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Diese Frauen, Nichtwitwen mit guten Gatten,
sollen mit Butter als Augensalbe gesalbt sich / niederlegen.
Ohne Tränen, frei von Krankheit, mit schönen Kleinodien
sollen die Frauen / zuerst das Lager wieder besteigen.
Rigveda, Zur Leichenfeier, 10,18.7
Im Leben einer Frau gibt es bestimmte Augenblicke, in denen sie wie die Hand in einen Handschuh in weibliche Archetypen hineingleitet. Wenn das passiert, wird sie plötzlich und ausnahmsweise zum Mittelpunkt, wird zum Subjekt, ein glühender Angelpunkt. Als würde eine Sonnenfinsternis eintreten und zwei Scheiben in einem seltenen Moment der Synchronizität einrasten. Der weibliche Mond bedeckt die männliche Sonne. Ihr Kernschatten, der sein Licht zugleich blockiert als auch absorbiert, bildet eine leuchtende Kugel, eine strahlende Korona, und während eine merkwürdige Umkehrung, eine seltsame Dunkelheit drohen mag, zieht das strahlende Schauspiel im Zentrum - obwohl es uns blendet - die Blicke aller auf sich, die sich in der Nähe befinden. Es ist verlockend, solche Ereignisse als persönliche Erfüllung zu definieren, als Vollendung eines notwendigen Schicksals, und in manchen Fällen mag das auch so sein, doch es geht vor allem darum, dass sich zwei Himmelskörper, der intime und der historische, der individuelle und der mythologische, für einen kurzen Augenblick perfekt überschneiden.
Nehmen wir zum Beispiel die hochschwangere Frau, deren surreale Wölbung des Bauches die elliptische Kurve der Sonnenfinsternis beschreibt
oder die Pietà, die trauernde Mutter, die den Körper ihres toten Kindes im Arm hält
oder, um eine fröhlichere Vorlage zu bedienen, die Braut, die immer strahlende Braut.
Nehmen wir zum Beispiel die Hindu-Braut, um eine Kultur ins Spiel zu bringen, in der diese weibliche Ikone bis zur Übertreibung gepriesen wird. Was für eine Pracht sie doch ist. Wie prunkvoll, jeder Zentimeter ihres Körpers ist geschmückt. Ihre Handflächen, Hände, Knöchel und Füße sind mit verschlungenen Hennamustern bedeckt. Eine Tikka in Form einer Träne glänzt auf ihrer Stirn, ein Nasenring oder Nath ist an einer feinen Kette mit ihrem Ohr verbunden, ihre Handgelenke sind geschmückt mit unzähligen Armreifen, ein hauchdünner Schleier fällt über ihre niedergeschlagenen Augen. Das Gewicht von all diesem Gold und Schmuck drückt sie jedoch nicht zu Boden. Sie ist majestätisch, prachtvoll in ihrem roten Sari, der Farbe von Fruchtbarkeit und Wohlstand. Die hinduistische Hochzeitszeremonie ist so lang und aufwendig wie die Aufmachung der Braut, sie variiert von Epoche zu Epoche, von Region zu Region, umfasst allerdings immer drei obligatorische Rituale: Der Vater übergibt die Braut, anschließend muss sich das Paar zum Zeichen seiner Vereinigung in der Nähe eines Feuers an den Händen halten, und schließlich müssen Braut und Bräutigam das Feuer siebenmal umrunden, während sie einander sieben Gelübde aufsagen. Das letzte dieser Rituale ist das wichtigste, da es der rechtsverbindliche Teil ist, und sein Hauptzeuge ist Agni, der heilige vedische Gott des Feuers.
Anfang 1987 wurde eine junge Frau namens Roop Kanwar in Jaipur, der Hauptstadt von Rajasthan in Westindien, im Einklang mit diesen Bräuchen getraut. Rajasthan, was so viel bedeutet wie Land der Könige, ist ein Bundesstaat mit einer langen und ruhmreichen Tradition der Kriegsführung, mit mächtigen kriegerischen Dynastien, die als Barrieren zwischen den regelmäßigen Angriffen der Mogul-Eroberer und dem indischen Subkontinent fungierten. Im Laufe der Jahrhunderte starben Millionen Menschen bei der Verteidigung dieses unwirtlichen Landes, das zu einem beträchtlichen Teil aus der Wüste Thar besteht, während das Aravali-Gebirge die Monsunwinde vom Arabischen Meer zurückhält und auf einen großen Teil des Landes einen Regenschatten wirft, in den nur selten wohltuende Feuchtigkeit dringt. Wie Tamars Land ist auch Rajasthan trocken und unbarmherzig, und in meiner Vorstellung tragen das Wüstenklima und die verblassende Erinnerung an die brutalen Heldentaten, die unsichtbaren Ströme, die blutrot unter dem Sand fließen, zu den harten Sitten bei, die dort manchmal auch heute noch an den Tag gelegt werden, und zu dem Wahnsinn, der sich gelegentlich über das Land legt. Aber wenn man es recht bedenkt, ist es anderswo auf der Welt vielleicht auch nicht besser.
Roop Kanwar war kaum achtzehn Jahre alt, als sie, begleitet vom üblichen Pomp und Gloria, den einige Jahre älteren Mal Singh heiratete. Roop, ein relativ gebildetes Mädchen aus Jaipur, war die Tochter einer vermögenden Mittelklassefamilie, ihr Vater der Leiter eines florierenden Transportunternehmens. Mal, ein Absolvent der Naturwissenschaften und Sohn eines Lehrers aus dem Dorf Deorala, lebte etwa zwei Stunden von der Hauptstadt entfernt. Die Ehe war höchstwahrscheinlich arrangiert, einige Berichte besagen, dass sie beschlossen wurde, als Roop erst fünf Jahre alt war und ihr künftiger Ehemann etwa zehn, andere Quellen wiederum berichten, dass die Abmachung jüngerer Natur war, vielleicht wurde sie wegen gewisser Schwierigkeiten getroffen, die einer der zwei jungen Leute oder vielleicht sogar beide gehabt hatten. Wie dem auch sei, Roop steuerte zur Heirat eine ungewöhnlich großzügige Mitgift bei: etwa fünfundvierzig Gramm Gold, dreißigtausend Rupien, einen Farbfernseher, einen Herd, einen Kühlschrank und andere Haushaltsgeräte - fürstliche Reichtümer für eine Lehrerfamilie.
Auf ihrem Hochzeitsfoto haben Mal und Roop tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Rajputenprinz und seiner Auserwählten. Roop trägt das traditionelle rote Brautgewand. Opulenter Goldschmuck - Tikka, Nath, alles, was dazugehört - umrahmt ihr strahlend lächelndes Gesicht. Auf Mals Kopf sitzt ein extravaganter Turban mit einem langen edelstein- und federbesetzten Band, und darunter schaut sein hübsches schnauzbärtiges Gesicht mit dunklen, ausdrucksstarken Augen hervor. Das einzige Zeichen von Modernität auf dem Foto ist Mals Kleidung, er trägt nämlich nicht den traditionellen perlenbesetzten Sherwani, den Hindu-Bräutigame normalerweise bevorzugen, sondern einen leicht abgetragenen Anzug im westlichen Stil mit einer gelockerten Krawatte um den Hals. Einen Hinweis auf das Weltliche findet man auch in dem, was fehlt - Roop trägt kein Kopftuch. Später, als Unstimmigkeiten darüber auftauchten, ob Roop ein besonders frommes oder religiöses Mädchen war, wurde das Fehlen des Kopftuchs bei ihrer Hochzeit als ein deutliches Zeichen ihrer Modernität angeführt. Aber Kopftuch hin oder her, Sherwani hin oder her, Roop und Mal wirken auf dem Foto schick und sogar glücklich, wie zwei Jungvermählte, die sich zumindest auf die Wonnen der Hochzeitsnacht freuen, die sie erwartet.
Ales und ich heirateten viel schlichter als Roop und Mal, obwohl auch unsere Ehe gewissermaßen arrangiert war, allerdings hatten nicht unsere Eltern sie vereinbart, sondern wir zwei selbst. Doch wie Roop und Mal kannten wir einander an unserem Hochzeitstag kaum, wir konnten uns die Umrisse unseres gemeinsamen Lebens nicht wirklich vorstellen. Wir waren nur die wenigen leidenschaftlichen Monate zu Beginn unserer Beziehung zusammen gewesen, danach waren wir Tausende Kilometer getrennt, mit Ausnahme einiger weniger Treffen - einmal in Rom nach Aless Rückkehr nach Slowenien, im Jahr darauf in New York, als er seine Doktorarbeit verteidigte, und einmal in Slowenien, als ich im Winter auf einen schwermütigen Besuch kam, um zu entscheiden, ob ich mir in diesem stürmischen kleinen Land ein Leben aufbauen könnte. Und ich brachte sogar eine Art Mitgift in die Ehe mit, denn ich hatte bereits im Vorfeld einige Sachen aus meiner Manhattaner Wohnung per Frachtflugzeug einfliegen lassen - Bilder, Bücher, einen Teppich, ein paar persönliche Gegenstände, aber im Vergleich zu Roops Mitgift war das natürlich ziemlich bescheiden. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass nicht die amerikanische Bankerin, sondern der osteuropäische Dichter derjenige war, der mehr Vermögen in die Ehe mitbrachte.
Unsere Hochzeit fand am zweiten Oktober 1993 statt, etwa einen Monat nach meiner Ankunft in Slowenien. Wie heirateten in der Burg auf der kleinen Insel Otocec im Fluss Krka, unweit der kroatischen Grenze, als im Süden noch immer die Jugoslawienkriege tobten. Die Zeremonie war kurz und bestand hauptsächlich aus einer postsozialistischen bürokratischen Rezitation der verschiedenen rechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen, die mit einer Eheschließung in Slowenien einhergehen, gefolgt von der Übersetzung ins Englische, damit auch ich verstand, wozu ich überhaupt meine Zustimmung gab. Nur etwa zwanzig Gäste waren anwesend: meine Familie aus Amerika, Aless engste Familie und ein paar Freunde.
Ich trug weder das Rot der Hindu-Bräute noch das übliche Weiß der christlichen...
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