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Viele deutsche Staatsbürger, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs aus verschiedenen Gründen in Indonesien blieben, konnte ich in den Jahren ab 1963 noch treffen. Darunter waren deutsche Offiziere, U-Boot Kommandanten und Mitglieder von U-Boot-Mannschaften. Viele hatten sich den Unabhängigkeitsbestrebungen von Sukarno und dem nachfolgenden Unabhängigkeitskampf der Indonesier gegen die wiederkehrende ehemalige Kolonialmacht der Niederlande angeschlossen. Darunter waren - wie erst nach ihrem Tod bekannt wurde - Kriegsverbrecher, aber zum allergrößten Teil waren es nur sogenannte 'Mitläufer', die nicht in das darniederliegende Deutschland zurückwollten und ein weiteres Leben auf den tropischen Inseln fern der Heimat vorzogen. Ein Beispiel dafür ist der Lebensweg von Kapitän August F. H. Rosenow2.
Ich traf auch einen Wissenschaftler, einen engen Mitarbeiter von Wernher von Braun, der aktiv an der Entwicklung der V1 und V2 in Peenemünde beteiligt war. Aus Angst vor einer Verurteilung in Deutschland war er nach 1945 in Bandung untergetaucht. Anfang der 1960er Jahren wurde er von den Vereinigten Staaten angeworben und er ist, ohne eine Anklage befürchten zu müssen, in die USA emigriert, um für die NASA zu arbeiten.
Über Heinrich Harrer, der aus dem Internierungslager Dehra Dun nach Tibet floh und sich dort mit dem Dalai Lama anfreundete, habe ich bereits kurz berichtet.3 Über seine Aktivitäten in Tibet hat er in seinem Buch Sieben Jahre in Tibet berichtet. Das Buch wurde auch verfilmt, wodurch Harrer einen gewissen Bekanntheitsgrad erreichte. Weniger bekannt ist, dass Heinrich Harrer nach dem Zweiten Weltkrieg auch Indonesien besuchte und ein Buch über den damals noch von den Niederlanden besetzten Teil Neuguineas mit dem Titel Ich komme aus der Steinzeit veröffentlichte. Was wollte Harrer in Indonesien? Dieses Buch strotzt vor Ungereimtheiten und Fehlern. War dieses Buch als Alibi für seine Reise schnell hingeschmiert worden? War Harrer vielleicht in anderer Mission unterwegs? Neue Erkenntnisse dazu folgen in Kapitel 78 über das verschwundene Nazi-Gold. Suchte er danach? Dieser westliche Teil Neuguineas gehörte zu Niederländisch-Indien und war während des Zweiten Weltkriegs von Japan besetzt. Erst nach großem internationalem Druck ging die ehemalige Kolonie Niederländisch-Neuguinea am 1. Mai 1963 an Indonesien.
Wenn wir über in Indonesien untergetauchte Persönlichkeiten der Nazi-Zeit reden, dürfen wir eine der wichtigsten Personen, Dr. phil. Rudolf Oebsger-Röder4, nicht vergessen. Am 9. März 1912 wurde er in Leipzig als Sohn eines Werkmeisters geboren. Er studierte Geschichte, Soziologie und Zeitungswissenschaft in Leipzig und promovierte 1936 mit einer Dissertation über den Bildungsstand der deutschen Journalisten. Während der Weimarer Republik wurde er wegen Körperverletzung und als Verfasser von politisch-ideologischen Schriften und Flugblättern verurteilt. Er trug den 'Ehrenwinkel der Alten Kämpfer', das Ehrenzeichen der NSDAP.
Ende 1929 wurde er Mitglied der Hitlerjugend und 1931, im Alter von 19 Jahren, trat er mit der Mitgliedsnummer 475.061 in die NSDAP ein5. Oebsger-Röder machte im Dritten Reich eine steile SS-Karriere. Am 20. April 1936 war er SS-Untersturmführer, am 9. November 1937 SS-Obersturmführer, am 20. April 1938 SS-Hauptsturmführer und am 30. Januar 1939 SS-Sturmbannführer. Noch 1945 wurde er zum SS-Obersturmbannführer befördert. Er erhielt 1939 das Eiserne Kreuz 2. Klasse, später das Kriegsverdienstkreuz mit Schwertern und er besaß das Reichs-Sportabzeichen in Bronze, das SA-Sportabzeichen, den Ehrendegen des Reichsführers der SS, dem höchsten Dienstgrad der SS und den Totenkopfring der SS. Alleine diese Auszeichnungen zeigen schon, welch wichtigen Rang er im Dritten Reich und in der SS innehatte.
Oebsger-Röder soll im Dritten Reich einer der Hauptverantwortlichen für das Massaker an den Polen in Bromberg gewesen sein. Er hatte 1939 das SS-Einsatzkommando geleitet, das Vergeltung an den Polen üben sollte. Nach dem Versailler Vertrag musste der Landkreis Bromberg und die mehrheitlich von Deutschen bewohnte Stadt Bromberg nach dem Ersten Weltkrieg an Polen abgetreten werden. Dies führte immer wieder zu offenen Spannungen zwischen den dort lebenden Deutschen und der polnischen Minderheit. Kurz nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Polen kam es am 3. und 4. September 1939 zu einem Massaker, bei dem etwa 1000 deutsche Siedler durch Polen ermordet wurden. Dieses Massaker ging als 'Blutsonntag' in die Geschichte ein. Bei der Racheaktion durch den sogenannten 'Volksdeutschen Selbstschutz' wurden daraufhin etwa 5000 polnische Bürger ermordet. Wer das Massaker begonnen hat und wieviel Menschen dabei wirklich umkamen, wird von beiden Seiten widersprüchlich beurteilt.
Abb. 74-1, Überschrift auf der Titelseite der Zeitung Der oberschlesische Wanderer vom 8. September 1939
In den mir vorliegenden Beurteilungen wird jedoch eine Beteiligung der SS von den meisten Historikern beider Seiten ausgeschlossen. Der Name Oebsger-Röder ist mir nun in einer anderen Angelegenheit aufgefallen. Am 21. Oktober 1939 meldete er, dass in den westpreußischen Städten von der Gestapo und vom Selbstschutz der Volksdeutschen polnische Lehrer verhaftet und in das Zuchthaus Krone transportiert worden seien. Es sei geplant, die radikalen polnischen Elemente zu liquidieren.6 In einem Lagebericht für das Reichspropagandaministerium schreibt Oebsger-Röder im Herbst 1939:
'Nach dem Willen des 'Führers' soll in kürzester Zeit aus den polnisch-bestimmten Pommerellen7 ein deutsches Westpreußen entstehen. Zur Durchführung dieser Aufgaben machen sich nach übereinstimmender Ansicht aller zuständigen Stellen folgende Maßnahmen notwendig:
Wird Röder vielleicht heute als Verantwortlicher für das Massaker nach dem 'Blutsonntag' zu Unrecht beschuldigt? Ich glaube nicht, denn er wird auf mehreren Dokumenten als Führer des SD-Einsatzkommandos (EK) 16 in Bromberg9 genannt.
Es gibt noch viele weitere Beweise, die ihn als Täter entlarven, denn er hat in verschiedenen Archiven, im 'Berlin Document Center', in den Stasi-Unterlagen und in der Kartei des CIA10 von gesuchten Personen viele Spuren hinterlassen. Laut US-amerikanischen Quellen wird Oebsger-Röder sogar als eine der Schlüsselfiguren des Holocaust bezeichnet. In der Online-CIA-Library findet man viele Einträge, von denen ich hier nur zwei als Beispiele zeigen möchte. Viele Dokumente über ihn sind auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht öffentlich zugänglich.
Abb. 74-2, Dokument Oebsger-Roeder, Rudolf_0007_0000 der CIA
Abb. 74-3, Dokument Oebsger-Roeder, Rudolf_0012_0000 der CIA
Rudolf Oebsger-Röder war auch Mitbegründer - in verschiedenen Dokumenten wird er sogar als Leiter bezeichnet - des 'Sonderunternehmens Zeppelin' in Russland und der Ukraine. Im Reichssicherheitshauptamt, zuletzt geleitet von Ernst Kaltenbrunner, galt Oebsger-Röder als 'DER' Russland-Spezialist! Wie ich bereits in Band 3, Kapitel 68, berichtete, gehörte auch der indonesische Pilot Willem de Graaff diesem Unternehmen an. Es war eine Kommandoeinheit der SS für Agenteneinsätze hinter den Linien der Roten Armee. Oft wurden dafür russische Kriegsgefangene, die sich freiwillig für eine Agententätigkeit meldeten, eingesetzt und hinter der sowjetischen Front mit Fallschirmen abgesetzt. Das war nicht nur ein 'Himmelfahrtskommando' für die Piloten, auch für die Spione, die meist Stalin-Gegner waren. Wurde einer der zuvor indoktrinierten Spione hinter der Front erwischt, wurde er sofort - wie jeder Russe, der in Kriegsgefangenschaft geriet - als Überläufer erschossen. Die Chance mit dem Leben davonzukommen, war annähernd bei 'Null'. Gelang ihnen mit Nachrichten aus dem Feindesland eine Rückkehr ins Deutsche Reich, wurden sie meist als Wissensträger beseitigt.
Ein Kollege von De Graaff war der deutsche Lothar Sieber11. Auch er war Pilot der deutschen Luftwaffe und flog wie De Graaff lebensgefährliche Einsätze mit erbeuteten sowjetischen und...
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