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Mariannes Anlagen glichen denen Elinors in vieler Hinsicht. Sie war empfindsam und klug; aber in allem überschwänglich. In ihrem Schmerz und in ihrer Freude konnte sie sich nicht mäßigen. Verstand und Gefühl erzählt die Geschichte der ungleichen Schwestern Elinor und Marianne: Die eine ist zurückhaltend, selbstbeherrscht und lässt sich nicht leicht von Gefühlen den Kopf verdrehen, während die andere impulsiv und voller Leidenschaft der unbedingten Liebe nachjagt. Beide treffen auf Männer, die ihre Welt aus den Fugen heben - und beide müssen schmerzhaft erfahren, dass das Glück nicht nur eine Frage des eigenen Gefühls ist. Doch gemeinsam stellen sie sich den Untiefen der Liebe und finden Stärke in der jeweils anderen. Um schließlich das Glück da zu finden, wo sie es nicht vermutet hätten .
»Marianne Dashwood schaut auf graue Wolken und sieht nichts als blauen Himmel. Das ist schön und recht und eine Eigenschaft, die man hoffentlich niemals ganz verliert. Aber ein bisschen davon muss man verlieren; sonst läuft man Gefahr, nass zu werden.« Emma Thompson
Seit langer Zeit schon war die Familie Dashwood in Sussex ansässig. Sie verfügte über ausgedehnten Landbesitz, dessen Mittelpunkt das Herrenhaus von Norland Park bildete. Dort hatten sie seit vielen Generationen so ehrbar gelebt, daß sie sich in der ganzen Nachbarschaft eines guten Rufes erfreuten. Der verstorbene Eigentümer dieses Anwesens, ein Junggeselle, war sehr alt geworden und hatte in seiner Schwester viele Jahre lang eine treue Gefährtin und Haushälterin gehabt. Aber ihr Tod, der zehn Jahre vor seinem eigenen eintrat, führte in seinem Haus zu großen Veränderungen. Denn um diesen Verlust zu ersetzen, lud er die Familie seines Neffen Mr. Henry Dashwood ein und nahm sie in sein Haus auf; dieser war der rechtmäßige Erbe der Besitzungen von Norland, und ihm wollte sie sein Onkel auch vermachen. In der Gesellschaft seines Neffen, seiner Nichte und deren Kinder verbrachte der alte Herr seine Tage in großer Zufriedenheit. Seine Angehörigen wuchsen ihm immer mehr ans Herz. Die beständige Aufmerksamkeit, mit der Mr. und Mrs. Dashwood seinen Wünschen begegneten, ging nicht auf bloßes Eigeninteresse, sondern auf wirkliche Herzensgüte zurück und gewährte ihm alle erdenkliche Bequemlichkeit, die er in seinem Alter noch erlangen konnte, und die Fröhlichkeit der Kinder gab seinem Leben noch einen zusätzlichen Reiz.
Aus einer früheren Ehe hatte Mr. Henry Dashwood einen Sohn, von seiner jetzigen Frau drei Töchter. Der Sohn, ein gesetzter, angesehener junger Mann, war durch das beträchtliche Vermögen seiner Mutter, dessen eine Hälfte ihm bei seiner Volljährigkeit übertragen wurde, reichlich versorgt. Durch seine Heirat, die kurz darauf erfolgte, wurde er noch wohlhabender. Für ihn war es daher nicht so wichtig, das Erbe von Norland anzutreten, wie für seine Schwestern; denn ohne das, was ihnen zufallen würde, wenn ihr Vater den Besitz erbte, konnte ihr Vermögen nur sehr gering sein. Ihre Mutter besaß nichts, und ihr Vater hatte nur siebentausend Pfund zur eigenen Verfügung: denn die verbleibende Hälfte vom Vermögen seiner ersten Frau sollte ebenfalls ihr Kind bekommen, und ihm selbst stand nur eine lebenslange Rente davon zu.
Der alte Herr starb; sein Testament wurde verlesen, und wie fast jedes andere Testament rief es ebensoviel Enttäuschung wie Freude hervor. Er war weder so ungerecht noch so undankbar, daß er seinem Neffen den Besitz vorenthalten hätte – aber er hinterließ ihn ihm zu Bedingungen, die diesen um den halben Wert seiner Erbschaft brachten. Mr. Dashwood hatte ihn sich mehr seiner Frau und seiner Töchter willen als um seiner selbst oder seines Sohnes willen gewünscht: aber gerade seinem Sohn und dem Sohn seines Sohnes, einem vierjährigen Kind, war er vorbehalten, und zwar so, daß ihm selbst keine Möglichkeit blieb, etwa durch die Aufnahme einer Hypothek auf den Besitz oder den Verkauf der wertvollen Wälder für die zu sorgen, die ihm am meisten am Herzen lagen und die einer Versorgung am dringendsten bedurften. Alles war zugunsten dieses Kindes festgelegt, das bei gelegentlichen Besuchen seiner Eltern in Norland durch Reize, die bei zwei- oder dreijährigen Kindern keineswegs ungewöhnlich sind – durch kindliches Gestammel, durch das unbeirrbare Verlangen, seinen Willen durchzusetzen, eine Menge lustiger Streiche und viel Lärm –, seinen Onkel mehr für sich eingenommen hatte, als es die Aufmerksamkeiten, die ihm von seiner Nichte und ihren Töchtern jahrelang erwiesen worden waren, vermocht hatten. Er wollte jedoch nicht unfreundlich sein, und als Zeichen seiner Zuneigung zu den drei Mädchen vermachte er einem jeden eintausend Pfund.
Zunächst war das eine herbe Enttäuschung für Mr. Dashwood, aber er hatte ein heiteres und zuversichtliches Naturell und durfte billigerweise hoffen, noch viele Jahre zu leben und durch sparsame Lebensweise eine beträchtliche Summe von dem Ertrag eines bereits ausgedehnten und in nächster Zeit noch erweiterungsfähigen Besitzes beiseite legen zu können. Aber der Reichtum, der so lange auf sich hatte warten lassen, sollte ihm nur für ein Jahr gehören. Länger überlebte er seinen Onkel nicht, und zehntausend Pfund, einschließlich der letzten Legate, war alles, was seiner Witwe und seinen Töchtern blieb.
Als man erkannte, wie ernst es um ihn stand, wurde nach seinem Sohn geschickt, und ihm legte Mr. Dashwood mit allem Nachdruck und aller Eindringlichkeit, die ihm bei seiner Krankheit noch zu Gebote standen, das Wohl seiner Stiefmutter und seiner Schwestern ans Herz.
Mr. John Dashwood war nicht so empfindsam wie die übrige Familie, aber eine solche Bitte zu einem solchen Zeitpunkt berührte ihn doch, und er versprach, alles in seiner Macht Stehende zu tun, damit sie angenehm leben könnten. Sein Vater war durch diese Versicherung beruhigt, und Mr. John Dashwood hatte dann Zeit, sich Gedanken zu machen, wie viel für sie zu tun vernünftigerweise in seiner Macht stehen konnte.
Er hatte keine schlechte Gesinnung, es sei denn, eine gewisse Kaltherzigkeit und ein gewisser Egoismus sind ein Beleg dafür. Aber er war im allgemeinen gut angesehen, kam er doch all seinen gewöhnlichen Pflichten mit Anstand nach. Hätte er eine liebenswertere Frau geheiratet, so wäre er vielleicht noch angesehener gewesen: – vielleicht wäre er sogar liebenswert geworden, denn als er heiratete, war er noch sehr jung und seiner Frau sehr zugetan. Aber Mrs. John Dashwood war ein wahres Zerrbild seiner selbst – noch engherziger und noch egoistischer.
Als er seinem Vater sein Versprechen gab, erwog er insgeheim, das Vermögen seiner Schwestern durch ein Geschenk von je eintausend Pfund zu vermehren. Dazu hielt er sich zu diesem Zeitpunkt wirklich für fähig. Angesichts der viertausend Pfund im Jahr, die zu seinem gegenwärtigen Einkommen und der verbleibenden Hälfte vom Vermögen seiner Mutter hinzukommen sollten, wurde es ihm ganz warm ums Herz, und er glaubte, großzügig sein zu können. – Ja, er würde ihnen dreitausend Pfund geben! Das wäre großzügig und nobel, genug für sie, um davon völlig sorgenfrei zu leben. Dreitausend Pfund! Er könnte eine so beträchtliche Summe erübrigen, ohne dadurch in große Verlegenheit zu geraten. – Den ganzen Tag und noch viele weitere Tage dachte er darüber nach und bereute seinen Entschluß nicht.
Kaum war das Begräbnis seines Vaters vorüber, da traf Mrs. John Dashwood mit ihrem Kind und ihren Bediensteten ein, ohne zuvor ihre Schwiegermutter über ihre Absicht unterrichtet zu haben. Niemand konnte ihr das Recht zu kommen streitig machen; seit dem Augenblick, da sein Vater verstorben war, gehörte das Haus ihrem Mann; aber die Taktlosigkeit ihres Benehmens mußte einer Frau in Mrs. Dashwoods Lage, auch wenn sie nicht besonders feinfühlig war, höchst unangenehm sein – aber sie besaß ein so ausgeprägtes Ehrgefühl, eine so romantische Großmut, daß jede Beleidigung dieser Art, wer immer sie begangen oder erfahren haben mochte, für sie eine Quelle unversiegbaren Abscheus darstellte. Mrs. John Dashwood war bei niemandem in der Familie ihres Mannes je besonders beliebt gewesen, aber sie hatte bisher noch keine Gelegenheit gehabt, ihnen zu zeigen, wie rücksichtslos gegenüber dem Wohlbefinden anderer sie handeln konnte, wenn es die Situation erforderte.
Mrs. Dashwood empfand dieses unfreundliche Benehmen so heftig und verachtete ihre Schwiegertochter so inbrünstig dafür, daß sie bei deren Ankunft ein für allemal ausgezogen wäre, hätte sie nicht auf Drängen ihrer ältesten Tochter erst noch einmal nachgedacht, ob es schicklich sei zu gehen; und ihre zärtliche Liebe zu ihren drei Kindern bewog sie dann, doch zu bleiben und ihretwegen einen Bruch mit deren Bruder zu vermeiden.
Elinor, die älteste Tochter, deren Rat eine solche Wirkung zeitigte, besaß einen scharfen Verstand und ein nüchternes Urteilsvermögen, die sie trotz ihrer erst neunzehn Jahre zur Ratgeberin ihrer Mutter befähigten und sie häufig in die Lage versetzten, zum Vorteil aller jenem Gefühlsüberschwang Mrs. Dashwoods entgegenzuwirken, der sonst zu Unbedachtsamkeit geführt hätte. Sie hatte ein edles Herz, ein gütiges Wesen und starke Gefühle; aber sie wußte sie zu beherrschen – eine Fähigkeit, die ihre Mutter noch lernen mußte und die eine ihrer Schwestern entschlossen war sich niemals lehren zu lassen.
Mariannes Anlagen glichen denen Elinors in vieler Hinsicht. Sie war empfindsam und klug; aber in allem überschwenglich. In ihrem Schmerz und in ihrer Freude konnte sie sich nicht mäßigen. Die Ähnlichkeit zwischen ihr und ihrer Mutter war bemerkenswert ausgeprägt.
Mit Sorge sah Elinor das Übermaß an Gefühl bei ihrer Schwester, aber Mrs. Dashwood schätzte und hegte es. Sie bestärkten sich jetzt gegenseitig in der Heftigkeit ihres Unglücks. Die Leidensqual, die sie zunächst überwältigt hatte, wurde nun bewußt erneuert, herbeigesehnt und immer wieder erzeugt. Sie gaben sich ganz ihrem Kummer hin, suchten ihr Elend durch jeden sich bietenden Gedanken zu steigern und waren entschlossen, selbst in Zukunft niemals Trost zuzulassen. Auch Elinor war tief betrübt; aber noch konnte sie kämpfen, konnte sich zusammenreißen. Sie konnte sich mit ihrem Bruder besprechen, ihre Schwägerin bei deren Ankunft empfangen und sie mit gebührender Höflichkeit behandeln und sich bemühen, ihre Mutter zu ähnlicher Selbstüberwindung zu bringen und zu ähnlicher Nachsicht zu ermuntern.
Margaret, die andere Schwester, war ein gutmütiges, umgängliches Mädchen; aber da sie bereits viel von Mariannes romantischen Neigungen in sich aufgesogen hatte, ohne freilich viel von deren Verstand zu besitzen, versprach sie mit dreizehn nicht gerade, ihren Schwestern später...
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