Schweitzer Fachinformationen
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Ich bin nackt. Mein Kopf ruht auf der Brust meines Geliebten. Des Mannes, den ich liebe. Ich verschränke meine Beine mit seinen, während er mit seinen starken, warmen Händen über mein Haar streicht.
Heute war er es, der mich langsam liebte. Manchmal ist es umgekehrt. Fast immer sind es wir beide.
Das Schweigen zwischen uns ist tief. Tief und dicht.
Wir wissen beide, dass die Geschichte zwischen uns zu Ende geht. Diese verbotene Liebe, die wir seit einem Jahr füreinander empfinden. Es war ein intensives Jahr. Voller Leben, voller Sex, Liebe und Zärtlichkeit. Vor allem war es ein Jahr voller Gedankenlosigkeit. Dreihundertfünfundsechzig Tage sind eine lange Zeit. So viele Tage, an denen wir uns heimlich geliebt haben.
Wir könnten einfach so weitermachen. Ich könnte weiter meinen Mann betrügen und Pablo seine Frau. Das ist es, was Pablo möchte. Er kann zwei Frauen gleichzeitig lieben, aber ich kann das umgekehrt nicht: zwei Männer gleichzeitig lieben. Wahrscheinlich bin ich unfähig, Sex und Liebe zu trennen. Sex und Gefühle.
»Was quält dich so, Gabriela? Dass du nicht mit mir zusammenleben kannst?« Pablo wartet einige Sekunden, bevor er weiterspricht. »Bist du sicher, dass du für mich deine Familie zerstören willst? Und ich meine?«
Ich höre schweigend zu. Ich weiß nicht, was ich will.
»Du liebst deinen Mann. Und ich verstehe mich gut mit meiner Frau.«
Ich weiß, dass er nicht von Liebe zu seiner Frau spricht, um mich nicht zu verletzen. Jedes Mal, wenn er von seiner Frau redet, gibt es mir einen Stich ins Herz. Ich glaube, Pablo ist nicht klar, welches dramatische Gewicht jeder Satz, den er sagt, für mich und mein Leben hat.
»Willst du zwei Wochen im Monat auf deinen Sohn verzichten? Willst du, dass er vierzehn Tage bei seinem Vater lebt und vierzehn Tage mit mir? Und willst du dich um meine Töchter kümmern? Willst du das wirklich?«
Ich gebe keine Antwort. Pablo weiß, wie mir das alles zusetzt, und streicht mir übers Haar.
»Und außerdem, Gabi . Wenn ich tue, was du von mir verlangst, werde ich zu dem, was du schon hast.«
Der Satz hallt in meinem Kopf nach.
»In einem Jahr wirst du aufhören, mich zu begehren, und nichts wird mehr so sein wie jetzt.«
Ich höre, was er sagt, aber es erscheint mir unmöglich, dass die Leidenschaft, die ich für ihn, für Pablo, meinen Geliebten, empfinde, jemals enden könnte. Ich begehre ihn so sehr . so sehr. Ich verstehe nicht, wie man mit fünfundvierzig Jahren so intensive Gefühle haben kann. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so tief empfunden zu haben. Oder vielleicht war es mit meinem Mann genauso, aber das ist schon lange her. Zu lange. Ich weiß gar nicht mehr, ob wir inzwischen seit neunzehn oder zwanzig Jahren verheiratet sind, weil mein Leben mit einem Mann verbunden ist, den ich als Partner liebe, als Vater meines Sohnes, als Freund, als meinen besten Freund. Einem Mann, den ich zutiefst wertschätze, aber den ich nicht liebe. Den ich nicht begehre.
Manchmal, wenn ich allein bin, denke ich an dieses tiefe Gefühl, das in mein Leben zurückgekehrt ist, und finde kein besseres Wort dafür als Wiedergeburt. Ein ganz neues Leben.
Insgeheim wiederhole ich manchmal leise dieses eine Wort: LEIDENSCHAFT.
Die Leidenschaft hat mein ruhiges Leben durcheinandergewirbelt. Mein angenehmes, behagliches Leben mit meinem Mann. Die Leidenschaft hat meine emotionale Stabilität ins Wanken gebracht. Die Leidenschaft hat mich verraten. Manchmal frage ich mich, warum. Warum habe ich das getan? Die Antwort ist einfach: Abenteuerlust. Die Abenteuerlust hat mich gepackt. Zwanzig Jahre Ehe. Mein Leben war ein ruhiger, stiller Fluss.
Es begann wie ein unterhaltsames Spiel, bei dem ich meinen Körper hingab und mir einredete, dass es nur darum ging. Es dauerte keinen Monat, bis ich auch mein Herz verlor.
»Gabi, willst du wirklich deine Ehe für mich aufgeben?«, fragt er erneut.
Ich zögere immer, auf seine direkten Fragen zu antworten.
»Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was ich dir antworten soll. Aber ich kann so nicht leben. Ich kann das nicht. Das bin nicht ich. Ich versuche es seit dem Tag, als ich zum ersten Mal diese Wohnung betreten habe.« Ich zögere kurz, bevor ich weiterspreche. »Manchmal denke ich, ich hätte nie herkommen sollen.«
Ich weiß, dass meine Worte Pablo verletzen. Denn Pablo liebt mich, auch wenn ich nur seine Geliebte bin und nicht seine Frau.
Ich schaue zur Wohnungstür und denke an den Tag zurück, als ich zum ersten Mal über diese Schwelle trat. Als ich zum ersten Mal sein Studio unterm Dach betrat, wo er jeden Tag schreibt. Eine Mansardenwohnung voller Bücher und Jazzplatten. Unser Versteck. Der Ort, an dem wir uns heimlich lieben. Wo ich meinem Mann untreu bin und er seiner Frau.
Ich hätte damit aufhören können, aber ich wollte nicht. Ich allein bin schuld an diesem Wirbelsturm der Gefühle, der über mein Leben hereinbrach.
»Pablo, sieh mich an«, bitte ich ihn.
Ich bin sehr schlank. Alle Frauen in meiner Familie sind schlank. Und seit ich ihn kenne, habe ich noch drei Kilo verloren. Für viele Frauen ist das nichts; für meinen Körper ist es zu viel.
»Du bist wunderschön«, antwortet er aufrichtig.
Er findet mich immer schön.
An Donnerstagen, denn das ist unser gemeinsamer Tag, fühle ich mich immer geliebt. Zutiefst geliebt. Er liebt mich mehr als seine Frau. Viel mehr. Seine Frau schätzt er. Sehr sogar. Ich glaube, er ist ehrlich zu mir, wenn er das sagt. Er müsste nicht ehrlich sein, aber ich glaube ihm, weil ich ihn verstehe. Ich empfinde genauso für meinen Mann. Den Mann, mit dem ich seit zwanzig Jahren durchs Leben gehe.
»Du bist wunderschön«, sagt er noch einmal.
Ich lächle dankbar und sehe ihn an. Sein wettergegerbtes Gesicht verrät den Lauf der Zeit. Er ist ein interessanter, charismatischer Typ trotz seiner introvertierten Art. Pablo ist zurückhaltend, genau wie mein Mann. Ich mag zurückhaltende Männer. Mein Vater war genauso. Manchmal versuche ich, mich von diesen Gefühlen zu distanzieren, die mein Leben überschatten, und vergleiche insgeheim beide. Mein Mann und mein Liebhaber sind sich ähnlich. Mehr in ihrem Wesen als vom Aussehen her. Manchmal kommen sie mir beinahe gleich vor. Aber den einen begehre ich. Den anderen nicht.
Ich lasse meine Hand über Pablos Gesicht gleiten. Kraule seinen ergrauenden Bart, den er nicht gerne rasiert und mit dem ich immer spiele, wenn wir uns lieben. Pablo ist fünfundfünfzig, und obwohl ich zehn Jahre jünger bin, denke ich manchmal verunsichert, dass er auch mit einer Dreißigjährigen zusammen sein könnte. Mit einer Frau, die jünger ist als ich, mit straffer Haut und festen Brüsten. Die frei und ungebunden ist.
Ich bin eine reife Frau, die die Veränderungen ihres Körpers akzeptiert. Manchmal allerdings stelle ich mit Bedauern fest, dass meine kleinen Brüste erschlaffen. Bemerke die Fältchen rund um die Augen.
Pablo könnte mit einer jüngeren Frau zusammen sein, denke ich dann, denn er ist nicht nur ein attraktiver Mann, sondern auch ein bekannter Schriftsteller. Und hier kommt die Erotik der Macht ins Spiel. Er reist mit seinen Romanen durch die Weltgeschichte, und die Presse reißt sich darum, ihn zu interviewen. Seine Lesungen finden nicht länger in Buchhandlungen statt; vor einigen Jahren hat sein Verlag beschlossen, seine Bücher im Círculo de Bellas Artes und im Centro de Cultura Contemporánea in Barcelona zu präsentieren. Wenn er auf der Buchmesse in Madrid signiert, werden Absperrgitter aufgestellt, damit seine Leserinnen und Leser nicht die Allee im Retiro-Park blockieren. Und ja, tatsächlich wird er von Zwanzig- und Dreißigjährigen umschwärmt, insbesondere dann, wenn ein neuer Roman von ihm erscheint. Natürlich gibt es die Erotik der Macht. Die Erotik des Ruhms. Er weiß das. Pablo ist ein intelligenter Mann. Hochintelligent. Aber für Pablo ist ein scharfer Verstand interessanter als ein makelloser Körper, und ich weiß, dass er meine Klugheit liebt. Sie ergänzt ihn. Sie inspiriert ihn. Er ist großzügig mit seinen Worten, wenn ich seine Manuskripte lese und Wörter, Adjektive und Kommata ändere. Ich streiche ganze Szenen oder Figuren. Dann schreibt er die Stellen um, nicht ohne mich vorher zu küssen und sich jedes Mal zu bedanken. Pablo gibt mir eine Sicherheit, die ich normalerweise nicht empfinde, selbst wenn ich nackt in seinen Armen liege, den Kopf auf seiner Brust.
»Ich will mein Leben lang mit dir zusammen sein, Gabi. Das ganze Leben, das uns bleibt.«
Diese Worte flüsterte er mir vor einigen Monaten zu, während er in mir versank. Ich antwortete, dass ich mehr wolle. Dass ich jeden Abend neben ihm einschlafen wolle.
Darauf gab er keine Antwort.
Ich lasse meinen Blick durchs Zimmer schweifen.
»Pablo, zu Hause merken sie, dass irgendwas mit mir nicht stimmt«, sage ich. »Ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalte.« Ich halte kurz inne, weil es mir schwerfällt, das Wort auszusprechen, dessen Klang ich verabscheue. »Wie lange ich diese Lüge noch aushalte.«
Ich sehe ihn forschend an und hoffe auf eine Antwort, von der ich weiß, dass sie nicht kommen wird. Wir haben schon öfter darüber gesprochen. Er ist immer ehrlich zu mir gewesen. Immer. Während ich auf seine Antwort warte, werden meine Augen feucht.
Ich weiß, dass meine Tränen ihn entwaffnen. Immer.
Denn Pablo liebt mich. Und er hasst es, mich leiden zu sehen.
»Gabi, hör auf«, sagt er leise, aber bestimmt. Er küsst mich auf den Mund. »Hör auf, Gabi, bitte. Hör auf.«
Er umarmt mich, weil er es nicht erträgt, mich weinen zu...
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