Ausgangspunkt der Arbeit ist die Gefahr des Missbrauchs der Gewissensfreiheit als Vehikel zur Pflichtenentledigung. Die steigende Tendenz hierzu wird durch die zahlreichen Fälle aus der zivil- und öffentlich-rechtlichen Rechtsprechung belegt. Die Ausführungen hierzu zeigen, dass eine Begrenzung der Gewissensfreiheit nötigist. Anhand objektiver Kriterien (Zuordnung zum persönlichen Verantwortungsbereich, Kausalität sowie Ausgrenzung anderer Motivation wie etwa Angst und Unlust oder politische Motive) können vorgeschobene Konflikte aus dem Schutzbereich der Gewissensfreiheit treffsicher ausgefiltert werden, ohne dabei das Selbstverständnis des Grundrechtsträgers zu vernachlässigen. Eine Ausuferung der Berücksichtigung dieses Selbstverständnisses kann durch die Berücksichtigung der objektiven Werteordnung eingedämmt werden. Diese Arbeit deckt auf, dass die gegen eine solche Lösung vorgebrachten Kritikpunkte nicht in der Lage sind, diese Ansätze folgenschwer in Zweifel zu ziehen. Weitere Ausgrenzung aus dem Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 GG erfahren solche Gewissensentscheidungen, die sich auf vermeintlich rechtswidrige (Beihilfe) Handlungenbeziehen und sich keiner strafrechtlichen Relevanz ausgesetzt sehen. Hier lassen sich aufgrund des Vorwurfscharakters der abgelehnten Handlung die Grundsätze des § 27 StGB entsprechend heranziehen. Für die Lösung von Gewissens-konflikten auf Kollisionsebene helfen die Grundsätze aus der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung weiter. Insbesondere können die von den Gerichten erarbeiteten Merkmale der Vorhersehbarkeit des Gewissenskonflikts auch im Rahmen zumutbarer Handlungsalternativen im Bereich des öffentlichen Dienstes fruchtbar gemacht werden. Diese Aussage sieht sich vor dem Hintergrund verfestigt, als die Gewissensfreiheit grundsätzlich nur davor schützen will, zwangsweise in eine Situation zu geraten, die für den Gewissensträger unerträglich ist. Sie schützt hingegen nicht davor, sich (freiwillig) in eine Situation zu begeben, in der der Konflikt mit dem Gewissen vorhersehbar erscheint, um schließlich die Situation ad libitum umzugestalten. Anhand der Religionsfreiheit lassen sich die Fragen rund um die Zulassung zu einem gewissens-schonenden öffentlichen Dienst besonders gut exemplifizieren. Hier haben die zahlreichen Urteile und Debatten rund um das islamische Kopftuch und sonstige religiöse Kleidung zu wichtigen Einsichten geführt, die gleichermaßen auf die Probleme anzuwenden sind, die die Gewissensfreiheit im öffentlichen Dienst bereiten kann. So ist die Grenze für die Berücksichtigung von Gewissenspositionen im öffentlichen Dienst dort gezogen, wo die Sachgesetzlichkeiten des Amtes und die Kernpflichten des Berufsbildes berührt sind. Geht es um die Zulässigkeit religiöser Kleidung und Symbole, ist ausschlaggebend, ob mit deren Tragen das Selbstverständnis des Grundrechts-trägers zum Ausdruck kommt oder ob lediglich ein Schmuckstück oder modisches Accessoire getragen wird. Gänzlich unzulässig bleibt das Tragen religiöser Kleidung immer dann, wenn hierdurch die Ausübung des Amtes behindert wird. Besondere Beurteilung erfahren diejenigen Fälle, in denen sich Soldaten unter Berufung auf ihr Gewissen weigern, Befehle auszuführen. Hier kann die Evidenzregel herangezogen werden, um zu beurteilen, bis zu welchem Punkt der Soldat unter Berufung auf sein Gewissen einen rechtswidrigen Befehl verweigern kann und so keiner Gehorsams-verweigerung schuldig ist. Auch die entwickelten und übertragenen Grundsätze über die Strafbarkeit von Beihilfehandlungen geben dieser Eingrenzung schärfere Konturen. Soweit es um die Frage der verfahrensrechtlichen Beweisbarkeit oder bloßen Glaubhaftmachung von Gewissensentscheidungen geht, zeigt die Arbeit schließlich, dass es sich hier nicht anders verhält, wie bei der Klärung der inneren Täterseite im Strafprozess. Mit den bekannten Mitteln der Sachverhaltsaufklärung lassen sich das Vorliegen einer gewissensgeleitenden Entscheidung sowie deren Ernsthaftigkeit feststellen, wie etwa dann, wenn aufgrund eines Schlüsselerlebnisses "aus dem Saulus ein Paulus" wird. Die Ablehnung, sich zur Tatbestandseingrenzung von Gewissens-entscheidung der objektiven Werteordnung zu bedienen, ist unbegründet. Diese bewegt sich immer auf der Grundlage von Art. 1 GG. Wollte man von diesem Prinzip abkehren, käme man an der Unveränderbarkeit von Art. 1 GG nicht vorbei. Sollten die geltend gemachten Befürchtungen, die objektive Werteordnung könne sich in ihrer Aussage in ihr jetziges Gegenteil verkehren, Wirklichkeit werden, ist für das "forum externum" der Gewissensfreiheit ohnehin jeder Kampf verloren. Da wo die Menschenwürde nicht mehr geltender Maßstab aller Werteordnung ist, kann die Gewissensfreiheit nicht mehr sein.
Auflage
Sprache
Verlagsort
Zielgruppe
Für Jugendliche
Für die Erwachsenenbildung
Für Beruf und Forschung
Für höhere Schule und Studium
Maße
Höhe: 21 cm
Breite: 14.8 cm
Gewicht
ISBN-13
978-3-86844-254-0 (9783868442540)
Schweitzer Klassifikation