Schweitzer Fachinformationen
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Das Klacken meiner Absätze hallt durch die dunkle Gasse und lässt mich mehr als ein Mal umblicken. Meine eigene Geräuschkulisse könnte meinen Gehörsinn trüben. Man könnte mich verfolgen und ich würde es nicht einmal merken. Für den letzten Augusttag des Jahres ist es viel zu kühl und nur das Leder meiner schwarzen Jacke hält meine Haut warm.
Zwischen den Häusern sitzt der Geruch des Salzwassers fest, obwohl der Hafen einige Straßen weit entfernt ist. Es riecht nicht nach Strand und Meer, eher modrig. Die Feuchtigkeit liegt schon zu lange an den Gemäuern und fordert ihren Tribut. Die Luft ruht klamm auf meinem Gesicht und lässt mich um mein Make-Up trauern. Je näher ich meinem Ziel komme, umso mehr Gerüche mischen sich unter. Eine Mix, der mich fast auf dem Absatz kehrt machen lässt. Allein der Gedanke, für eine letzte Nacht einfach nur ich sein zu dürfen, lässt mich meinen Weg fortsetzen.
Eine Dunstwolke aus Alkohol, Erbrochenem, Schweiß und Urin umgibt den Eingang zu diesem gottverlassenen Ort. Auf dem Neonschild über dem Türrahmen leuchten nur noch einzelne Buchstaben und auch diese flackern schon, bereit zum Sterben. Mich interessiert nicht wie diese Absteige heißt, solang sie ihren Zweck erfüllt.
Den letzten tiefen Atemzug verkneife ich mir und greife eher zögerlich nach der Türklinke. Das Würgegeräusch kann ich mir nicht verkneifen, als sich auf meiner Handfläche eine klebrige Konsistenz breitmacht. Meine Nase angewidert rümpfend, schüttle ich den Ekel ab und erörtere nicht, welche unerforschte Lebensform sich nun heimisch auf mir einrichtet.
»Sei keine Prinzessin. Niemand kennt dich hier. Jedem hinter dieser Tür ist es egal, woher du kommst oder wohin du gehst«, erinnere ich mich in Gedanken.
Die Tür lässt sich nur schwer öffnen und knarrt verheißungsvoll. Ein richtiger Willkommensgruß für meine persönliche Trauerfeier über den Verlust meines alten Lebens. Das Interieur dieser Bar passt weder in mein vergangenes noch in mein neues Dasein. Der gesamte Raum ist nur schummrig beleuchtet und ich kann nicht mal die Leute in der hintersten Ecke ausmachen. Es bietet den perfekt neutralen Boden.
Wie erwartet sieht sich niemand nach dem Neuankömmling um. Lediglich der alte Mann hinter dem Tresen sieht für einen Moment auf. Er zieht verwundert die Augenbraue hoch und schüttelt leicht den Kopf, als er das Glas in seiner Hand weiter mit einem verdreckten Tuch poliert. In mir regt sich der leise Verdacht, dass sich an jedem Glas die Bakterien der fünf Vortrinker tummeln und freudig vermehren. Das gleiche hygienische Phänomen lässt sich auf die Gäste übertragen. Einige sehen aus, als würden sie schon Tage hier hausen. Die meisten scheinen wirklich im Glauben zu leben, dass Alkohol ein Allheilmittel ist. Heute Abend werde ich mit dieser Auswahl an männlichen Wesen kein letztes Abenteuer erleben. Nicht, dass ich es in dieser Gegend erwartet hätte, aber es wäre ein netter Nebeneffekt gewesen. Morgen ist mein erster Arbeitstag und ich sollte mir nichts mehr zu Schulden kommen lassen.
Der Mann hinter dem Tresen, denn Barkeeper kann man zu ihm nun wirklich nicht sagen, grinst mich breit an, und wo einst seine Schneidezähne saßen, klafft nun eine große Lücke. Die restlichen Zähne werden bald folgen, so braun wie sie sind. Er stopft ein Ende des Handtuchs unter den Saum seiner Hose und stellt das Glas über sich ins Regal. Seine zottligen grauen Haare sind im Nacken lose zu einem Zopf gebunden und sein Rauschebart beherbergt die Reste seines Mittagessens und lässt vermuten, dass er einmal schwarze Haare hatte. Ich gehöre hierher wie ein Stück Metall in die laufende Mikrowelle. Es ist leicht vorauszusehen, dass Funken fliegen werden und es vielleicht auch etwas knallt. Ein bisschen Ärger hat noch nie jemanden umgebracht.
Den Gedanken ignorierend dringe ich weiter in die Fluchtstätte der genervten Ehemänner und Versager ein. Einigen ist mittlerweile aufgefallen, dass ich nicht einer ihrer üblichen Saufkumpanen bin, sondern eine Frau. Eine echte noch dazu, keine Gespinst ihrer Tagträume. Das reicht aus, dass ein Großteil auffallend unauffällig versucht, die Eheringe vom Finger zu ziehen. Ich mag vieles sein, aber sicher keine Ehebrecherin, und so streiche ich über ein Dreiviertel der anwesenden Männer von meiner Liste möglicher Ablenkungen. Das widerliche Grinsen des Barmannes ist keine Erwiderung wert und so trete ich ohne großes Tamtam an den Tresen, genauestens darauf bedacht, diesen Bakterienherd nicht zu berühren. Hygienestandard scheint hier ein Fremdwort zu sein oder der vorwiegend hochprozentige Alkohol tötet jede Bakterie und jedes Virus im Keim. Am wahrscheinlichsten ist jedoch, dass das Gesundheitsamt eine ordentliche Summe Schmiergeld kassiert.
»Was kann ich dir anbieten, Prinzesschen? Sekt ist leider aus«, fragt mich der heruntergekommene Weihnachtsmann im versifften Unterhemd hämisch. Meine Freundlichkeit, wenn überhaupt vorhanden, verabschiedet sich nun gänzlich. Ich meine, Prinzesschen? Sehe ich aus wie ein Prinzesschen? Mein Make-Up alleine sieht nicht nach Unschuld vom Lande aus. Meine schwarzen Stiefel mit dem hohen Absatz, meine Lederleggings und das dunkelgraue Top mit einem schwarzen Totenkopfaufdruck lassen auch nicht auf ein Gretchenverhalten schließen. Das Lächeln des Barmanns schwankt gewaltig, als ihn mein humorloser Blick trifft. Meine manikürten Fingernägel bohren sich in meine Handflächen und nur widerwillig lockern sich meine zu Fäusten geballten Hände. Mich würde nicht wundern, wenn man meine Wut einige Meter um mich herum spüren kann. Mein Temperament droht immer mit mir durchzugehen, wenn ich von Männern unterschätzt werde, nur weil ich eine Frau bin. Das Wort »Hass« beschreibt dieses Gefühl nicht mal annähernd.
»Ein Whisky, wenn möglich ohne Herpes«, sage ich und fahre zur Unterstreichung meiner Aussage mit meinem Zeigefinger über die verdreckte Oberfläche. Mehrere Köpfe drehen sich nach mir um, als sie mich hören. Mehr als einmal wurde mir gesagt, dass allein meine Stimme einen Mann schwach machen kann. Sie ist rau und kalt, und selbst wenn ich flüstere, versteht man mich glasklar.
Mein Finger ist mit Staub und Schmiere überzogen. Bittere Galle steigt mir in den Rachen, doch zwinge ich sie wieder herunter. In welchem Moment fand ich das noch eine gute Idee? Die unbekannten Lebensformen wische ich am Shirt eines komatösen Mannes neben mir ab. Sein kariertes Hemd erscheint mir allemal reinlicher als das Tuch des Mannes hinter der Bar. Wenn schon kein anständiger Mann vorzufinden ist, dann trinke ich mir meine Situation eben schön. Auch gut.
»Gott, ich will wieder in die schicken Clubs. Die gemütlichen Bars. Die teuren Restaurants«, schwelge ich in Erinnerungen. Diese Zeiten sind vorbei und für immer fort. Doch wie immer formt sich ein schwerer Klumpen in meinem Magen. An dieser Situation bin ich selbst schuld. Zu dieser Sekunde bin ich niemand und ab morgen ganz offiziell Sophie Schmidt. Als mir der Name zugeteilt wurde, war der Beamte entweder high oder hatte kein Bild von mir vor sich. Was ich mir bei meiner Aktenlage nicht vorstellen kann. Ich muss ganze Aktenschränke bei denen füllen, so lange wie ich sie schon auf Trapp halte. Ich bin zweiundzwanzig und bin seit acht Jahren aktenkundig.
Doch Sophie passt nicht zu mir. Wenn ich an den Namen Sophie denke, sehe ich eine zierliche, blasse Frau mit funkelnd blauen Augen vor mir, die Freude am Leben hat. Ganz unschuldig im weißen Kleidchen und Blumen im wehenden Haar. Das ganze Gegenteil von mir.
Meine langen Haare reichen mir inzwischen bis unter das Schulterblatt. Mittlerweile brauche ich mindestens zwei Packungen, wenn ich mir meine naturrote Mähne blond färbe. Und mit meinen fast ein Meter achtzig steche ich als Frau meist aus der Masse. Meine zynische Persönlichkeit passt ebenfalls nicht in das Bild.
»Hier«, raunzt der Mann und schiebt mir einen Drink zu. Ich nehme einen großen Schluck und verziehe zischend das Gesicht, als sich der billige Fusel bitter meine Kehle herunter arbeitet.
PLONK
Das erste Mal, seit ich durch diese Tür getreten bin, schlägt mein Herz vor Aufregung schneller.
Ich beiße mir auf die Unterlippe, damit mein Grinsen keinen ganzen Kreis zieht.
Ich folge dem Geräusch sehnsüchtig mit bereits zuckenden Fingern.
So muss sich Columbus gefühlt haben, als er Amerika entdeckt hat. Ein paar Dartscheiben haben mich noch nie so glücklich gemacht. Ein sanfter Schock der Erleichterung durchfährt jede Faser meines Körpers. Es ist sicher nicht mein übliches Spielzeug, aber es ist etwas.
»Habt ihr hier Dartpfeile zum Ausleihen?«, frage ich den Weihnachtsmannverschnitt fast schon nett über meine Schulter. Ohne etwas zu sagen, dreht er sich um und kramt im Schrank hinter sich, bis er ein Set Pfeile findet und sie mir ebenso wortlos überreicht. Die Wurfgeschosse sind gut benutzt und ziemlich zerschlissen. Ich drücke eine der Spitzen gegen die Haut meines Daumens. Sie könnten einen neuen Schliff vertragen, aber in meinen Händen sind es dennoch gefährliche Instrumente.
»Verletz dich nicht, Prinzesschen«, lacht der Barmann auf und ein paar Trunkenbolde um ihn herum stimmen ein. Da haben wir es wieder, Männer die mich unterschätzen. Das »Prinzesschen« nicht zu vergessen.
»Keine Sorge, das werde ich nicht«, flüstere ich kühl. Inzwischen liegen schon einige Schritte zwischen dem Tresen und mir. Ich wende mich noch einmal den Männern an der Bar zu. Der Alte steht zwischen zwei stark...
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