Abbildung von: Der Pakt - wbg Theiss in Wissenschaftliche Buchgesellschaft (WBG)

Der Pakt

Hollywoods Geschäfte mit Hitler
Ben Urwand(Autor*in)
wbg Theiss in Wissenschaftliche Buchgesellschaft (WBG) (Verlag)
1. Auflage
Erschienen am 2. Februar 2017
320 Seiten
E-Book
ePUB mit Wasserzeichen-DRM
978-3-8062-3373-5 (ISBN)
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Hollywood schloss einen Pakt mit Hitler. Die großen Studios erklärten sich 1933 bereit, keine Filme zu produzieren, die das Ansehen der Nationalsozialisten beschädigten oder die Judenverfolgung thematisierten. Der Grund war einfach: In Deutschland ließen sich immer noch die besten Geschäfte machen. Doch Paramount, MGM und Fox gingen weiter: Sie zensierten Filme ohne Druck, entließen bereitwillig jüdische Mitarbeiter oder realisierten unerwünschte Projekte erst gar nicht. Die Gewinne flossen in die Produktion von Goebbels' Wochenschau oder in die deutsche Rüstungsindustrie. Auf der einen Seite die mächtigen Studiobosse, viele davon Juden, auf der anderen Adolf Hitler, der filmbesessene Diktator.
Ben Urwand erzählt die Geschichte dieses Skandals. Es ist die dunkle Seite des >Golden Age< von Hollywood, die Urwand unter Rückgriff auf bisher unbekanntes Archivmaterial beschreibt - temporeich und spannend!
Wichtige Filmproduktionen wie »Im Westen nichts Neues«, »Tarzan« oder der Propagandafilm »Der ewige Jude« werden besprochen und deren Bedeutung für die Zusammenarbeit zwischen Hitler und Hollywood erklärt.
Ben Urwand ist Historiker und Junior-Fellow an der angesehenen »Society of Fellows« der Harvard University.

Prolog


Elf Männer saßen in einem Vorführraum in Berlin. Nur manche von ihnen waren Nationalsozialisten. Vorne im Raum war Dr. Ernst Seeger, oberster Zensor noch aus einer Zeit, lange bevor Hitler an die Macht gelangt war. Neben Seeger befanden sich als Beisitzer im Raum: ein Produzent, ein Philosoph, ein Architekt und ein Pastor. Weiter hinten saßen die Repräsentanten eines Filmverleihs und zwei Sachverständige. Der Film, den sie ansehen würden, kam aus den USA, sein Titel war King Kong.

Als der Projektor zu surren begann, hob einer der Vertreter der Filmgesellschaft zu sprechen an. Er verlas ein Skript, das den fiktiven Charakter der Geschehnisse auf dem Bildschirm unterstrich. Während er sprach, sahen die anderen Anwesenden zu, wie sich die Handlung entfaltete. Sie konnten einen gewaltigen Gorilla beobachten, wie er einer schönen Frau verfällt und dann vom Empire State Building stürzt. Einer der Charaktere murmelte etwas über die Schöne und das Biest und der Film kam zum Ende.1

Es war Zeit, sich dem offiziellen Protokoll zuzuwenden. Dr. Seeger sah hinüber zum ersten Sachverständigen, Professor Zeiss vom Reichsgesundheitsamt. "Kann der Bildstreifen", fragte Seeger, "einem normalen Kinopublikum zugemutet werden, ohne dass eine gesundheitliche Schädigung zu besorgen ist?"2

Zeiss war nicht in der Stimmung zu kooperieren. "Zunächst", sagte er, "muss ich fragen, ob der Hersteller des Bildstreifens eine ausländische Firma und der Antragsteller eine deutsche Verleihgesellschaft ist."

Seeger antwortete, es handle sich um eine deutsche Verleihgesellschaft.

Zeiss explodierte. "Ich bin erstaunt und empört", schrie er, "wie eine deutsche Firma es wagen kann, den Antrag auf Zulassung eines solchen Bildstreifens zu stellen, der gesundheitsschädigend wirken muss. Es ist nicht nur unverständlich, sondern geradezu eine Unverfrorenheit, einen solchen Film vorzulegen, DER EINEN EINZIGEN ANGRIFF AUF DIE NERVENKRAFT DES DEUTSCHEN VOLKES DARSTELLT!"3

Es gab einen Moment der Stille. Dann bat Seeger, der Sachverständige möge nicht solcherart die Motive der Firma beurteilen, sondern seine Ausführungen auf sein eigenes Fachgebiet beschränken.4

Zeiss kehrte zur Ausgangsfrage zurück. "Es ist eine Provokation des Rasseninstinktes", sagte er, "wenn vorliegend eine blonde Frau von germanischem Typ in der Hand eines Affen dargestellt wird. Das bedeutet eine Verletzung des gesunden Rasseempfindens des deutschen Volkes. Die Quälereien, denen diese Frau ausgesetzt ist, ihre Todesangst . und die anderen Scheußlichkeiten, die sich ein Mensch im Whiskyrausch vorstellt, schädigen die deutsche Gesundheit. Bei der Beurteilung des Bildstreifens kommt es weder auf dessen Technik, die anzuerkennen ist, noch darauf an, dass die Regierungen außerdeutscher Länder glauben, diesen Bildstreifen ihren Völkern zumuten zu können. Für das deutsche Volk ist der Bildstreifen unerträglich."5

Zeiss hatte sein Plädoyer mit dem ganzen Eifer eines guten Nationalsozialisten vorgetragen. Niemand konnte an seinen Motiven etwas beanstanden. Als Antwort darauf verteidigte Dr. Schulte, Assistenzarzt an einer Nervenklinik in Berlin, die Position des Filmverleihs. Anders als Zeiss war er ruhig und gelassen und stellte alle erhobenen Vorwürfe in Abrede.

"Wo der Bildstreifen noch gefährlich wirken könnte", sagte er, "wirkt er nur lächerlich. Es darf nicht übersehen werden, dass der Bildstreifen von einer amerikanischen Firma für amerikanische Zuschauer hergestellt wurde und das deutsche Publikum bedeutend kritischer ist als jenes. Wenn auch zuzugeben ist, dass der Raub der blonden Frau durch ein sagenhaftes Ungeheuer heikel ist, so wird dabei doch nicht über die Grenzen des Zulässigen hinausgegangen."

"Psychopathische Personen oder Frauen", fügte er hinzu, "die durch den Bildstreifen in Aufregung versetzt werden könnten, dürfen nicht zum Maßstab für die Entscheidung über die Zulassung des Bildstreifens genommen werden."6

Die Mitglieder des Ausschusses waren in der Zwickmühle. Beide Seiten hatten vertretbare Argumente vorgebracht; niemand wollte sich schon auf ein definitives Urteil festlegen. Sechs Monate zuvor waren sämtliche deutsche Kulturinstitutionen dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unterstellt worden und seitdem wusste niemand so recht, was erlaubt war und was nicht. Jedenfalls wollte sich niemand beim neuen Propagandaminister, Joseph Goebbels, unbeliebt machen. Seeger forderte daher die Position des Ministeriums zum Fall an und setzte für die darauffolgende Woche eine zweite Verhandlung an.

Nun hatte Seeger nur noch eines zu tun. Er schrieb an Zeiss und bat ihn, seine ursprüngliche Stellungnahme genauer darzulegen. War King Kong einfach deswegen schädlich für die deutsche Gesundheit, weil der Film den Rasseninstinkt gefährdete?

Vier Tage später erhielt Seeger eine Antwort. "Es ist unrichtig", schrieb Zeiss, "dass ich gesagt habe, der Bildstreifen schädige die Rasseninstinkte und sei deshalb gesundheitsschädigend. Richtig ist, dass ich mein Gutachten dahin abgegeben habe, dass der Bildstreifen als solcher in erster Linie gesundheitsschädigend ist und dass er außerdem Rasseninstinkte schädigt und auch aus diesem Grunde geeignet ist, gesundheitsschädigend zu wirken."7

Zeiss' Brief mag nicht ganz eindeutig gewesen sein, jedenfalls aber sah es so aus, als halte er den Film für gesundheitsgefährdend. Der Ausschuss musste nun nur noch die Rückmeldung des Propagandaministeriums abwarten. Eine ganze Woche verging ohne auch nur die Spur einer Antwort, dann eine weitere Woche. Seeger war gezwungen, das bevorstehende Treffen zu verschieben. Schließlich kam ein Brief. Nachdem so viel Aufhebens gemacht worden war, verkündete das Propagandaministerium, King Kong sei nicht schädlich für den Rasseninstinkt. Seeger rief eilends den Ausschuss wieder zusammen.

Der Kreis der Anwesenden war geschrumpft. Die Sachverständigen hatten bereits ihre Stellungnahme abgegeben und der Sprecher wurde nicht mehr gebraucht. Anstatt Begleitkommentare einzusetzen, wollte die Verleihfirma den Film umbenennen, so dass die deutschen Zuschauer dessen Stellenwert als reine Unterhaltung erkennen würden. Die Firma reichte einen siebten Versuch ein, zu einem Titel zu gelangen - Die Fabel von King Kong: Ein amerikanischer Trick- und Sensationsfilm -, und dann nahm das Treffen seinen Lauf.

Seeger begann damit, die Handlung des Films zusammenzufassen. "Auf einer unentdeckten Insel der Südsee leben noch Tiere der Urzeit: ein 15 Meter hoher Gorilla, Seeschlangen, Saurier verschiedener Art, ein Riesenvogel u.a. Vor diesem durch eine Mauer abgeschlossenen Reiche der Urwelt leben Schwarze, die dem Gorilla 'King Kong' Menschenopfer darbringen. Einer Filmexpedition, die auf der Insel Aufnahmen machen will, entführen die Schwarzen den weiblichen blonden Star und bringen ihn anstatt einer Frau ihres Stammes dem King Kong dar. Die Schiffsmannschaft dringt in das Reich des Gorillas ein und hat fürchterliche Kämpfe mit den Urzeitbestien zu bestehen. Schließlich gelingt es, den Gorilla mit einer Gasbombe zu betäuben und gefesselt nach New York zu bringen. Während einer Schaustellung bricht der Gorilla aus, die Menschen fliehen in panischem Entsetzen, eine Hochbahn kommt durch den Gorilla zur Entgleisung, mit seinem Star-Püppchen in der Hand klettert das Untier auf einen Wolkenkratzer und wird hier endlich durch Flugzeuge zum Absturz gebracht."8

Ein amerikanisches Propagandaplakat aus dem 1. Weltkrieg. Der Gorilla, der einen Knüppel mit der Aufschrift "Kultur" hält, steht für einen deutschen Soldaten.

Das Werbeplakat für den Film "King Kong" (1933).

Als er dies verlesen hatte, verkündete Seeger die großen Neuigkeiten. "Nachdem der Sachverständige des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda die ihm . vorgelegte Beweisfrage verneint hat, ob der Bildstreifen geeignet sei, das deutsche Rassenempfinden . zu verletzen, hat die Oberprüfstelle nur noch zu prüfen, ob . der Verbotsgrund der Gefährdung der Volksgesundheit . anzuwenden ist."9

Seeger hielt sich nicht dabei auf, dass an der Position des Propagandaministeriums etwas sehr seltsam war. Er selbst hatte gerade gesagt, dass die Schwarzen in dem Film King Kong eine weiße Frau "anstatt einer Frau ihres Stammes" anboten. Er spielte damit auf die Behauptung von Jefferson 150 Jahre früher an, schwarze Männer würden weiße Frauen ebenso "den Vorzug geben . wie der Orang-Utan schwarze Frauen den eigenen Weibchen vorzieht".10 Mit anderen Worten, er brachte ein offensichtliches "rassisches Problem" mit dem Film zur Sprache. An diesem Bild jedoch schien das...

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