Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Als einer unserer Kunden in das Leitungsteam eines internationalen Finanzinstituts nach Deutschland berufen wurde, gab es bei jeder Sitzung einen Standard-Tagesordnungspunkt: Fälle von Burn-out. Hinsichtlich der für dieses Thema aufgebrachten Zeit war das ein wichtiger Faktor, aber die Ressourcen, die man jedes Mal investierte, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, war noch der geringste Kostenpunkt. Für die Organisation waren die Kosten von Burn-out - sowohl in menschlicher als auch in finanzieller Hinsicht - immens.
Im Gegensatz zu den USA ist Burn-out in Deutschland kein Leiden, über das man vielleicht in der Teeküche jammert. Es wird sehr ernst genommen und hat für die Organisationen, in denen die Betroffenen arbeiten, sowie für die Wirtschaft ernste Konsequenzen. Die Betroffenen werden krankgeschrieben und erhalten sechs Wochen lang Entgeltfortzahlungen, danach übernimmt die Krankenkasse die Zahlung von Krankengeld für maximal 1,6 Jahre. So lange bleibt der Arbeitsplatz für sie reserviert, und sobald eine betroffene Person zurückkehrt, sorgt eine durchstrukturierte Wiedereingliederung dafür, dass die Arbeitslast Schritt für Schritt angehoben wird, beispielsweise zehn Arbeitsstunden in der ersten Woche, fünfzehn in der zweiten etc. Aus Sicht der Betroffenen ist das ein klug konzipierter Prozess, der häufig funktioniert. Und dennoch besteht noch lange nach ihrer Rückkehr an den Arbeitsplatz die Unsicherheit, ob die Person wieder in der Lage sein wird, dem Druck standzuhalten. Jemand, der oder die bisher eine verlässliche Größe im Team war, wird zu einem unsicheren Kandidaten.
Im Jahr 2015 schätzte das Gallup Institut die Kosten von Burn-out in der deutschen Wirtschaft auf ca. 9 Milliarden jährlich. Das betrifft nicht nur Deutschland, 30der Trend zeigt sich auch in anderen Ländern, insbesondere, nachdem sich die Arbeitswelt nach der Pandemie verändert hat.
Im Gegensatz zu der landläufigen Annahme leiden unter Burn-out nicht nur diejenigen, die sich auf dem unteren Teil der Nahrungskette in der Organisation befinden. Eine jüngste Untersuchung von Deloitte ergab, dass mehr als zwei Drittel der C-Suite- (also der obersten) Führungskräfte darüber nachdachten, aufgrund von Burn-out ihr Unternehmen zu verlassen.
Sogar schon vor der Pandemie zeichnete sich dieser Trend ab. Unser Kunde aus Deutschland formulierte es folgendermaßen: »Ständig hatte ich Gespräche, in denen Leute mir erzählten, dass sie überarbeitet seien, diese Person überarbeitet und jene krank sei. Die Unterhaltung hatte jedes Mal einen negativen Ton. Immer hieß es >Wir brauchen das< oder >Warum haben wir nicht jenes?<, anstatt: >So werden wir die vorhandenen Ressourcen einsetzen<. Die Leute waren einfach erschlagen.«
Hier kommen verschiedene Faktoren ins Spiel. Einer davon ist die anfallende Menge an Arbeit. Einer Untersuchung von Martin Hilbert und Priscilla Lopez zufolge haben wir Mitte der 1980er-Jahre pro Tag Informationen im Umfang des Inhaltes von 40 Tageszeitungen aufgenommen. Im Jahr 2007 hatte sich die Menge mehr als vervierfacht. Seitdem wird der Datenumfang nicht geringer geworden sein. Die zur Verfügung stehende Zeit, all diese zusätzlichen Informationen zu verarbeiten, kann da leider nicht mithalten.
Ein Großteil dieses Zuwachses lässt sich auf Werbung und Katzenvideos zurückführen, aber das macht die Informationsflut nicht weniger anstrengend. Unserer Erfahrung nach haben sich diejenigen Informationen, die eine Bearbeitung nötig machen, nicht deutlich vermehrt. Allerdings ist die Anzahl der Inputs gestiegen, bei denen wir beschließen, zu reagieren: beispielsweise E-Mails in cc, Gruppenchats, Messages und die Kaninchenlöcher der sozialen Medien.
Was die Arbeit angeht, versuchen wir alle, mit beiden Füßen fest auf dem Boden zu bleiben, während uns die immense digitale Strömung mitreißt. Ohne eine Strategie, wie wir damit umgehen, werden wir umgehauen. Auch wenn Sie noch so intelligent sind - diese Strömung ist viel, viel stärker als jedes Individuum, das allein versucht, sich dagegen zu stemmen. Wie beim Schwimmen brauchen Sie einen Plan, um nicht ins offene Meer hinausgesogen zu werden. Aber was bedeutet »hinausgesogen« in dieser reißenden digitalen Strömung?
Für die oder den Einzelnen bedeutet es, morgens als allererstes und abends vor dem Zubettgehen die digitalen Endgeräte zu checken; zu Sitzungen zu spät zu kommen und nicht ausreichend vorbereitet zu sein; den E-Mail-Eingang auf- und abzuscrollen, um Mails farbig zu markieren oder neu zu markieren; der Interaktion 31mit abwesenden Menschen den Vorrang vor dem Gespräch mit anwesenden einzuräumen; und auf Google die Begriffe »Angststörung«, »Depression« und - genau! - »Burn-out« zu suchen.
Einige legen sich unterschiedliche Inboxes an, um der Flut Herr zu werden, aber im Prinzip sammeln sie nur Posteingänge, was das Problem verschärft. Sie wanken vom Zoom-Meeting zum nächsten Teams-Meeting und zurück - mit voller Blase und häufig ohne die geringste Ahnung, weshalb sie überhaupt an diesen Sitzungen teilnehmen.
Sie sind permanent überlastet und überfordert - schon so lange, dass sie es als »normal« empfinden. Sie haben sich sogar darin eingerichtet. Sie nehmen überhaupt nicht mehr wahr, was es für ihre Familien bedeutet, dass sie bei wichtigen Anlässen nicht da sind, dass sie sich in der Not nicht mehr an Freunde wenden können oder sich ehrenamtlich engagieren. Mit der Menge an Arbeit auf dem Tisch, wie könnten sie es auch schaffen?
Führe dein Geschäft oder es wird dich führen.
BENJAMIN FRANKLIN
Mit dem Anstieg der Informationsmenge ist unser Geist so überfordert, dass wir nicht mehr damit umgehen können. Die anhaltende Erwartung an uns zu reagieren, macht es für uns unmöglich, zu unterscheiden, was wirklich wichtig ist und was nur neu ist und klingelt, um uns zu einer schnellen Reaktion zu verführen. Viele sorgen sich darum, dass sie ihre Nachrichten nicht sofort beantworten, doch eigentlich haben sie nur geringe Bedeutung. Eine sofortige Reaktion ist nur dann nötig, wenn klar wird, dass jemand ineffizient arbeitet und die Kontrolle verloren hat. Der Tagesbefehl lautet: Unterbrechitis. Es scheint, als hätten wir die Fähigkeit verloren, uns mit einer Situation ausreichend lang zu beschäftigen, um uns zu orientieren und uns aus dem Problem herauszunavigieren. Stattdessen sind wir dazu verdammt zu scrollen, zu swipen und zu flicken, um mitzuhalten. Wir sind von der Menge der Informationen überwältigt, und beim Scrollen finden wir so etwas wie ein bisschen Frieden. Doch leider handelt es sich dabei nicht um Frieden, sondern um Dumpfheit. Haben wir aber seit Langem keinen inneren Frieden mehr gespürt, dann werden sich die meisten von uns mit einem ganz dürftigen Ersatz zufriedengeben.
Auch für Teams gibt es viele Anzeichen und Symptome von Burn-out.
Wie jede andere Struktur in der Gesellschaft sind auch Teams dem Druck unterworfen, immer präsent und digital erreichbar zu sein, ebenso verändern sich Teams und ihre Grundzüge. Das kann ein mächtiger Antreiber für Transformation sein oder eine organisatorische Hölle. Beispielsweise haben Teams schon immer Mitglieder 32dazugewonnen oder verloren. Was sich in unserer Welt verändert hat, ist die Geschwindigkeit, mit der Einzelpersonen zu Teams dazustoßen oder wieder verschwinden und wie häufig die Gruppe gezwungen ist, erneut zu entscheiden, was als nächstes zu tun ist. Personelle Veränderungen, die einst zwar hin und wieder vorkamen und manchmal ungelegen waren, gleichen mittlerweile einer Drehtür für die unterschiedlichsten Persönlichkeiten. Die Teamgrenzen sind häufig so schwammig gezogen, dass die Leitung manchmal Schwierigkeiten hat, zu benennen, wie viele Mitglieder ihr Team umfasst. In letzter Zeit beobachten wir den Trend, dass Leute so schnell zu Teams gehören und wieder gehen, dass das Kollegium manchmal nicht sagen kann, wer denn nun bei dem nächsten Offsite dabei sein wird.
Ebenso haben wir beobachten können, dass Führungspersonen eine Teamführung von zwanzig Leuten bestimmen, um jeden mit an Bord zu nehmen. Das resultiert darin, dass die Teamführung dem Untergang geweiht ist, da sie und das »Team« in nicht enden wollenden Meetings viele Punkte endlos wiederholen, um sicherzustellen, dass auch alle angehört werden. Das Ergebnis ist, dass Entscheidungen in langwierigen und komplizierten Prozessen getroffen werden. Doch das ist noch nicht alles - einige dieser Zwanzig aus dem Leitungsteam arbeiten ja auch noch in anderen Teams mit.
Mit der Geschwindigkeit, mit der die Besetzung sich verändert, geht auch einher, dass das vierstufige Phasenmodell für die Teamentwicklung von Bruce Tuckman - Forming, Storming, Norming und Performing - wie nie zuvor auf dem Prüfstand steht. Dieses Modell impliziert, dass das Team lange genug beisammen ist, um alle vier Schritte der Zusammenarbeit zu durchlaufen, doch mittlerweile sind Teams häufig zu instabil, um diese Phasen überhaupt zu bewältigen. Im derzeitigen Zustand brauchen Teams eine bessere Anleitung, schnell in die Lage versetzt zu werden Leistung zu erbringen, bevor sich ihre Zusammensetzung wieder ändert und einige Mitglieder einem anderen Geschäftsbereich zugeschlagen werden.
Eines der größten Probleme für Teams ist der Umfang von Reibung und Rauschen, die Kommunikation und...
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