Schweitzer Fachinformationen
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Am nächsten Tag
»Ich bin immer noch dagegen.«
Mehr fällt Pirlo nicht ein. Mehr will er eigentlich aber auch gar nicht sagen.
»Jetzt hör halt mal richtig zu«, zischt Ahmid. »Die Idee ist wirklich gut. Versprochen!«
Pirlo zwirbelt an seinen Haaren. »Das kann ja sein. Aber ganz gleich, wie brillant sie ist und was da alles drin sein könnte, am Ende hat das alles auch mit dir zu tun. Und deswegen ist meine Antwort klar.«
»Gestern klang das aber noch ganz anders. Sobald du was Legales machst, unterstütze ich dich natürlich in jeder Form, mein geliebter Bruder.«
»Das habe ich so nicht gesagt.«
»Aber gemeint.
»Als ob.« Pirlo setzt sich auf. Heute klappt das erstaunlich viel leichter. Womöglich hat Ahmids Besuch ihm neuen Schwung gegeben. Auch wenn er das ihm gegenüber ganz bestimmt nicht zugeben würde. »Außerdem war ich gestern nicht ganz Herr meiner Sinne.«
Ahmid verdreht die Augen. »Du bleibst also bei deinem Nein?«
»Ja.«
»Also doch ja?«
»Nein. Und hör auf mit diesem albernen Scheiß. Wir sind keine kleinen Kinder mehr.«
»Du verhältst dich aber wie eines.«
»Wieso das denn?«
»Das frage ich dich!«
Dann fängt sich Ahmid wieder. Er versucht es zumindest, rückt dazu seinen Stuhl näher und legt alle Dringlichkeit in die Stimme, die ihm nach einer halben Stunde Grundsatzdebatte noch zur Verfügung steht. »Komm schon, Ramzes, eigentlich ist dir doch klar, dass es funktionieren wird. Du weißt es einfach! Alles, was wir brauchen, sind meine Fähigkeiten als Menschenfänger und deine Lizenz.«
»Ha!«
Erst der bewegliche Tropf bremst den Schwung von Pirlos Hand. Was er damit vorhatte, bleibt daher unklar. Auch für ihn selbst.
Kurz sehen die Leute am Nebentisch noch indigniert rüber. Dann sind die beiden Schwarzköpfe aber auch schon wieder hinreichend uninteressant.
Gut so. Schon weil es Pirlo mehr Zeit und Raum für seinen Frust lässt. Was er beides auch dringend braucht. Während der ganzen Tage im Krankenhaus haben seine Gedanken darum gekreist, was er unternehmen wird, wenn er wieder mobil ist. Fast immer hatten sie sich um Sophie gedreht. Dass sie miteinander spazieren gehen würden. Ein Gespräch führen. Vielleicht sogar was arbeiten. So weit, die Sache mit dem Sich-Berühren wieder aufzunehmen, hatte sich Pirlo nicht mal gedanklich vorgewagt. Aber wer konnte schon wissen, was passierte, wenn man spazierte, ein Gespräch führte oder miteinander arbeitete?
Das, was stattdessen stattfindet, ist dagegen ungefähr das Letzte, was auf Pirlos Rekonvaleszenz-Wunschliste aufgetaucht wäre. Da es regnet, sitzt er in der lärmenden Krankenhauscafeteria. Mit einem sperrigen Tropf. Und einem schwerst agitierten Ahmid. Der sich übrigens gerade selbst überführt hat.
»Ha«, bekräftigt Pirlo daher seine Entrüstung, wenn auch jetzt schon mit deutlich weniger Elan.
»Was soll das denn schon wieder?«
»Das ist es, worauf es dir eigentlich ankommt!«, raunt Pirlo zornig.
»Was?«, fragt Ahmid übertrieben unschuldig.
»Du hast diesen Jungen an der Angel und brauchst jetzt jemanden, der nach außen mit einem guten Namen auftritt.«
»Darüber haben wir doch gestern schon gesprochen, Bruder. Du erinnerst dich nur nicht mehr. Die Medikamente und so.«
Pirlo geht auf Ahmids Ausweichmanöver gar nicht erst ein. In welche Richtung sie sich bewegen könnten, hat sich ohnehin abgezeichnet. Weswegen er in der Nacht seine Hausaufgaben gemacht hat. »Man benötigt als Spielerberater keine Lizenz mehr.«
»Das weiß ich.«
»Ich meine das ernst.«
Ahmid nickt. »Ja, ich auch, Bruder. Ich weiß es wirklich.« Er kramt sein Telefon hervor und scrollt mit flinken Fingern durch eine große Zahl von Screenshots. »Glaubst du etwa, ich habe mir das nicht alles angesehen, oder was? Hier: Man braucht keine Zulassung mehr. Ein Rechtsanwalt muss man auch nicht mehr sein.«
»Warum lässt du mich dann nicht einfach in Ruhe?«
Ahmid starrt ihn mit einem Gesichtsausdruck an, der irgendwo zwischen gereizt und ertappt changiert. Dann sacken allerdings seine Schultern ab. Er beugt sich vor und scheint noch einen ruhigen Anlauf nehmen zu wollen. Pirlo hofft einfach, dass es auch wirklich der letzte ist.
»Hamza und seine Frau wissen natürlich, dass Serdar ein absoluter Glücksfall ist. Der Junge ist nicht nur talentiert, er sieht auch noch gut aus. Auf Instagram und TikTok folgen ihm über achthunderttausend Leute.«
»Wie viele?«
Ahmid nickt. »Genau so habe ich das erste Mal auch reagiert.« Er nimmt einen Schluck Kaffee und sieht auf die Uhr. Kurz hofft Pirlo, dass ihn ein anderer Termin seines Bruders erlöst. Dann fährt Ahmid aber doch fort: »Serdar hat ein riesiges Potenzial. Die POST hat nach seinem Tor gegen die Fortuna eine Fotostrecke über den >neuen Poldi< gebracht. Ich muss dir ja wohl nicht erklären, wie viel Geld sich damit machen lässt!« Ahmid fällt offenbar selbst auf, dass er sich hat mitreißen lassen. Es geht daher etwas ruhiger weiter: »Das ist natürlich auch einer Menge anderer Leute bewusst. Wir brauchen uns nichts vorzumachen: Wer immer den Jungen unter Vertrag nimmt, kann bald sein eigenes Geld drucken.« Ahmid senkt die Stimme. »Wie immer, wenn viel Geld im Spiel ist, zieht das aber auch eine Menge fragwürdiger Gestalten an.«
Pirlo versucht, sich nichts anmerken zu lassen. Er kann über diesen Satz auch noch später lachen.
Ahmid bleibt sowieso weiter hoch konzentriert. »Allerdings hat Serdar mehr als deutlich erkennen lassen, dass ihm nicht klar ist, welche Verantwortung er jetzt hat, wo Grenzen liegen, was richtig und was falsch ist und so weiter. Das ist die Stelle, an der wir ins Spiel kommen.«
»Ich verstehe. Wenn jemand einem jungen Menschen erklären kann, wo Grenzen liegen und was richtig und was falsch ist, dann ja wohl du.«
»Haha. Kannst du nicht ein Mal ernst bleiben?«
Pirlo leert seine Tasse. »Keine Ahnung. Kannst du?«
Ahmid seufzt. »Ich kann Serdar jedenfalls im Alltag unterstützen, ihm bei Behördengängen helfen, mich darum kümmern, dass er Termine wahrnimmt, ihn wohin fahren und so.«
»Du meinst, du kannst Serdars Mädchen für alles sein.« Pirlo grinst.
Zu seinem Erstaunen nickt Ahmid allerdings nur. »Ich würde es anders nennen, aber klar, wenn es sein muss, dann bin ich genau das. Alles, was du tun musst, ist, dem Jungen und mir mit Rat und Tat zur Seite stehen. Ab und zu mal ein ernstes Wort sprechen. Den lauernden Geiern ein Zeichen senden, dass sich jetzt ein Rechtsanwalt mit einem Doktortitel kümmert und dass es gar keiner mehr auch nur zu versuchen braucht. So ist es am Ende gut für alle.«
Pirlo antwortet nicht direkt. Vielleicht liegt das daran, dass er tatsächlich nachdenken muss.
»Alles, was du tun musst, ist, über die Kanzlei einen Vertrag abschließen. Dann betreibt Recht.Schaffen eben eine Sportabteilung - na und? Als Sophies Vater eure Hilfe gebraucht hat, habt ihr schließlich auch kein Problem damit gehabt, zusammen mit diesem Bischoff auf einmal Detektive zu sein.«
»Das war etwas anderes«, entgegnet Pirlo.
»Ach ja? Doch aber nur insoweit, als es um den Vater deiner Arbeitskollegin ging und nicht um deinen Bruder.«
»Sophie ist nicht nur eine Kollegin.«
Ahmid winkt ab. »Lass uns damit jetzt gar nicht erst anfangen. Fakt ist doch: Du glaubst mir nicht, wenn ich dir sage, dass ich mit zweiundvierzig keine Lust mehr darauf habe, mich in irgendwelchen Hinterzimmern herumzudrücken und ständig irgendwo irgendwie auf das große Geschäft zu warten. Mann, der eine meiner Brüder hat vier Kinder. Der andere hat eine eigene Kanzlei. Was habe ich schon vorzuweisen? Warum sollte ich nicht auch mal etwas richtig machen, etwas erreichen wollen? Trotzdem bist du voreingenommen. Du hast dich so sehr daran gewöhnt, mir gegenüber argwöhnisch zu sein, dass du dir schon gar nicht mehr vorstellen kannst, dass jetzt etwas anders sein könnte. Lass es mich auf den Punkt bringen, Bruder: Du hast keinen Bock auf diese Sache, weil du mir nicht vertraust.«
Womit Ahmid den Nagel auf den Kopf trifft. Trotzdem zögert Pirlo, das zu bestätigen. Es ist das ewige Familiendilemma: Sogar, wenn es eigentlich einfach ist, bleibt es kompliziert.
Ahmid senkt den Blick. Er wirkt ernsthaft betroffen. »Um ehrlich zu sein, dachte ich mir das schon.«
Sofort stellen sich Pirlos Nackenhaare auf. Dafür sorgt allein der veränderte Tonfall von Ahmids Stimme. Die Anspannung verschärft sich, als der noch einmal auf die Uhr sieht. »Ich habe mir daher erlaubt, mir Unterstützung zu suchen.«
Pirlo ruckelt hektisch mit seinem Tropf auf ihn zu. »Du hast jetzt aber nicht Hamza hierher beordert, wenn ich in einem solchen Zustand bin? Den Jungen übrigens hoffentlich auch nicht!«
»Nein«, beschwichtigt ihn Ahmid. Dann zwinkert er. »Mir ist jemand viel Besseres eingefallen.«
»Marr-haba, Ramzes«, sagt eine kratzige Stimme in Pirlos Rücken. Als er versucht, Ahmid mit seinem Blick zu töten, grinst sein Bruder nur.
»Tut mir leid, akin. Aber das hier ist mir...
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