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Mit Silber ließ sich im Mittelalter im Grunde alles kaufen. Essen und Trinken im Überfluss, vielleicht ein großes Fass mit gutem Wein oder sogar exotische Gewürze aus dem fernen Morgenland. Wer reich genug war, konnte damit Häuser, Burgen und Schlösser bauen lassen, Soldaten und Söldner anheuern, Kriege führen, aber auch Reliquien kaufen, Prostituierte bezahlen, Adelige und Kleriker bestechen - oder im ungünstigsten Fall auch alle seine Münzen beim Glücksspiel verlieren. Sogar die Wahl zum König hatte letztlich ihren Preis. Wer also Silber hatte, konnte sich ein gutes Leben leisten. Doch das waren die wenigsten, allen anderen blieb letztlich nur der Traum vom Reichtum.
Die allermeisten Menschen kannten das Edelmetall nämlich nur vom Hörensagen. Silber war im Mittelalter zwar ein fester Bestandteil der vielen Geschichten von sagenhaftem Reichtum fremder Herrscher oder von Prinzessinnen und Rittern - aber echtes Silber hatte bis ins Spätmittelalter hinein nur eine Minderheit der Bevölkerung wirklich in der Hand gehabt. Höchstens hatten die Untertanen in der feudalen Gesellschaft jener Zeit es schon einmal aufblitzen sehen: bei einem festlichen Umzug eines Grafen vielleicht, dem sie womöglich als Leibeigene zu Dienst verpflichtet waren. Oder eben auch bei einem sonntäglichen Gottesdienst, in dem der Priester beim Abendmahl einen silbernen Kelch in die Höhe reckte, in welchem sich nach christlicher Erzählung das große Wunder von der Wandlung des Weins in das Blut Christi vollzog. Was der Mann der Kirche da in den Händen hielt, war nicht weniger als ein Kelch voller Wunder. Und dieser war schon in frühen Zeiten mindestens aus kostbarem Silber gefertigt, manchmal war er sogar noch zusätzlich vergoldet. Was für ein Anblick!
Aber es blieb eben zumeist nur beim Anschauen und Staunen: Das glänzende Edelmetall gehörte den Reichen, den Adeligen, den Klerikern. Wenn es im Alltag darum ging, dringend benötigte Waren wie vor allem Lebensmittel zu erwerben, blieb über lange Zeit der Tauschhandel das Mittel der Wahl. Nur wenn der nicht mehr funktionierte, weil die Waren über weite Strecken transportiert werden mussten, also erst in der nächsten Stadt oder gar in anderen Ländern wieder verkauft wurden, war der Griff zur Münze notwendig. Doch auch dann hielten die meisten Menschen im Mittelalter überwiegend Kupfer- oder Blechmünzen in den Händen. Denn der Wert einer durchschnittlichen Silbermünze überstieg mühelos den Preis für ein Brot oder ein paar eingesalzene Heringe auf dem Markt des nächsten Nachbarstädtchens. So ein wertvolles Geldstück kam deshalb nur bei bedeutenden Geschäften zum Einsatz.
Schon eine einzelne Silbermünze, abhängig von ihrer Größe und ihrem Gewicht, konnte einen Unterschied machen zwischen hungrig und satt sein, ein einziges dieser Geldstücke also womöglich eine Familie vor dem Verhungern retten. Mehrere, gar Dutzende Silbermünzen veränderten dann schon das komplette Leben. Das war im Mittelalter keine neue Erfahrung, denn schon in der Antike wurde Silber gefördert und verarbeitet, die Griechen, Römer und Ägypter schätzten es ebenso wie die Stämme Germaniens. Und wie schon im Altertum blieb das Silber neben dem Gold auch in der mittelalterlichen Welt das begehrteste Metall. Gold war und blieb allerdings immer ein Schatz, eine Ware, kein Gegenstand des alltäglichen Handelns. Gekauft und bezahlt wurde in Silber in Form von Münzen oder Barren.
So war und blieb das Silber beim Geld und beim Zahlungsverkehr schlicht das Maß der Dinge. Das galt auch für die große Politik. Die politische und klerikale Führungsschicht des Mittelalters setzte das Edelmetall wie selbstverständlich für den Erhalt und den Ausbau der eigenen Macht ein, es war das Schmiermittel ihres politischen Handelns schlechthin. Es herrschte kein Graf, kein Herzog, kein Erzbischof und erst recht kein König und Kaiser, der nicht Zugriff auf mehr oder weniger üppige Silberreserven hatte. Brauchte es zwischen den kleinen und großen Fürsten einen Gefallen oder gar politische und militärische Unterstützung, dann half die nötige Menge Silber nach. So ließ sich beispielsweise der Erzbischof von Köln im 13. Jahrhundert seine Unterstützung der Engländer einst mit viel Silber bezahlen, und einen erheblichen Teil davon ließ er umgehend weiter nach Rom transportieren, um damit wiederum seine eigene Stellung beim Papst zu stärken.[3] Und auch der bayerische Herzog nahm im 13. Jahrhundert gerne das Silber des Königs von Böhmen entgegen, der in seinem Herrschaftsgebiet reich mit diesem Edelmetalle gesegnet war - und sicherte ihm im Gegenzug zu, bei einem möglichen Krieg sich ihm gegenüber neutral zu verhalten. Wie viel im Einzelfall bei dieser Pflege der politischen Beziehungen tatsächlich gezahlt wurde, lässt sich rückblickend nicht immer klären, aber die erwähnte Zahlung des böhmischen Königs war vor acht Jahrhunderten so umfangreich, dass ein Zeuge des Geschehens, ein Chronist aus dem bayerischen Kloster Fürstenfeld, beeindruckt notierte:[4] »Ich selbst habe gesehen, wie der König auf einem Wagen ein mit Silber angefülltes Faß . nach Straubing sandte, und wenn ich diese riesige Summe nicht selbst gesehen hätte und ein anderer hätte mir davon erzählt, so würde ich demselben ohne Zweifel nicht geglaubt haben.«
Selbst bei deutschen Königswahlen, bei denen sich die Kandidaten stets die Gunst der mächtigen Kurfürsten sichern mussten, floss offensichtlich zuweilen reichlich Silber. Zwar wissen wir heute nicht mehr genau, in wie vielen Fällen das tatsächlich geschah, aber ganz sicher war es der Fall bei der Doppelwahl des Jahres 1198, bei der sich die Herrscherhäuser der Staufer und der Welfen um die Macht im Reich stritten. Philipp von Schwaben wurde damals nur durch den Einsatz riesiger Bestechungsgelder zum König erkoren, die wiederum Kölner Kaufleute und Geldmakler aus England in das Stauferreich vermittelt hatten.[5]
Auch die Päpste, die ja ebenfalls massiv am großen Spiel der Politik beteiligt waren, bauten zielstrebig ihre Silbervorräte aus und setzten sie für ihre Zwecke ein. So ließ sich im 14. Jahrhundert der in Avignon residierende Papst Johannes XXII. (wohl 1245 - 1334) die ihm zustehenden Beiträge der Kirchen aus den verschiedenen Teilen Europas selbstverständlich in Silber liefern - in diesem Fall in Form von Barren, weil diese leichter zu transportieren waren. Insgesamt, so wurde nach seinem Tod errechnet, erhielt der Kirchenfürst während seines Pontifikats so über eine Tonne des wertvollen Metalls.[6] Das war auch für einen Kirchenfürsten des Mittelalters eine überdurchschnittliche Summe, aber dieser Papst galt ja schließlich auch als einer der reichsten Herrscher des Kontinents.
Die Kirche benötigte das Silber aber nicht nur für die Absicherung von bischöflicher und erst recht päpstlicher Macht, sondern auch für den Aufbau der kirchlichen Infrastruktur. Denn die Errichtung von Kirchen wie auch deren Ausstattung waren kostspielig. Und so galt es stets als gottgefälliges Werk, der Kirche für diese Zwecke Geld zu spenden. Eine solche Zuwendung konnte Teil einer Buße sein und diente - so die Hoffnung der gläubigen Christen - als Mittel zur Rettung des eigenen Seelenheils. Ein Chronist des 12. Jahrhunderts berichtete von einem Mann, der seinem im Sterben liegenden Freund von der Gastfreundschaft der Benediktiner im Kloster Maria Laach berichtet - worauf dieser den Mönchen seine Hinterlassenschaft von vierzig Silbermark »zum Heil meiner Seele« vermachte.[7]
Was nun aus Sicht eines guten Christenmenschen moralisch oder unmoralisch erschien, wenn es um Geld ging, auch darüber entschied die Kirche. Sie sorgte dafür, dass am Silber einerseits ein historischer Makel haftete. Schließlich waren es einst dreißig Silberlinge, für die nach christlicher Überlieferung Judas Iskariot den Verrat an Jesus begangen haben soll - der »Judaslohn« bestand also aus Silbermünzen. Andererseits wies die Kirche den Weg zu einer gottgefälligen Verwendung von Geld. Dazu zählte beispielsweise der Erwerb kostbarer Reliquien. In diesem Sinn berichtete im 13. Jahrhundert der Chronist Caesarius von Heisterbach von einem Kaufmann, der ins Heilige Land gereist war und dort eine Armreliquie von Johannes dem Täufer entdeckt hatte. Der Geliebten des Besitzers machte er deshalb ein Angebot, das sie angeblich nicht ablehnen konnte:[8] »Wenn Du dafür sorgst, daß ich in den Besitz der Reliquie von Johannes dem Täufer komme, die Dein Liebhaber bewacht, werde ich Dir 140 Pfund Silber geben.«
Silber war wertvoll, weil es eine begrenzte Ressource war. Es kam zwar in der Natur vor, musste aber in den allermeisten Fällen aufwendig gewonnen werden. Und es war im Mittelalter nicht erlaubt, einfach selbst nach Silber zu graben. Könige und Kaiser reklamierten aufgrund des sogenannten Bergregals das alleinige Verfügungsrecht über alle Bodenschätze für sich. Wenn sie einem anderen Landesherrn in ihrem Reich den Abbau von Bodenschätzen erlaubten und also auf ihr Recht für bestimmte Orte oder Regionen verzichteten, ließen sie sich...
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