen und mit Schwertern oder Streitäxten bewaffnet, begleiteten ihn. In ihren Augen spiegelte sich der Feuerschein, und im Wechselspiel von Licht und Schatten sahen ihre Gesichter düster und maskenhaft aus.
Das leise Murmeln und Flüstern versiegte. Die Blicke aller waren auf den großen Mann mit den langen blonden Haaren gerichtet. Er blieb vor dem Stuhl stehen, der für ihn vorgesehen war, und blickte in die Runde. Er war nicht älter als zwanzig Jahre und bekleidet mit langen, gerade geschnittenen Beinlingen aus braunem Leinen, einem Rock aus rotem Stoff und einem Wolfsfell, das auf der rechten Schulter mit einer Fibel geschlossen war.
Im Kreis der Männer herrschte nun vollkommene Stille. Es waren fast zwei Dutzend, und es handelte sich nicht nur um die Stammesführer, die dem Ruf Haralds gefolgt waren, sondern auch um deren Vertraute und Stellvertreter. Sie ernteten von Harald forschende, abschätzende Blicke, erst dann setzte sich der König auf den schweren Stuhl mit den Armlehnen und der hohen Rückenlehne, welche die sitzende Gestalt überragte. Überhaupt erinnerte der Stuhl sehr an einen Thron, wenn er auch absolut schmucklos gestaltet war.
»Ihr kennt den Grund unseres Hierseins, ihr tapferen Krieger aus allen Teilen meines Reichs«, begann Harald mit lauter Stimme zu sprechen. »Jeder von euch ist über meine Pläne informiert. Ich werde dem Vorwurf entgegentreten, es würde sich kein Mann finden, der den Willen und die Kraft aufbringt, Norwegen zu einen und es zu einem starken Reich zu machen. Ihr wisst, dass ich geschworen habe, mein Haar so lange nicht zu scheren und nicht zu kämmen, bis mich ganz Norwegen als Herrscher anerkennt.«
Zustimmendes Gemurmel und Geraune erhob sich, das aber sofort wieder verstummte, als Harald die rechte Hand hob und so Ruhe gebot. »Die Könige von Rogaland, Hordaland und Møre haben sich geweigert, meine Oberhoheit anzuerkennen«, fuhr er fort, »doch ich werde sie mir unterwerfen. Die Runen haben mir einen großen Sieg in Aussicht gestellt. Den kann ich aber nur mit eurer Hilfe erringen. Diejenigen von euch, die in der Schlacht getötet werden, dürfen morgen Abend schon bei Odin in dessen Schloss in Asgard tafeln und feiern, die anderen werde ich fürstlich entlohnen. - Bekan Snorrason, tritt vor!«
Einer der Männer löste sich aus dem Kreis, machte einen Schritt und sank aufs rechte Knie nieder. »Ihr ruft meinen Namen, Herr.«
»Du warst der Erste aller Stammesführer, der mir die Treue schwor. Wenn wir morgen siegen, werde ich dir Rogaland als Lehen übertragen. Du wirst als mein Statthalter die Geschicke Rogalands und seiner Bewohner leiten, mit allen Rechten und Pflichten, die auch mir obliegen, und mir alljährlich den Tribut leisten, den ich noch bestimmen werde.«
»Danke, vielen Dank, mein König«, sagte Snorrason. »Ich weiß dies sehr wohl zu schätzen, und ich werde Euch niemals enttäuschen.« Er drückte die rechte Faust gegen die Brust und deutete eine Verbeugung an.
»Ich weiß«, sagte Harald und bedeutete Snorrason mit einer Handbewegung, sich zu erheben. »Du wirst als mein Statthalter den Titel eines Jarls tragen. In dieser Eigenschaft wirst du mir noch ein weiteres Mal den Treueid leisten. Das gilt auch für die anderen, die von mir Lehen erhalten. - Meldun Eliwagar, trete nun du nach vorn!«
Snorrason verneigte sich und ging in den Kreis der Stammesführer zurück, aus dem der Gerufene vortrat. »Mein Gebieter .« Während er die beiden Worte aussprach, sank er aufs Knie, legte die rechte Hand flach vor den Leib und senkte demütig den Kopf.
»Dir, Meldun Eliwagar, werde ich Hordaland als Lehen geben, und du wirst ebenfalls den Titel eines Jarls tragen. Ich denke, du weißt dies zu schätzen.«
»Gewiss, mein König. Ich bin mir der Ehre voll und ganz bewusst und werde Euch Gefolgschaft leisten, solange ich lebe. Habt Dank, mein König. Ich will heute noch Odin anrufen, damit er Euch zu einem ruhmreichen Sieg über unsere Feinde verhilft und letztendlich zur Herrschaft über ein geeintes Norwegen.«
»Ich bin mir deiner Treue sicher, Meldun Eliwagar«, antwortete Harald. »Und ebenso wie ich auf dich vertraue, kannst du dein Vertrauen in mich setzen. Unser Bund soll unerschütterlich sein.«
»Das ist mein Wunsch, Herr«, erklärte Eliwagar, ein Mann um die vierzig mit einem finsteren Gesichtsausdruck und einem harten Zug um den Mund, der Unduldsamkeit und Entschlossenheit verriet. In seinem Gürtel steckte eine Streitaxt, deren scharf geschliffenes Blatt den Feuerschein zurückwarf.
»Wir werden uns nach der Schlacht in Avaldsnes zum Thing treffen!«, rief Harald. »Noch ist Avaldsnes nur eine unbedeutende Ansiedlung, doch ich habe vor, sie zu meinem Königshof zu erheben. Wir wollen bei diesem Treffen das weitere Vorgehen beraten, und dort werden mir die neu ernannten Jarls und ihre Stämme die Treue schwören. - Knut Alfrothul!«
Der Gerufene trat vor und kniete nieder. »Mein König.«
»Du, Knut Alfrothul, erhältst von mir Møre zur Verwaltung. Bist du damit einverstanden?«
»Natürlich, mein König. Ihr könnt Euch meiner Treue stets gewiss sein.«
»Das weiß ich. Daher habe ich mich für dich entschieden.« Er sah in die Runde, und seine nächsten Worte galten der ganzen Versammlung. »Wir werden auch die Gebiete Hardanger, Stavanger, Telemark und Sørland erobern müssen, aber mit Eurer Loyalität ist es nur eine Frage der Zeit, bis ich Norwegen unter meiner Oberhoheit geeint habe. Odin selbst hat mich berufen, Herrscher dieses Landes zu sein.« Und dann rief er laut: »Odin sei mit mir! Odin gebe mir Stärke!«
»Odin sei mit Euch!«, erklang es wie im Chor. »Odin gebe Euch Stärke!«
Als die Worte verweht waren, trat ein rothaariger, riesenhafter Mann aus dem Kreis, warf sich in die Brust und rief: »Mein König, war ich Euch nicht auch immer treu ergeben? Habe ich mich nicht ohne Zögern bereit erklärt, an Eurer Seite gegen die Könige von Hordaland, Rogaland und Møre zu kämpfen, um Eure Position im Land zu festigen und .«
Harald unterbrach den Sprecher mit klirrender Stimme: »Ich habe es befürchtet, Gunnarr Grimmsson! Ja, ich war mir sicher, dass du meine Entscheidungen infrage stellen würdest! Auf welches der Gebiete erhebst du Anspruch? Sprich! Und liefere mir auch eine Begründung für dein Begehren!«
»Ich erhebe keinerlei Ansprüche, Gebieter«, versetzte Grimmsson. »Aber ich frage mich, aus welchem Grund Ihr die Männer, die Ihr eben mit großen Gebieten bedacht und umfassenden Vollmachten ausgestattet habt, meiner Person vorzieht. Bin ich in Euren Augen weniger wert als sie? Ist Euer Vertrauen zu ihnen größer als zu mir?«
»Auch du wirst nicht leer ausgehen, Gunnarr Grimmsson. Du bist nicht weniger wert als sie, und mein Vertrauen dir gegenüber ist nicht geringer als das zu ihnen. Aber ich habe im Moment nicht mehr an Ländereien zu vergeben, und meine Wahl ist auf Bekan Snorrason, Meldun Eliwagar und Knut Alfrothul gefallen.«
»Vergebt mir meine Offenheit, mein König«, stieß Grimmsson hervor, »aber es enttäuscht mich. Und es verletzt mich.«
»Ich habe mir Gedanken gemacht, ehe ich meine Entscheidung traf«, erklärte Harald mit einer Stimme, die Verärgerung verriet. »Und so, wie ich es beschlossen habe, sei es. Wir werden weitere Schlachten schlagen und noch viele Gebiete erobern, Gunnarr Grimmsson. Dann werde ich dir das Land übertragen, das du für mich verwalten sollst, und dich zu meinem Statthalter in diesem Gebiet ernennen.«
»Dieses Versprechen empfinde ich als ausgesprochen vage, mein König.« Grimmsson trat einen weiteren Schritt vor. »Was ist, wenn es Euch nicht gelingt, die Könige von Hardanger, Stavanger, Telemark und Sørland zu besiegen?«
»Dann gehst du leer aus, Gunnarr Grimmsson. Wenn wir morgen geschlagen werden, erhalten auch Snorrason, Eliwagar und Alfrothul nicht die von mir zugesagten Gebiete. Aber über Sieg oder Niederlage zu bestimmen ist Sache der Götter, und ich werde ihren Entschluss akzeptieren, ebenso, wie du den meinen zu akzeptieren hast. Sind wir uns einig, Gunnarr Grimmsson?«
»Ich fühle mich benachteiligt, mein König. Es nagt in mir. Ja, ich fühle mich von Euch zurückgesetzt, und es wird meinem Ansehen schaden, denn man wird hinter meinem Rücken über mich spotten, und die Skalden1 werden mich in ihren Gedichten und Liedern verhöhnen.«
Ein Schatten schien sich, während Grimmsson...
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