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Es war ein dunkles und zugleich schillerndes Zeitalter, das in unseren Gefilden herrschte, nachdem das Römische Reich zertrümmert worden war, und es keinen Kaiser mehr gab im Westen. Wenige Jahre, nachdem die Reiterheere der Hunnen unter ihrem Führer Attila von den Völkern des Westens zurückgeschlagen wurden, gab es in den Ländern am Rhein zahlreiche Könige und Königreiche, von denen heute nicht einmal mehr der Name überliefert ist.
Es war auch eine Zeit der Helden, Königinnen und Krieger. Dieses Buch erzählt von einigen dieser Helden und Königinnen, deren Namen bis in unsere Tage herüberhallen. Seine Quellen sind uralte Sagen aus dem Norden Europas. Es sind die Sagen um König Dietrich von Bern und die Nibelungen. Sie handeln von Siegfried und Hagen, von Krimhild und anderen großen Namen. Ihre Taten wurden noch Jahrhunderte später in den Hallen großer Könige besungen. Und noch heute werden sie besungen und gelesen. So kann man auch hier die Geschichten lesen, die so manches von den Geschehnissen des dunklen Zeitalters der Völkerwanderung bewahrt haben.
Die Nibelungen der Sage werden meist mit den Burgundern gleichgesetzt, einem ostgermanischen Volksstamm, der bis zum Jahr 436 am Rhein siedelte und dort fast vernichtet wurde, bevor er sich wenige Jahre später im Gebiet des Genfer Sees ansiedelte. Aber mit größter Wahrscheinlichkeit zogen die historischen Burgunder nicht vom Rhein bis in das Reich der asiatischen Hunnen um dort unterzugehen, wie es das Nibelungenlied erzählt.
In den skandinavischen Erzählungen über die Nibelungen (dort Niflungen genannt) heißen diese niemals Burgunder. Demnach spricht einiges dafür, dass die Nibelungen in Wahrheit nichts mit den Burgundern zu tun hatten, oder nur ein burgundischer Teilstamm waren. Wohin diese Nibelungen aber gezogen sein könnten, falls es sie gegeben haben sollte, werden wir noch berichten.
Seit dem Mittelalter wird ebenso die Meinung vertreten, der legendäre Heldenkönig Dietrich von Bern sei der berühmte Ostgotenkönig Theoderich der Große, der bis 526 n. Chr. in Italien herrschte. Dietrich und Theoderich sind (ebenso wie Didrik oder Thidrek) tatsächlich verschiedene Formen ein und desselben Namens. Doch scheinen beide Könige außer dem Namen kaum etwas gemeinsam zu haben. Das gleiche trifft übrigens auch auf den Frankenkönig Theuderich I. zu, der um dieselbe Zeit lebte und theoretisch ebenfalls als mögliches Vorbild für Dietrich von Bern in Frage kommt.
Deshalb wurde ebenfalls seit dem Mittelalter auch die Vermutung geäußert, dass es neben Theoderich dem Großen einen weiteren König namens Dietrich gegeben haben könnte, der ursprünglich in der Sage besungen wurde. Der erste, der dies äußerte, war der berühmte Frutolf von Michelsberg im 11. Jahrhundert.
Verschiedene Fassungen der Sage, wie das hochdeutsche Nibelungenlied und die nordische Edda und die Völsungasaga, sowie die Thidrekssaga, erzählen die Sagen um Dietrich von Bern überraschend ähnlich, jedoch in verschiedenem Gewand. Dabei scheint vor allem die Thidrekssaga die Geschichten nicht nur vollständig, sondern auch in ihrer reinsten Form bewahrt zu haben. Nach dieser Erzählung kämpften die Nibelungen ihren letzten Kampf in Susat, der heutigen Stadt Soest in Westfalen, und nicht im fernen Ungarn, wie es im mittelhochdeutschen Nibelungenlied erzählt wird.
Die Thidrekssaga erzählt das Leben des Dietrich von Bern in altwestnordischer beziehungsweise altschwedischer Sprache. Die älteste heute noch existierende Abschrift der Thidrekssaga, Membrane (Mb) genannt, dürfte aus dem 13. Jahrhundert stammen. Daneben existieren zwei altwestnordische Texte als isländische Abschriften (IsA, IsB) sowie eine altschwedische Fassung (Didrikschronik) mit zwei ähnlichen Texten (SvA, SvB), deren Abschriften jünger sind.
Es ist bis heute umstritten, ob die Membrane eine der ersten schriftlichen Fixierungen der Thidrekssaga darstellt, oder ob sie auf eine ganze Reihe von älteren Vorgängerversionen zurückblickt. Es wäre dann nicht unwahrscheinlich, dass die ältesten dieser Vorgänger der Thidrekssaga einst in altniederdeutscher Sprache verfasst waren. Möglicherweise liegt ihr Ursprung bei den alten Heldenliedern, die Karl der Große um 800 n. Chr. aufschreiben ließ, die aber heute verschollen sind. Der Sagenforscher Heinz Ritter-Schaumburg (eigentlich Heinz Ritter) stellte auf dieser Grundlage die Hypothese auf, dass die Thidrekssaga, und hier insbesondere die altschwedische Didrikschronik, die ursprünglichste Version der Sage ist und direkt auf Vorgänge in Nordwestdeutschland zurück geht.
Die Nibelungen scheinen der Thidrekssaga zufolge westlich des Rheins gewohnt zu haben. Auf ihrem Zug in den Untergang nach Susat überqueren sie den Rin, wo dieser mit der "Duna" zusammenfließt. Lange nahm man an, diese Flüsse der Sage müssten Rhein und Donau meinen. Da allgemein bekannt ist, dass Rhein und Donau nicht ineinanderfließen, verlor die Sage schon deshalb in den Augen vieler jeden Anspruch auf wahrheitsgetreue Überlieferung.
Mit der Entdeckung einer real existierenden Duna, der heutigen Dhünn (im Mittelalter Dune genannt), die einst in den Rhein mündete, lieferte Ritter ein Fundament für den historischen Kern der Sage. Die Dhünn passt genau auf die Duna der Sage. An ihrer Mündung lag einst eine Furt, die sich zum Überqueren des Rheins eignete. Die Nibelungenburg Vernica fand Ritter in der heute verschwundenen Burg Virnich, nahe Zülpich im Bereich des Flüsschens Neffel. Die ehemalige Furt an der Dhünn-Mündung liegt genau zwischen Burg Virnich und Susat.
Zahlreiche weitere in der Sage genannte Orte, allen voran Bern (=Bonn) und die Musala (Mosel) sprechen ebenfalls für einen Ursprung der Sage im nordwestlichen Deutschland, insbesondere im Rheinland und in Westfalen. Weitere geographische Fixpunkte, die zweifelsfrei in diesen Raum verweisen sind etwa der Osning, der Lürwald und die Weser. Ritter vermutete in diesem Raum den Ursprung der Sage und postulierte, dass sie Chronik historischer Ereignisse ist. Und tatsächlich berichtet die altschwedische Didrikschronik meist sehr nüchtern und ist nahezu frei von italienischen Ortsangaben, sofern man das Rom der Sage mit einer anderen Stadt als der Tibermetropole gleichsetzt.
Demnach wäre Dietrich von Bern eben nicht Theoderich der Große, sondern vielmehr ein heute nicht mehr bekannter germanischer König am Rhein, mit einem gänzlich anderen Schicksal. Ähnliches gilt für die Könige der Nibelungen, die oft mit den Burgundern gleichgesetzt werden, und für den König Etzel der Sage, der im Walthari-Lied und im Nibelungenlied mit Attila dem Hunnen gleichgesetzt wird. Falls der Etzel der Sage direkt auf eine historische Person zurückgeht, dürfte er vielmehr ein König friesischer Abstammung im Raum Soest gewesen sein. Sein wirklicher Name könnte Atala oder ähnlich gelautet haben. Es existieren zahlreiche, exzellente Fachbücher zu dieser Hypothese. Einige sind für den interessierten Leser am Ende des Buches aufgeführt.
Heinz Ritter mag über das Ziel hinausgeschossen sein, als er die Thidrekssaga einen "chronikalischen Bericht" nannte. Er maß den legendenhaften Episoden oftmals sehr viel Gewicht bei und versuchte sie bis ins Detail zu erklären. Auch gelang es ihm nicht, die Mehrheit der Fachwelt zu überzeugen. In Fachkreisen wurde seine Hypothese wenig beachtet oder verrissen. Kaum wurde ein Versuch gemacht, seine Thesen sachlich zurückzuweisen oder zu bestätigen. Seine Grundhypothese, wonach die Sage direkt auf Ereignisse in Nordwestdeutschland zurückgeht, ist in sich stimmig und kaum zu widerlegen.
Könnte es also sein, dass ursprünglich ein Heldenkönig in den Sagen besungen wurde, über den wir sonst keine Kunde mehr haben und, dass seine Geschichte später mit jener Theoderichs des Großen verwoben wurde. Wenn es einen solchen König jemals gab, dann wird er am ehesten in Bonn am Rhein gewohnt haben, das einstmals tatsächlich Berne hieß. Und wenn die Nibelungen tatsächlich jemals in ihren Untergang zogen, dann über die Dhünn-Mündung nach Soest und sicher nicht an der Donau entlang nach Ungarn. Hier wird versucht diese Geschichte so wiederzugeben, wie sie sich ereignet haben könnte, ohne sich dabei unnötig weit von den Quellen zu entfernen, die im Wesentlichen die Thidrekssaga und die Edda und nur am Rande das Walthari-Lied und das Nibelungenlied sind.
Die wichtigsten Quellen für diese Zeit, allen voran Gregor von Tours, nennen nur wenige Einzelheiten zu den Vorkommnissen in den Rheinlanden und östlich davon. Sie widersprechen Ritters Hypothese damit nicht.
Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass alle hier geschilderten Ereignisse, sich tatsächlich einst genau so zugetragen haben. Mit großer Sicherheit werden Elemente in die Sage eingeflossen sein, die für immer unbekannt bleiben und nie enträtselt werden können. Sicherlich wurde so manche Begebenheit von den Erzählern der Sage nachträglich ausgeschmückt und zur Heldentat verklärt.
Auch in dieser...
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