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Stöbert man in einem Bildband über die südwestfranzösischen Bastiden, überraschen einen die schnurgeraden Strassen und die quadratischen Marktplätze, die auf den Hochglanzfotos abgebildet sind. Auch die Sachbücher der Historikerinnen und Historiker verweisen auf die schachbrett- resp. gitterartigen Siedlungsgrundrisse.111 Dieses Erscheinungsbild passt so gar nicht zum mittelalterlichen Städtebau, wie er sich in ganz Europa zur selben Zeit entwickelte und wie ich ihn im Buch «Geplante Unregelmässigkeit»112 ausführlich analysiert habe. Denn die mittelalterliche Stadt zeichnet sich gerade dadurch aus, dass die Baulinien und Gassen schwingen und die Plätze unregelmässig sind, was fehlende Proportionen und Symmetrien zur Folge hat. Sind also die Bastiden auf einem rechtwinkligen gitterartigen Strassenraster angelegt, bilden sie eine Antithese zu meinen Forschungsergebnissen über den mittelalterlichen Städtebau. Im Fokus dieses Kapitels steht deshalb die Analyse der Bastidengrundrisse, konkret also die Frage, ob das Gittermuster tatsächlich das bestimmende Grundrissprinzip der südfranzösischen Bastiden ist.
Um es gleich vorwegzunehmen: Nicht alle Bastiden weisen einen gitterartigen Grundriss auf. Und auch bei solchen mit einem gitterförmigen Grundriss gibt es viele Unterschiede in deren Grundstruktur.
Um auf die Frage, ob das Gittermuster wirklich das bestimmende Grundrissprinzip ist, habe ich alle Bastiden der ausführlichsten Liste, die ich in der Literatur gefunden habe - nämlich diejenige im Buch von Lauret et alii - auf Google Earth angesehen. Auch bei anderen Historikern habe ich Listen mit Bastiden gefunden, die aber nicht so umfangreich sind wie diejenige von Lauret und auch manchmal abweichende Datierungen aufweisen.113 Laurets Liste umfasst über 600 Ortsnamen, sehr oft mit Gründungsjahr und Angaben zu den Gründern, zu allfälligen Vorgängersiedlungen und manchmal auch zur Grundrissgestaltung. Leider geben Lauret und seine Mitautoren keine Hinweise, auf Grund welcher Definitionskriterien eine Ortschaft in ihre Bastidenliste aufgenommen wurde. Auch lassen sich auf Google Earth nicht alle aufgeführten Siedlungen finden.
Weshalb die Untersuchung anhand von Google-Earth-Aufnahmen? Die überlieferten Quellentexte sind zu selten und zu fragmentarisch, um daraus eine genügend fundierte Grundlage für die Aufsiedlung der Bastiden herzuleiten, wie Lavedan schreibt.114 Auch Jean-Loup Abbé teilt diese Ansicht und rät, Katasterpläne und Flugaufnahmen zu verwenden, um die geometrische Anordnung der Aufsiedlung zu ergründen.115 Da sich in den Bastiden die ursprüngliche Parzellierung meistens genügend gut erhalten hat, wie Pierre Garrigou Grandchamp bestätigt116, halte ich die Verwendung von Luftaufnahmen, wie sie auf der Google-Earth-Plattform angeboten werden, für legitim. Kommt hinzu, dass mit der «Street-View-Funktion» viele Bastiden virtuell besucht werden können, was allerdings einen realen Besuch nicht wettmachen kann. Aktuelle Katasterpläne finden sich zudem auf der Webseite https://www.cadastre.gouv.fr/scpc/accueil.do,die ich für genauere Studien herbeigezogen habe. Auch sind in den verschiedenen Werken über die Bastiden viele Grundrisse abgebildet, auf die ich ab und zu ebenfalls zurückgegriffen habe.
Ich habe auf Basis der Liste von Lauret eine eigene Bastiden-Tabelle erstellt, in die ich nur diejenigen Orte aufgenommen habe, die sich auf Google-Earth eindeutig lokalisieren lassen. Die vier in den Departementen Gard und Ardéche liegenden Bastiden habe ich nicht berücksichtigt. Einige der von Lauret aufgeführten Bastiden sind mittlerweile verschwunden oder in den Siedlungsperimeter grösserer Städte wie Bordeaux und Toulouse integriert worden, so dass meine Liste nur noch 511 Ortschaften enthält. Diese Liste findet sich im Anhang dieses Buches.117 In meiner Tabelle sind die Bastiden nach den Jahren geordnet, in denen die Paréage-Verträge geschlossen und/oder die Chartes de Coutumes erlassen wurden. Sind bei einer Siedlung sowohl das Jahr des Paréage-Vertrages als auch das Jahr der Ausstellung der Charte vermerkt, habe ich die Bastide unter dem erstgenannten Jahr aufgelistet. Bei der Eruierung der Gründungsdaten bin ich auf einige Schwierigkeiten gestossen, denn einerseits finden sich bei den verschiedenen Autorinnen und Autoren teilweise unterschiedliche Jahreszahlen bei den gleichen Bastiden; andrerseits haben Lauret und seine Mitautoren in einigen Fällen, wie etwa bei Lisle-sur-Tarn, das Jahr der Ersterwähnung angegeben. Diese Bastide ist also sicher früher entstanden, als sie in meiner Liste aufgeführt ist. In solchen Fällen habe ich in der Spalte Bemerkungen einen entsprechenden Vermerk gemacht. Manchmal finden sich in der Liste von Lauret auch die Angaben vor (avant) oder nach (après) einem bestimmten Jahr. Ob diese Gründungen im Vorjahr oder im unmittelbar darauf folgenden Jahr gegründet wurden, ist ebenfalls unklar. Ich habe diese Bastiden dennoch auf das unmittelbar davor liegende resp. auf das Folgejahr datiert. Bastiden mit unbekanntem Entstehungsjahr finden sich anschliessend in alphabetischer Reihenfolge in meiner Tabelle. Bei allen Bastiden ist das Departement vermerkt, in dem sie liegen. Auch habe ich aus der Liste von Lauret die Angaben über die Gründer übernommen, soweit sie bekannt sind.
Die insgesamt 511 Ortsbilder, die ich auf Google Earth gefunden habe, habe ich in fünf Kategorien unterteilt. In der ersten Kategorie finden sich 112 Ortschaften, also gut jede fünfte(!), die heute nur noch als Kleinstsiedlung resp. Siedlung ohne einen erkennbaren historischen Kern existieren. Ob sie im Mittelalter blühende Bastiden waren und erst im Laufe der Zeit ihre Bedeutung verloren haben oder ob sie seit je nur äusserst bescheidene Orte geblieben sind, entzieht sich meiner Kenntnis. Da anhand ihres heutigen Erscheinungsbildes nicht entschieden werden kann, ob diese Bastiden ursprünglich auf einem unregelmässigen oder auf einem gitterartigen Grundriss angelegt worden sind, sind sie für meine Analyse ohne Bedeutung. Die restlichen 399 Bastiden, die einen geschlossenen Ortskern aufweisen, habe ich in die Kategorien 'Unregelmässiger Grundriss ohne Marktplatz', 'Unregelmässiger Grundriss mit Marktplatz', 'Gitternetz ohne Marktplatz' und 'Gitternetz mit Marktplatz' unterteilt. Als Bastiden mit Marktplatz habe ich nur jene Siedlungen gekennzeichnet, in denen ein ganzer Siedlungsblock, meist umgeben von vier Gassen, als freier Platz ausgespart ist. Eine blosse Strassenerweiterung, Plätze vor Kirchen oder leere, mit Gras bewachsene Freiflächen fallen nicht unter die Kategorie 'mit Marktplatz'. Die Einteilung ist unabhängig von der Grösse der Siedlungen. Um sich eine Vorstellung vom Umfang der Bastiden machen zu können, habe ich in einer weiteren Spalte deren Häuserzahl vermerkt. Allerdings gestaltete sich die Zählung der Häuser aus verschiedenen Gründen nicht sehr einfach. Da ursprünglich die Häuser unmittelbar an der Gasse standen, habe ich nur die Vorderhäuser gezählt. Denn die Hinterhöfe sind auch in den Bastiden wie in den mittelalterlichen Städten - wenn überhaupt - erst später überbaut worden. Auch habe ich mich bei der Zählung nur auf die Gebäude selber konzentriert, was bei einigen Bastiden ein falsches Bild ergibt. Denn es gibt eine ganze Reihe unter ihnen, die leere Parzellen aufweisen, wie etwa Saint-Denis-de-Saissac. Da aber die Parzellierung auf dem Google-Earth-Luftbild nicht ermittelt werden kann, habe ich diese leeren Plätze nicht berücksichtigen können. Ein weiteres Problem stellt die Tatsache dar, dass im Laufe der Zeit Grundstücke getrennt oder zusammengelegt worden sind, was es ebenfalls erschwert, die ursprüngliche Häuserzahl der Bastide zu bestimmen. Am schwierigsten gestaltete sich die Zählung in jenen Bastiden, die in den Jahrhunderten nach ihrer Gründung über ihre ursprünglichen Grenzen hinausgewachsen sind. Bei einigen Bastiden ist die Trennlinie zwischen Kern und Peripherie fliessend. Um trotz dieser Schwierigkeit zu einem aussagekräftigen Resultat zu kommen, habe ich nur diejenigen Häuser zur Bastide gezählt, die zusammengebaut sind resp. nur durch einen schmalen Zwischenraum, den Androne, getrennt sind, was ein typisches Baumerkmal dieser Siedlungsform ist. Glücklicherweise sind Bastiden mit ausufernden Rändern nicht sehr häufig, denn Südwestfrankreich hat in den letzten beiden Jahrhunderten keine Industrialisierung grösseren Ausmasses erlebt, so dass sich in vielen Fällen der ursprüngliche Umfang der Bastiden auch heutzutage noch deutlich abzeichnet. Aus all diesen Gründen müssen die Häuserzahlen mit Vorsicht betrachtet werden. Ich habe sie deshalb auch auf jeweils 10 gerundet. In zwei weiteren Spalten habe ich mit den Buchstaben k (klein), m (mittel) und g (gross) auf die Grösse der Bastiden verwiesen. Als kleine Bastiden betrachte ich...
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