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Alina Cinar war aufgeregt, lief nervös hin und her, rückte da ein Bild zurecht, schob ein anderes gerade, wie sie dachte.
"Hör auf!", lachte der Inhaber der Galerie. "Du machst alle nervös. Es wird ein voller Erfolg und du bekommst das Geld für deine Elefanten. Es ist bald Weihnachten und da sind viele Menschen spendabel, suchen das passende Weihnachtsgeschenk, auch für sich selbst."
"Horst, du bist so zuversichtlich - ich nicht. Wie oft hat man schon diese Tiere fotografiert?"
"Sicher, da ich von meiner Materie Ahnung habe. Denkst du, ich würde mich sonst darauf einlassen? Traumtänzerin! Ich bin Geschäftsmann, will verdienen, wenn hierbei auch wenig für mich rumkommt, da nur wenig Bilder verkauft werden. Ein kleiner Teil deine Bilder sind anders, völlig anders. Schau, hier die Muttertiere. Niemand hat sie je so aufgenommen, zumal noch vor so einem Hintergrund."
Sie lachte, drehte ihre langen hellbraunen Haare oben am Kopf zusammen. Eine Geste, die sie immer machte, wenn sie verunsichert war. "Da lag ich wirklich in der Matsche, sah hinterher wie die tembo aus."
"Hast du auch ein Staubbad genommen?", fragte Karin, Horsts Frau, lachend, reichte ihr einen Becher Kaffee, danach ihrem Mann.
"Danke! Du glaubst es nicht, aber mir war danach, da meine Klamotten nass, dreckig waren und fürchterlich stanken."
Alle drei lachten und das löste auch ihre Anspannung ein wenig.
"Mir gefallen die zwei Bullen am besten. Sie kämpfen und trotzdem sind sie bemüht, sich nicht ernsthaft zu verletzen. Sollten die Menschen von lernen", löste Horst ihren Haarknoten.
"Danke! Es gibt ein afrikanisches Sprichwort. Wo Elefanten kämpfen wird das Gras verletzt. Das bedeutet bei ihnen so viel wie, wenn Leute streiten, kommen andere Menschen zu Schaden. Zum Beispiel leidet bei militärischen Auseinandersetzungen die Zivilbevölkerung oder zwei Personen streiten und eine Dritte muss es ausbaden. Das sind oftmals die Kinder oder Frauen."
Die Glastür öffnete sich und Gabriele kam mit einem Berg Pappkartons herein. Horst von Mühlen eilte auf sie zu, nahm ihr die ab. "Pizza! Hatte ich diese Woche dreimal. Trotzdem danke!", amüsierte er sich und erneut erklang von allen Gelächter.
"Hunger habe ich trotzdem. Essen wir, bevor der große Ansturm beginnt. Morgen Abend, vor dem Konzert, werde ich es mir richtig schmecken lassen. Das Essen soll dort vorzüglich sein. Maike erzählte, sie hätten dort einen exzellenten Rosé. Sie dachte dabei sofort an dich."
Seine Frau deckte schnell den Tisch hinten, dann ließen es sich die vier schmecken. Das Geplauder drehte sich nicht um die Ausstellung, sondern um Alltägliches, besonders um die Elphi, die Elbphilharmonie, die sie morgen besuchen wollten. Abends würde sie dort ein Konzert hören. Wie fast jeder Hamburger, waren auch sie mächtig stolz auf den Bau, welcher in diesem Jahr trotz all der Widrigkeiten endlich eröffnet worden war. Alina freute sich riesig darauf, alles von innen zu sehen.
"Jetzt fehlt nur noch, an wen die Gelder gehen", trank er Wasser. "Beginnen wir."
"Horst, die kennt hier niemand."
"Irrelevant, da das benannt werden muss. Die Behörden prüfen das sehr akribisch nach, da du die Zertifikate vorlegen musst. Kann sonst ja jeder kommen, sagen, ist gemeinnützig. Ansonsten musst du die Einnahmen versteuern, selbst wenn du derzeit in Kenia lebst, und ich muss es generell dem Finanzamt melden. Ein Interessent will ferner wissen, was mit den Spenden passiert. Ohne den gibt niemand so viel Geld für ein Foto aus. Also, wohin gehen die Gelder?"
"Also meinetwegen." Sie nannte ihm vier Ortsnamen und den KWS.
"Danke! Melde ich so den Finanzbehörden. Du musst dann Entsprechendes nachweisen. Bringe ich die Tafel an."
Sie betrachtete aufmerksam die Besucher. Es war ein ständiges Kommen und Gehen. Sie interessierte aber mehr, ob ihre Fotos gekauft wurden. Sie benötigte viel Geld. Nur das war es nicht allein. Sie wollte wissen, ob ihre Bilder gut waren, sie den richtigen Blick hatte. Ja, sie wollte die Anerkennung, Bewunderung bei den Betrachtern sehen. Noch fehlte das bei den Besuchern. In letzter Sekunde nahm sie die Hände runter, da sie gerade ihre Haare zusammendrehen wollte. Mit langen Haaren sah sie noch schöner, jünger, femininer aus, nicht so streng. Horst nickte ihr zu, verschwand mit einem Paar nach hinten. Ihm war sie besonders dankbar, dass er ihr diese Präsentation ermöglichte. Wäre er nicht der Schwager ihrer Mutter, hätte es nie diese Ausstellung gegeben.
Ein Mann schlenderte auf ihr Lieblingsbild zu, blieb davor stehen, betrachtete es lange, neigte dabei den Kopf einmal nach rechts, dann nach links. Sie hingegen hatte nur Augen für ihn. Ihr Herz schlug schneller und alles andere war Vergessen, als sich ihre Blicke trafen. Es war einer dieser magischen Momente, wie sie es nannte. Die gesamte Umgebung war ausgeblendet, sie sah nur ihren Gegenüber, als wenn man mit ihm allein auf der Welt wäre, hatte sie es einmal bezeichnet. Gut, dass derjenige nie erfuhr, dass sie in solchen seltenen Augenblicken, die nur Sekunden dauerten, alles um sich herum vergaß, es nur diesen Fremden gab. Dreimal war ihr das schon passiert und sie fand es im Nachhinein trotz allem schön, wenn auch ein wenig crazy. Der jeweilige Mann hatte sie vermutlich nur angesehen, weil er spürte, dass ihn jemand dusselig angaffte.
"Diese Aufnahme ist unvergesslich", wurde sie angesprochen und landete in der Gegenwart.
"Schön oder schlecht?"
Der ältere Herr guckte sie nicht verstehend an.
"Ich meine unvergesslich schön, sehr beeindruckend oder unvergesslich scheußlich?"
Nun lachte er. "Gut natürlich. Ich bin Biologe, besser war es früher, Solche Bilder, jedenfalls einige wenige davon, sah ich noch nie. Wunderschön. Das Bild werde ich kaufen, da es zeigt, was wir Menschen schützen müssen, damit auch unsere Enkel noch Freude an deren Schönheit genießen können. Freude findet man an den Tieren nie im Zoo, sondern nur in der freien Wildbahn."
"Danke, Herr ."
"Schneider. Professor Doktor Max Schneider."
"Vom hiesigen Zoo?"
"Sie kennen mich?"
"Ihre Bücher. Sehr interessant und lehrreich."
"Danke! Darf ich Ihren Namen erfahren?"
"Alina Cinar, die Fotografin und Ärztin", reichte sie ihm die Hand.
"Sehr angenehm, dass ich Sie sogar persönlich kennenlerne. Sie haben einen Blick für die tembo. Ich war drei Jahre in Tansania und Botswana, sah sie fast täglich. Nur solche Bilder nahm ich nie wahr, weil mir wahrscheinlich der gewisse Blickwinkel dafür fehlte. Wie kommt eine Ärztin zu solch einem Blick für die Tierwelt?"
"Ich liebe Elefanten, arbeite zurzeit in Kenia. Im Laufe der Zeit, welche ich bisher dort verlebte, bemerkte ich die Faszination, die diese stillen Riesen auf mich ausüben. Ich finde ihre Fürsorglichkeit, den liebevollen Umgang der Kühe mit den Lütten toll. Da kann man einfach nicht anders, als sie beschützen zu wollen. Wir bringen, falls ein wenig Zeit ist, den Dorfbewohnern bei, mit den Elefanten zu leben, nicht gegen sie vorzugehen. Dafür benötigen wir jedoch viel Geld, da Zäune gebaut und gesetzt, andere Abschreckungsmaßnahmen mit dem KWS abgesprochen werden müssen. Teilweise ersetzen wir ihnen den Ausfall der Ernte und so weiter. Ich hoffe daher, einige der Fotos verkaufen zu ." Sie unterbrach sich, schaute zu der schwarzhaarigen jungen Frau. "Ja, sie haben etwas, besonders durch die Art der Präsentation."
Alina freute sich über das Kompliment. Die Dame schien Geschmack zu haben.
"Wie viel Prozent gehen an die Dörfer, die Ranger?"
Irritiert blickte sie den weißhaarigen Mann an. "Alles natürlich", empörte sie sich. "Steht alles vorn angeschrieben", lächelte sie. Der Kerl wollte es eben genau wissen.
Die Dame kam näher, lachte, wandte sich an ihre Begleiterin, deutete auf ein Foto. "Sieh dir das an. Die ndovu marschieren wie die Enten hintereinander her. Ich muss jedes Mal lachen, wenn ich solche Fotos sehe. Davon gibt es unzählige mit allen möglichen Tieren. Strauße, Enten, Rinder, Schafe, Ziegen, Zebus, sogar Zebras und Gnus. Lustig, deswegen auch so oft fotografiert. Dafür mit 350 Euro etwas zu teuer", gluckste sie. Der Mann, der sie so fasziniert hatte, sagte etwas zu ihr, gab ihr einen Kuss auf die Wange, wie es aussah, hielt sie um die Taille gefasst. Sofort waren bei ihr alle Schmetterlinge verschwunden. Karin von Mühlen hastete auf das Paar zu. "Entschuldigen Sie mich bitte kurz, Professor Schneider. Ich muss ein wenig schlichten."
"Manche Menschen nehmen leider wenig Rücksicht, reden wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Auch wenn die Dame recht hat, sollte man da etwas diplomatischer vorgehen. Gehen Sie, obwohl es da nichts zu schlichten gibt, da wir Meinungsfreiheit haben. Frau Doktor Bucher würde nie ausfallend, äußerte lediglich ihre Sichtweise. Mit dieser hatte sie übrigens recht."
Sie drehte sich um, rief nicht sehr laut: "Karin!" Die blieb kurz vor dem Paar stehen. Alina hastete zu ihr, nahm sie am Arm. "Lass sie labern", raunte sie ihr zu, setzte lauter nach. "Es ist unnötig, solche blöden, schmutzigen Proleten belehren zu wollen. Das sind welche ohne Verstand, die aus der Gosse kommen, sich anscheinend verirrt haben oder etwas erbetteln wollen. Den Tussis sieht man an, was für armselige Dirnen das sind, so wie die stöckeln. Peinlich!"
"Ich hasse Menschen, die null Anstand besitzen."
"Komm, darüber stehen wir. Es sind eben nur Huren. Ich lernte gerade Professor...