Die Sucht nach der Öffentlichkeit (S. 159-161)
60. Die Gefahr, immer groß rauskommen zu wollen
Die Sucht nach der Öffentlichkeit Gefahr, immer groß rauskommen zu wollen Eine ungehemmte Medienprostitution seitens des Anwaltes kann fatale Folgen für den Anwalt haben. Das passiert immer dann, wenn er in die Eitelkeitsfalle tappt. Wenn der Investigativ-Journalist Hans Leyendecker von Anwälten berichtet, die Unterlagen nur unter der Bedingung an Journalisten herausgeben, dass sie in deren Medium als „Staranwalt“ bezeichnet werden, dann lässt sich das Verhalten mit Fug und Recht als obszön bezeichnen. Die Financial Times Deutschland überschrieb einen Artikel über stark medienorientierte Anwälte mit der dezent- eleganten Überschrift „Die etwas lauteren Advokaten“1.
Da drängen sich Anwälte den Medien regelrecht auf, sie prostituieren sich in schlimmster Weise, blasen die banalsten Sachverhalte auf, diktieren den Reportern unhaltbare Anschuldigungen in den Block oder inszenieren medienwirksame Aktionen vor laufenden Kameras und stellen fadenscheinige Strafanzeigen. Der Gedanke, ob ihr Medienzirkus dem Mandanten etwa schaden könnte, steht bei diesen „lauten Advokaten“ nicht im Vordergrund, denn der ist bereits komplett ausgefüllt mit dem eitlen Ego des Anwaltes selbst.
61. Der Ikarus-Effekt – Aufstieg und Fall von Anwälten
Der Ikarus-Effekt – Aufstieg und Fall von Anwälten Einer, der die Medienklaviatur gut beherrschte, war der Münchner Anwalt Rolf Bossi. Er liebte es, sich innerhalb und außerhalb des Gerichts zu inszenieren. Er vertrat Stars, aber auch solche, die durch ihre spektakulären Verbrechen in die Medien gelangten, wie die Geiselnehmer von Gladbeck oder den Kindermörder Bartsch. Bossi war eindeutig ein Vertreter einer offensiven Medienpolitik, bei der allerdings nie ganz klar war, wem diese nun mehr bringen sollte: dem Mandanten oder seinem Anwalt. Obwohl: Klar war zumindest eines: Jeder geschnappte Schwerverbrecher mit Geld, jeder Zuhälter zwischen Kiel und Konstanz drohte ab einem gewissen Zeitpunkt Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht mit „Ich hol’ mir den Bossi!“
Nach einigen Jahren wurden die Medien aber offenbar müde, über den „Staranwalt“ Bossi zu berichten. Es passierte, was mit Sternen passiert: Erst blähen sie sich auf, werden zum weißen Riesen, fallen dann, wenn die Außenhülle das aufgeblähte Innere nicht mehr zusammenhalten kann, in sich zusammen, um fortan als so genannter „Roter Zwerg“ im Universum vor sich hinzuvegetieren. Heute macht Bossi weniger von sich und seinen spektakulären Fällen reden, als vielmehr von seinen persönlichen Auseinandersetzungen mit der Staatsgewalt. Darunter fällt unter anderem „Fahren ohne Führerschein“ und „Widerstand gegen die Staatsgewalt“.