Schweitzer Fachinformationen
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Vor einigen Wochen .
Die Mitglieder waren zerstritten. Sie waren sich nicht einig darüber, wie es weitergehen sollte. Die einen, die Jüngeren, wollten unbedingt aus dem Motorsegelflugzeugverein einen modernen Ultraleichtflugzeugverein machen.
"Wir müssen doch mit der Zeit gehen. Alle machen das. Und wenn wir den Anschluss verpassen, kommen auch keine neuen Mitglieder mehr. Gerade unsere Generation fährt voll auf Ultraleicht ab! Wir wollen nicht so viel Geld für die Fliegerei ausgeben. Ultraleichtflugausbildungen sind kürzer und preiswerter. Eine Flugstunde Ultraleicht kostet deutlich weniger als eine Flugstunde Motorsegler", ereiferte sich René, das Sprachrohr der jungen Gene-ration. René hatte bisher bereits viel für den Verein erreicht. Der damals von Überalterung betroffene Mitgliederstamm musste dringend verjüngt werden. René schaffte es durch seine eigene Begeisterung für die Fliegerei schnell, viele seiner Kontakte aus der Segelflugszene dazu zu bewegen, in den Verein Moorheide einzutreten und noch die Motorflugberechtigung aufzusatteln. Auch zu vielen anderen umliegenden Vereinen hatte René eine ausgezeichnete Verbindung. Einmal im Monat organisierten er und seine Freunde ein abendliches Fly-In, zu dem auch und gerade Flieger anderer Vereine eingeladen waren. Es gab Bratwürste und alkoholfreies Bier. Das sogenannte Feierabendfliegen wurde überwältigend gut angenommen und oft standen mehr als dreißig Maschinen auf dem Vorfeld. Die Stimmung war stets freundschaftlich. René hatte eben ein Händchen für Organisatorisches und verstand es ausgezeichnet, die Menschen dabei mitzunehmen.
"Alle ist ja jetzt ein bisschen übertrieben", entgegnete Robert, ein alteingesessenes Vereinsmitglied.
"Das ist aber voll im Trend, da sollten wir mitmachen, allein schon um weiterhin neue junge Mitglieder zu anzulocken."
"Nachvollziehbar, René, finanziell aber nicht zu Ende gedacht."
"Doch, wir verkaufen einfach ein oder zwei der Motorsegler. Dann haben wir genug Geld für mindestens ein Ultraleichtflugzeug. Haben wir alles in Exceltabellen kalkuliert. Würde wunderbar passen. Ultraleicht sind in der Wartung auch preiswerter. Wir wollen schnell und unkompliziert in die Luft. Wir wollen fliegen."
"Damit verändert ihr den Kern des Vereins. Versteht ihr? Ihr würdet damit unseren Vereinscharakter vom einzigen reinen Motorseglerflugverein in der Umgebung auslöschen. Außerdem schiebt ihr jegliche Sicherheitsaspekte komplett zur Seite. Welche Gleitzahl hat schon ein Ultraleicht? Wollt ihr damit etwa nach Helgoland fliegen? Oder so wie einer von uns in den letzten Jahren immer mal wieder durch ganz Europa?", schaltete sich Mike ein, ebenfalls seit Jahren im Verein.
"Ja, wir wollen lieber mit der Zeit gehen als mit der Zeit zu gehen", bekam René Unterstützung von Maximilian. "Alte Strukturen sollten an die Gegenwart angepasst werden."
Die älteren Mitglieder wollten ihre geliebten Motorsegelflugzeuge aber nicht verkaufen. Und verändern wollten sie schonmal gar nichts.
"Seht doch mal, wir haben hier so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal in der Region. So wie wir ist in der Nähe kein anderer Verein strukturiert. Und denkt doch mal an den Sicherheitsfaktor. Wenn beim Motorsegler der Motor ausfällt, kann der noch weite Strecke Segelflug machen. Ein Ultraleicht kann das nicht. Und wenn ich mir den Rettungsfallschirm vorstelle, mit dem ich im Ernstfall dann inklusive Flugzeug zu Boden gehe, weil Ultraleicht eben nicht gleiten, wird mir ganz schlecht", versuchte Robert die Situation zu beeinflussen.
"Ja, ja, jetzt komm' mir nicht mit der alten Leier: Es gibt reine Segelflugzeugvereine und Vereine, in denen ausschließlich Motorflugzeuge ohne Segeleigenschaft geflogen werden. Und davon gibt es mehrere. Aber in unserem Verein gibt es nur Motorsegelflugzeuge."
Es folgte eine technische Lehrstunde über Flugzeugmodelle:
"Sie können eigenstartfähig in der Luft mit Motor geflogen werden und erreichen gleichzeitig hohe Gleitflugzahlen, um auch ohne Motorvortrieb über eine längere Strecke segeln zu können. Ähnlich einem Segelflugzeug, das meist in der Variante nicht eigenstartfähig vorkommt. Natürlich gibt es auch Segelflugzeugmodelle mit Einziehpropeller, die kommen seltener vor und sind deutlich teurer in der Anschaffung; aber damit ist der Pilot unabhängig von einem Team, das man normalerweise benötigte, um ein Segelflugzeug in die Luft zu bekommen. Beim Segelflugzeugsport wird ein viel größeres Team benötigt: Man braucht eine Flugleitung, jemanden an der Winde oder im Schleppflugzeug, jemanden an der Flügelkante während des Startvorgangs und jemanden zum Zurückholen des gelandeten Flugzeuges. Segelfliegerpiloten verbrachten gern das gesamte Wochenende von morgens bis abends am Segelflugplatz, damit jeder mit dem Fliegen an die Reihe kam. Manche Piloten sattelten deswegen auf Motorflugzeuge um, weil ihnen ihre Zeit zu knapp erschien. Sie wollten nicht für ein bisschen Fliegen das ganze Wochenende auf einem Flugplatz verbringen. Mit motorbetriebenen Mühlen kann man außerdem gut an die Nordsee und auf die Inseln fliegen, also größere Reisestrecken bewältigen."
"Genau, die alte Leier, die ich Interessierten immer als erstes erzähle" meinte Robert.
Manfred kam ihm zu Hilfe: "Ihr wollt also mit einem Ultraleichtflugzeug über die Nordsee fliegen? Nach Helgoland? Nach Sylt? Auf die friesischen Inseln?"
"Ja."
"Und was macht ihr, wenn über der Nordsee Motorausfall ist? Segeln könnt ihr mit einem Ultraleichtflieger vergessen."
"Dann haben wir ja noch den Rettungsfallschirm."
"Über der Nordsee. Ist klar", moserte Manfred. Er dachte: 'Die ticken doch nicht richtig. Sollten sie doch in einen Ultraleichtverein wechseln, wenn ihnen das Fliegen derartiger Luftsportgeräte so wichtig war.'
Da kam man also nicht zueinander, sosehr man auch miteinander rang.
Mit den Wochen artete der Austausch über Zukunftsmöglichkeiten in einen regelrechten Streit aus. Es kam sogar so weit, dass die Jüngeren den Älteren drohten:
"Wenn ihr nicht mitzieht, euch gar nicht verändern wollt und uns unseren Plan umsetzen lasst, treten wir alle aus."
Es hatten sich zwei Gruppen gebildet. Die Jungen hatten tüchtig genetzwerkt und nahezu alle ihrer Generation auf ihre Seite gezogen und auf ihren Plan eingeschworen.
Die Auseinandersetzung fand ihren Höhepunkt darin, dass Vorstandsneuwahlen angesetzt wurden. Die von den Jüngeren aufgestellte Vorstandsriege trat gegen eine von den älteren Mitgliedern zusammengestellte Vorstandsgruppe an. Die Abmachung lautete: Sollte der Vorstand der Jüngeren gewählt werden, wollte man deren Plan umsetzen. Sollte der Vorstand der Älteren gewählt werden, sollte alles beim Alten bleiben. Es entstand also eine Entweder-Oder-Situation. Eine Seite musste unterliegen und damit war die Unzufriedenheit bei der Hälfte der Mitglieder vorprogrammiert.
Die Jüngeren verloren die Vorstandswahl.
Und traten allesamt konsequent aus dem Verein aus. Genauso wie sie es angekündigt hatten, womit allerdings zuvor niemand ernsthaft gerechnet hatte.
Der Massenaustritt war ein herber Schlag für die Vereinsstruktur. Und das wussten die Jüngeren ganz genau.
Mitgliedsbeiträge generieren Rücklagen, die wiederum für die technische Instandhaltung der Flugzeuge verwendet werden sollten. Und nun war die Hälfte der Mitglieder weg! Das war ein finanzielles Desaster. Erpressung war noch milde ausgedrückt, aber genau das war es. Wenn ihr nicht macht, was wir wollen, dann gehen wir eben weg und ihr könnt sehen, wie ihr den Verein am Leben erhaltet. So waren die drauf.
Sie sagten aber auch: Wenn ihr euch kein bisschen in Richtung unserer modernen Bedürfnisse bewegt, haben wir hier keine Luft zum Atmen. Dann gehen wir eben woanders hin.
"Wir brauchen neue Mitglieder, und zwar ziemlich schnell. Sonst können wir das hier alles vergessen", stellten die übriggebliebenen Altmitglieder fest, als sie sich von dem Schrecken erholt hatten. Sie befanden sich in einer Zwangslage.
Es war mitten in der Pandemie. Vielleicht waren die Gemüter davon beeinflusst. Niemand war so richtig in der Lage, mit einem klaren Kopf Pläne zu schmieden und zu Ende zu denken. Die meisten Menschen hatten immer noch eine Heidenangst um ihre eigene Gesundheit, die Gesundheit von Familie und Freunden und vor allem um die Zukunft ihrer Arbeitsplätze. Manche waren seit Monaten in Kurzarbeit. Dazu kam die Langeweile, die in der Pandemie durch die Kontaktbeschränkungen entstanden war. Gerade für junge, heranreifende Erwachsene voller Lebensenergie und vieler Ideen war die Pandemie eine soziale Katastrophe. Es war alles in allem keine gute Zeit, um tiefgreifende Entscheidungen zu fällen.
Die verbliebenen Mitglieder wurden schnell aktiv, sie hatten ja keine Wahl, wenn der Verein erhalten bleiben sollte. Der Verein war...
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