Schweitzer Fachinformationen
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Dieser Klausurenkurs mit Repetitorium gibt dem Leser einen verlässlichen Leitfaden zur Vorbereitung auf die Klausuren aus dem Arbeitsrecht im Staatsexamen und in der Schwerpunktbereichsprüfung an die Hand.
Typische Musterklausuren aus dem Individualarbeitsrecht mit Bezügen zum Betriebsverfassungs- und Tarifvertragsrecht werden exemplarisch und realitätsnah gelöst, auch mit dem Ziel der Einarbeitung in die Technik der Fallbearbeitung und der Einübung typischer Argumentationsmuster. Vorüberlegungen und eine vorangestellte knappe Lösungsskizze dienen der raschen ersten Orientierung.
Die Entstehung der Lösung kann anhand von im Gutachtenstil ausformulierten Musterlösungen sodann Schritt für Schritt nachvollzogen werden. Auf jede Falllösung folgt ein Abschnitt „Repetitorium“, in dem das Wichtigste zu besonders klausurrelevanten Problemen zusammengefasst und somit die Möglichkeit der vertiefenden Wiederholung eröffnet wird.
Das Schweitzer Vademecum ist ein renommierter Fachkatalog, der speziell die relevanten Angebote für juristisch und steuerrechtlich Interessierte sortiert, aufbereitet und seit über 100 Jahren der Orientierung dient. Das Schweitzer Vademecum beinhaltet Bücher, Zeitschriften, Datenbanken, Loseblattwerke aus dem deutschsprachigen In- und Ausland und ist seit 1997 wichtiger Bestandteil des Schweitzer Webshops.
Professorin Dr. Kerstin Tillmanns, Inhaberin des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Rechtsvergleichung an der Fernuniversität Hagen.
Zu prüfen ist lediglich, ob die Klage der A auf den ausstehenden Lohn i. H. v. 880,- ? zulässig ist.
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Die Zulässigkeit setzt insbesondere die Eröffnung des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten und damit deren (ausschließliche) sachliche Zuständigkeit voraus. Nach § 2 I Nr. 3 lit. a) ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis.
Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage könnte also sein, dass A Arbeitnehmerin ist.
Möglicherweise kann die gem. § 5 ArbGG zu prüfende Arbeitnehmereigenschaft der A im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung jedoch dahinstehen. Nach der Rechtsprechung des BAG brauchen die Voraussetzungen des § 5 ArbGG nicht festzustehen (d. h. unbestritten oder bewiesen sein), wenn es sich um sog. doppelrelevante Tatsachen handelt. Dies ist gegeben, wenn sich der eingeklagte Anspruch ausschließlich auf eine Anspruchsgrundlage stützen lässt, deren Prüfung in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gem. § 2 ArbGG fällt (sog. Sic-non-Fall, z. B. Kündigungsschutzklage).[2] Da hier die maßgeblichen Tatsachen gleichzeitig Voraussetzung für die Begründetheit sind, kommt eine Verweisung an ein Gericht eines anderen Rechtswegs nicht in Betracht. Daher genügt für die Zuständigkeit bereits die Rechtsansicht des Klägers.
Vorliegend macht A jedoch einen Vergütungsanspruch geltend. Der Vergütungsanspruch ergibt sich bei einem Arbeitsvertrag aus § 611a II BGB und bei seinem (selbstständigen) Dienstvertrag aus § 611 I BGB, wobei nur entweder ein Arbeitsvertrag oder ein selbstständiger Dienstvertrag vorliegen kann. Beide möglichen Anspruchsgrundlagen schließen sich gegenseitig aus. A ist entweder unselbstständige Dienstverpflichtete, also Arbeitnehmerin, oder selbstständige Dienstverpflichtete, hier als selbstständige Handelsvertreterin. Damit handelt es sich um einen sog. Aut-aut-Fall. In einem solchen Fall müssen grundsätzlich bereits in der Zuständigkeitsprüfung die Voraussetzungen des § 5 ArbGG geprüft werden. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass das Arbeitsgericht über einen rechtswegfremden Anspruch zu entscheiden hätte ("Rechtswegerschleichung").
Exkurs/Vertiefung: Neben den Sic-non- und den Aut-aut-Fällen gibt es die seltenen Et-et-Fälle, in denen sich der Anspruch auf eine arbeitsrechtliche und auf eine nicht arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage stützen lässt, wobei sich beide Anspruchsgrundlagen nicht ausschließen. Das BAG nimmt dies an, wenn sich der Dienstverpflichtete gegen eine außerordentliche Kündigung gem. § 626 BGB wehrt.[3]
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Obwohl ein Aut-aut-Fall vorliegt, könnte ausnahmsweise dennoch auf die Prüfung der Arbeitnehmereigenschaft der A im Rahmen der Zulässigkeit der Klage zu verzichten sein.
Gem. § 5 III ArbGG gelten nämlich auch Handelsvertreter als Arbeitnehmer im Sinne des ArbGG, wenn sie
zu den Handelsvertretern i. S. d. § 92a HGB gehören und
während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses durchschnittlich nicht mehr als 1000,- ? im Monat verdient haben.
A ist gem. dem mit V geschlossenen Vertrag eine sog. Einfirmenvertreterin i. S. d. § 92a I HGB. Sie darf lediglich für V und nicht für andere Versicherungsunternehmen tätig werden. Weiter hat sie in den letzten zwei Jahren monatlich lediglich 900,- ? verdient. Sie bleibt damit unter der in § 5 III 1 ArbGG vorgesehenen Verdienstgrenze.
Es ist zwar auch möglich, dass es auf diese vertraglichen Vereinbarungen nicht ankommt, und A stattdessen wegen der engen Weisungsbindung als Arbeitnehmerin anzusehen ist. In diesem Fall wäre jedoch die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ebenfalls, nämlich nach § 5 I 1 ArbGG gegeben. Über den Status der A muss daher im Rahmen der Zulässigkeit nicht entschieden werden.[4]
Exkurs/Vertiefung: Die - vielfach umfangreiche und schwierige - Prüfung der Arbeitnehmereigenschaft kann weiter unterbleiben, wenn es sich gem. § 5 I 2 ArbGG um eine arbeitnehmerähnliche Person handelt. Dazu unter Frage 2. Bei einem Handelsvertreter kann nach herrschender Ansicht[5] auf die Arbeitnehmerähnlichkeit nicht abgestellt werden, da § 5 III ArbGG eine speziellere Regelung darstellt, die § 5 I 1, 2. Alt. ArbGG verdrängt.
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Es sind keine Hinweise ersichtlich, dass sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen, insbesondere die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts (§§ 48 Ia, 46 II ArbGG, §§ 12 ff. ZPO), seine instanzielle Zuständigkeit (§ 8 ArbGG), die Parteifähigkeit der A (§ 46 II ArbGG, § 50 ZPO), ihre Prozessfähigkeit (§ 46 II ArbGG, §§ 51 I, 52 ZPO) und ihre Postulationsfähigkeit (§ 11 ArbGG) nicht gegeben wären.
Es ist davon auszugehen, dass A den Vergütungsanspruch ordnungsgemäß als Leistungsklage erhebt (§ 46 II ArbGG, § 253 ZPO).
Die Klage der A ist zulässig.
Die Klage auf Entgeltfortzahlung ist erfolgreich, wenn sie zulässig und begründet ist.
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Die Klage ist zulässig; es kann auf die Darstellung in Frage 1, A. und B. verwiesen werden. Auch hier erhebt A eine Leistungsklage.
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Die Klage wäre begründet, wenn A gegen V einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den Monat Februar hätte. Ein solcher Anspruch könnte sich nur aus § 1 BUrlG ergeben.
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Voraussetzung dafür ist nicht, dass A Arbeitnehmerin ist. Es genügt, dass sie gem. § 2 S. 2 1. Halbs. BUrlG als arbeitnehmerähnlich zu qualifizieren ist.
Die Voraussetzungen der Arbeitnehmerähnlichkeit sind im BUrlG nicht definiert. Eine Legaldefinition findet sich in § 12a I Nr. 1 TVG. Danach sind arbeitnehmerähnlich solche Selbstständige, die
wirtschaftlich vom Auftraggeber abhängig sind und
vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig sind.
Diese Definition kann im Rahmen des BUrlG herangezogen werden. Die übrigen Voraussetzungen, die § 12a TVG nennt, werden von der Legaldefinition nicht erfasst. Sie können jedoch als Indizien für das Vorliegen von Arbeitnehmerähnlichkeit herangezogen werden.
A bestreitet ihren Lebensunterhalt ausschließlich durch ihre Tätigkeit für V. Anderen Beschäftigungen geht sie nicht nach. Somit ist sie wirtschaftlich von V abhängig.
Zudem müsste A sozial schutzbedürftig sein. Von sozialer Schutzbedürftigkeit geht die Rechtsprechung aus, wenn das Maß der Abhängigkeit nach der Verkehrsanschauung einen Grad erreicht, wie er im Allgemeinen nur im Arbeitsverhältnis vorkommt und die geleisteten Dienste nach ihrer sozialen Typik mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sind.[6] Vorliegend spricht dafür insbesondere, dass A die der V geschuldeten Leistungen persönlich und ohne Mitarbeit eigener Arbeitnehmer erbringt und sie ausschließlich für V tätig wird.
A ist also (mindestens) als arbeitnehmerähnlich zu qualifizieren. Ob sie darüber hinaus den Status einer Arbeitnehmerin erreicht, kann dahinstehen.
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Entgeltfortzahlung für den gesamten Monat Februar stünde A nur zu, wenn sie Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub für den gesamten Monat hatte. Laut § 3 I BUrlG hat sie Anspruch auf jährlich 24 Werktage Urlaub. Hierzu zählen laut Absatz 2 der Norm auch die Samstage. Somit besteht ein Urlaubsanspruch der A von vier Wochen im Jahr. Da der Februar im Jahr 2023 nur 24 Werktage hat, umfasst der Anspruch den gesamten Monat.
A hat Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den gesamten Monat Februar.
Exkurs/Vertiefung: Für die Höhe ist § 11 I BUrlG maßgeblich. Somit steht A grundsätzlich ein Anspruch auf bezahlten Urlaub gem. § 611a II BGB i. V. m. §§ 1, 11 I BUrlG in Höhe ihres durchschnittlichen Arbeitsverdienstes der letzten 13 Wochen vor Beginn ihres Urlaubs zu. Im Fall ist eine konkrete Berechnung nicht möglich und damit auch nicht erforderlich, weil lediglich der Durchschnittsverdienst der letzten 6 Monate im Sachverhalt angegeben wurde.
Die Klage der A auf Entgeltfortzahlung für den Monat Februar ist zulässig und begründet und wäre damit erfolgreich.
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