Vorwort
Erstes Buch: Tamar
Zweites Buch: Roop Kanwar
Drittes Buch: Judith
Viertes Buch: Gertrude
Fünftes Buch: Gertrude, wiedergeboren
Sechstes Buch: Orpheus
In dem Frühjahr, bevor mein Mann starb, baute sich ein Amselpaar nur wenige Schritte von unserem Küchenfenster entfernt ein Nest in der Dachrinne. Wir lebten schon seit fast zwanzig Jahren in diesem Haus, hatten drei Kinder unter seinem Dach großgezogen, die inzwischen schon so gut wie erwachsen waren, doch kein einziges Mal in diesen zwei Jahrzehnten hatten sich Amseln diesen so gut einsehbaren Ort für ihren Nestbau ausgesucht. Einige Paare hatte schon im Efeu an unserer Gartenmauer genistet, doch keinem von ihnen war es gelungen, lebende Nachkommen aufzuziehen, denn die noch nicht ausgebrüteten Eier waren jedes Mal den räuberischen Nachbarskatzen zum Opfer gefallen, die das Efeudickicht problemlos hochklettern konnten.
Die Dachrinne erwies sich als ausgezeichnete Lage sowohl für die Vögel als auch für uns. Sie waren dort in Sicherheit vor den Katzen, die nicht an den glatten Hausmauern hochkamen, und Ales und ich konnten sie direkt von unserer warmen Küche aus beobachten. In unseren Morgenmänteln und Hausschuhen tranken wir Kaffee, blickten hoch zur Dachrinne und bewunderten die Heimeligkeit der Vögel, während wir uns über unsere eigenen Kinder, unsere Pläne, über all die Trivialitäten unseres gemeinsamen Alltags unterhielten.
Zuerst kam die unternehmerische Phase: Das unscheinbare, braun gefiederte Weibchen, die Bauherrin, flog hin und her, hin und her, und transportierte in ihrem Schnabel unermüdlich Zweige, Blätter, Gras, sogar Abfallstücke, Plastikteilchen und Ähnliches, aus denen sie eine Unterkunft in Form einer kleinen Schale baute, indem sie die unterschiedlichsten Bausteine zusammenzog und mit Lehm verklebte. Dann folgte die sesshaftere Phase des Eierlegens und Wärmens, die Zeit des Brütens, des Wartens.