Eine royale Eheschließung und die Erfüllung eines Traumes, 1946-1960
Als Philip sich im Januar des Jahres 1946 wieder in Portsmouth befand, übertrug man ihm zuerst die wenig aufregende Aufgabe, die Außerbetriebnahme der Whelp zu überwachen. Dann versetzte man ihn auf die HMS Glendower, ein Trainingsschiff der britischen Marine, welches in Pwllheli in Nordwales stationiert war. Dort übernahm er die Funktion eines Ausbilders. Bis zum Herbst des Jahres war er mit dieser Aufgabe betraut, dann erst versetzte man ihn auf die HMS Royal Arthur. Das Schiff stand in Diensten der Schule für Unteroffiziere der Marine in Corsham, Wiltshire, nahe Bath. Er referierte an dieser Schule über den Seekrieg, Moral und aktuelle Angelegenheiten der britischen Marine, aber war nicht sehr glücklich mit dieser Position. Meinem Sohn entging nicht, was ich befürchtet hatte - seine Karriere war aufgrund seiner griechischen Staatsangehörigkeit dabei zu stagnieren. Philip gestand mir in einem Brief, wie wenig es ihn erfüllte, er sich in Kriegszeiten mehr gefordert gefühlt habe. Es fiel ihm schwer, sich an einen Dienst in der britischen Marine in Friedenszeiten zu gewöhnen, was er auch der Königin Elizabeth schrieb. Sicher war er froh, dass der Krieg vorbei war, aber dennoch fühlte er sich nun irgendwie gelangweilt, sah für sich keine Zukunft in der Aufgabe, mit der er betraut worden war.
Seine freie Zeit verbrachte er oft in London, wo er mit seinem Sportwagen zum Buckingham-Palast fuhr und aus Crawfies Sicht stets sehr hastig Lilibet sehen wollte, die dann immer sofort die Schallplatte aus dem Musical Oklahoma auflegte. Der Titel hieß People will say we`re in love und es war für die Gouvernante der Prinzessinnen nur allzu offensichtlich, was sich da zu entwickeln begann.
Wenn er Lilibet nicht besuchte, leistete er Mama Gesellschaft, die mit der Pye-Crust wieder im Kensington-Palast lebte, oder blieb bei Dickie und Edwina in der Chester Street. Dort entging Edwina nicht, dass Philip ein gerahmtes Foto von Lilibet in seiner Tasche bei sich trug, welches er auch neben seinem Schlafplatz, dem Feldbett, platzierte. Für meinen Bruder Dickie war dies buchstäblich Wasser auf seine Mühlen, denn er stellte mit Wohlwollen fest, wie sich etwas zwischen seinem Neffen und der Prinzessin entwickelte.
Im Buckingham-Palast war mein Sohn aber nie allein mit Lilibet, dies hätte damals schon alleine der Anstand verboten. So nahmen Margaret, Lilibet und Philip meist zusammen ein Essen ein, was aus Fisch, einigen Süßigkeiten und Orangeade bestand. Crawfie ließ sich von Zeit zu Zeit blicken und ihr fiel sehr positiv auf, dass Philip nicht rauchte. Eigentlich hatte er sich in der Marine das Rauchen erst angewöhnt, rauchte manchmal eine ganze Schachtel am Tag, doch er wusste dies bei seinen Besuchen im Palast geschickt zu verbergen. Crawfie fand es auch gut, dass er bei gesellschaftlichen Anlässen nur wenig Alkohol trank, was durchaus für einen Mann der Marine, einen Seemann, wie sie es nannte, eher unüblich war. Nach dem Essen spielte Philip auf eine etwas kindliche Art mit den beiden Prinzessinnen im Korridor Ball oder sie jagten sich gegenseitig über den Flur. Keinem im Palast entging, wie sehr sich Philip um Lilibet bemühte, was der eigentliche Grund seines Besuches war oder vielmehr wer. Er hatte ihr aber gegenüber noch keine Gefühle offenbart, was Lilibet wohl sehr traurig machte.
Meine Tochter Sophie verlobte sich im Januar 1946 mit dem Prinzen Georg Wilhelm von Hannover. Er war der älteste Sohn der Herzogin Viktoria Luise zu Braunschweig-Lüneburg, Prinzessin von Hannover und ihrem Gatten, dem Herzog Ernst August, auch Prinz Ernst August III. von Hannover. Georg war der neue Rektor der Schule in Salem, wo Sophie ihn kennenlernte. Kurt Hahn hielt sehr viel von dem Prinzen. Während des Krieges hatte man die Schule geschlossen, doch nun nahm sie ihren Betrieb wieder auf.
Obwohl Tiny bereits Witwe war, fünf Kinder hatte, verliebte er sich in sie und befürchtete nur, sie würden ein sehr großes Haus brauchen aufgrund der Kinderschar. Peg war eigentlich die Drahtzieherin einer Verbindung zwischen Tiny und Georg gewesen, wie sie mir gestand, denn sie fand, meine Tochter brauche wieder einen Mann an ihrer Seite und Georg war gut situiert. Daher freute sie sich sehr, dass beide sich verlobten. Die Hochzeit sollte im April stattfinden.
Am einunddreißigsten März des Jahres 1946 fanden Parlamentswahlen in Athen statt, die von den Kommunisten boykottiert wurden. Das konservative Wahlbündnis Inomeni Parataxis Ethnikofronon, Vereintes Bündnis der Nationalgesinnten, erhielt über fünfundfünfzig Prozent der Stimmen im griechischen Parlament. So bildete Konstantin Tsaraldis, der Vorsitzende der Volkspartei, eine konservative Regierung. Die Führung des Bündnisses lag nun in seinen Händen und Tsaraldis war ein absoluter Befürworter der Monarchie. Am achtzehnten April wurde Tsaraldis neuer Ministerpräsident von Griechenland, gleichzeitig übernahm er auch die Leitung des Außenministeriums.
Die kommunistisch kontrollierten Rebellen jedoch organisierten in den folgenden Wochen und Monaten immer wieder bewaffnete Angriffe auf staatliche Einrichtungen wie Polizeistationen, Militäreinrichtungen und Infrastruktureinrichtungen. Es handelte sich aber nicht mehr um spontane Angriffe von lokalen Organisationen, sondern um geplante der Demokratischen Armee Griechenlands, kurz DSE, einer militärischen, stark von Kommunisten beeinflussten bewaffneten Widerstandsorganisation. Man kann diese im Jahre 1946 gegründete Partei als Nachfolgerin der ELAS ansehen und sie gehörte als Organisation zur Kommunistischen Partei Griechenlands. Die Partei versuchte mit der griechischen Regierung zu verhandeln, aber man kam zu keiner Einigung. Zudem zeigten die Übergriffe durch die DSE meist kaum militärische Erfolge, da man diese erfolgreich niederschlagen konnte. Doch ihr Kampf wurde effektiver, Griechenland befand sich bald in einem Bürgerkrieg. Im gesamten Land, mit Schwerpunkt Nordwest-Makedonien, Epirus, Zentral- und Mittelgriechenland wurden Polizeistationen, Armeeposten, Infrastruktureinrichtungen sowie politische Gegner angegriffen, beziehungsweise bekämpft. Man wollte um jeden Preis die griechische Regierung schwächen. Bald erhielt die DSE Unterstützung durch die Kominform, das Kommunistische Informationsbüro, ein überstaatliches Bündnis verschiedener kommunistischer Parteien, welches von der KPdSU, der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, unter Josef Stalin geleitet wurde. Dadurch kam bald logistische Unterstützung der DSE aus Albanien und Jugoslawien. Bald beherrschte man ganze Landstriche in Nordwest-Makedonien, Epirus und Zentralgriechenland. Sowohl Albanien als auch Jugoslawien boten den Rebellen einen Ausbildungs- und Rückzugsraum im Rahmen des Bündnisses. Die Regierungen beider Staaten billigten dies einvernehmlich, das war natürlich im Kampf gegen die Rebellen ein sehr großer Nachteil für die griechische Regierung.
Ziel der Rebellen war es, eine große Stadt unter ihre Kontrolle zu bringen, um dort eine provisorische Regierung einzusetzen.
Die griechische Regierung fand Unterstützung durch England, welche sowohl aktiv militärisch als auch waffentechnisch erfolgte, aber nicht durch das Eingreifen britischer Truppen. Im Jahre 1946 versuchte man mithilfe von Einheiten der Nationalgarde und Polizeikräften noch Herr der Lage zu werden.
In Athen blieben wir von den Kämpfen unbehelligt, dennoch war es schlimm, dass sich die Situation auch nach dem Krieg nicht endlich beruhigen wollte.
Anfang April gingen Philip und Lilibet zum ersten Mal gemeinsam aus. Sie besuchten eine Party im Aldwych Theater im West End in London. Es war auch das erste Mal, dass die Öffentlichkeit sie zusammen sah, was in der Presse natürlich gleich zu Spekulationen führte.
Mein Sohn schien nun wirklich eine Heirat mit der königlichen Prinzessin anzustreben.
Sophie heiratete am dreiundzwanzigsten April in Salem Georg und Philip erschien zur Hochzeit. Er kam völlig überraschend dort in einem kanadischen Armeetruck an, doch Tiny war ihm überaus dankbar für sein Erscheinen. Ich hatte ein Hochzeitsgeschenk an die beiden geschickt, ebenso wie Louise.
Vor der Hochzeit wollte man für Tiny die Juwelen unserer hessischen Familie aus Schloss Friedrichshof abholen, aber sie waren bedauerlicherweise gestohlen worden. Die sollte als Hesse Crown Jewelry Heist, also als Raub der hessischen Kronjuwelen in die Annalen eingehen und vor allem in der Presse große Aufmerksamkeit finden. Unter diesen Schmuckstücken aus Familienbesitz befanden sich vor allem die Kronjuwelen Mossys, die sie von ihrer Mutter, der Kaiserin Friedrich, geerbt hatte. Zu jener Zeit lag der Wert der Schmuckstücke bei etwa 2,5 Millionen US-Dollar. Da aber die Werte für Silber und Gold unter anderem stets variieren und steigen, kann man den genauen Wert weitaus höher beziffern.
Im Oktober des Jahres 1944 hatten Mossys Söhne, die Prinzen Richard und Wolfgang, beschlossen, den besonderen Schmuck der Familie zu verstecken, um diesen als Sicherheit nach dem Krieg...