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Mittendrin: der Wandel im Handwerk - Achtung teilweise unliebsame Wahrheiten!
Hobel und Späne waren gestern
Das zweite Kapitel befasst sich mit Trends und deren Ursprung, Karrierechancen und dem Zerrbild, welches in der Gesellschaft über das Handwerk existiert. Es zeigt auf, wo es an Begegnungen mangelt und welche Maßnahmen in der Zusammenarbeit mit Schulen erfolgreich sind. Mythen werden als solche enttarnt und Stars des Handwerks sind als Influencer für den Nachwuchs aktiv.
Was viele nicht wissen: Heute beteiligt sich das Handwerk am Kreislauf der energieautarken Wärme- und Energiegewinnung sowie ist Teil der digitalen Gesamtstruktur. Hobel und Späne waren gestern.
Ein Blick in die Gesellschaft verrät, dass die Trends und Megatrends der aktuellen Zeit an das unmittelbare und lebensnotwendige Verhalten der Menschen gekoppelt sind.
Aufgrund von äußeren und zum Teil globalen Einflüssen verändert sich das Verhalten jedes Einzelnen. Auslöser für den Wandel ist nicht mehr wie bislang der Anspruch, eine selbstgewählte Entwicklung zu forcieren, sondern die Knappheit, Engpässe von Ressourcen und Mitteln sowie die damit verbundenen Ängste. Und das gewissermaßen unter Zwang. Während sich der Endverbraucher unter Zugzwang sieht, um lebensfähig zu bleiben, kann sich das Handwerk endlich den Zukunftsthemen widmen, die im Grunde schon länger auf seiner Agenda und auch im Angebot sind.
Viele Handwerksberufe sind rund um das Thema Bauen und Wohnen angesiedelt. Vom Maler und Lackierer über Maurer und Trockenbauer bis hin zum Schornsteinfeger und Technischen Systemplaner ist die Kernaufgabe der Gewerke:
- vorhandene Arbeiten mit weniger Personal zu stemmen,
- umwelt- und klimaschonendere Gesamtergebnisse zu liefern,
- effizientere Projektabwicklungen umzusetzen.
Dies hat zur Folge, dass in den letzten zehn Jahren ein Quantensprung im Einsatz von Maschinen und Geräten vollzogen wurde. Die neue Generation ist sehr IT- und Elektronik-gesteuert. Datenaustausch untereinander, weniger Ausschuss und Mehrfachverwendung im gesamten Prozess sind keine Ausnahme mehr. Der Wandel in den Systemen senkt die Fehlerquote und damit den Ausschuss. Neue Fragestellungen sorgen dafür, dass als bedenklich angesehene Materialien naturbelassenen oder neuen weichen mussten. Aktuell ist der Anlagenmechatroniker für Sanitär-, Heizungs-und Klimatechnik ein Held, wenn er Heizsysteme anbietet, die auf wenig Verbrauch und erneuerbare Energien setzen. Der Schreiner wird bewusst angefragt, wenn er sich den heimischen Hölzern und modernen Materialien verschrieben hat, um einerseits die Langlebigkeit, aber andererseits auch Kostenersparnisse zu erreichen und/oder die Verträglichkeit zu verbessern. Der technische Systemplaner sorgt heute mit innovativen Software- und Digitalanwendungen dafür, dass die Plan- und Bauzeit um ein Drittel gekürzt wird und den kompletten Lebenszyklus abbildet. Vorbei sind die Zeiten von unüberschaubaren Plänen, die das Maß aller Dinge waren. Genauso auch die Zeiten, in denen Bauherren erst am Übergabetag das Endprodukt sehen konnten und damit an mancher Stelle Nachbesserungen unterschiedlicher Größenordnung ausgelöst haben.
Auch in anderen Gewerken wird dies sichtbar. Die Gesellschaft leidet zunehmend unter Allergien, Unverträglichkeiten und den Auswirkungen einer industriellen Massenversorgung. Haltbarkeit, grenzenlose Vielfalt und Geschmack, der nach mehr verlangt, gelangen zunehmend in den Hintergrund. Gesunde und nahrhafte Ernährung hat einen neuen Stellenwert erreicht. Dies wirkt sich unmittelbar auf die Handwerksberufe in diesen Bereichen aus. Der Bäcker und Konditor achtet noch mehr auf regionale Zulieferer und naturbelassene Produkte. Nicht, dass sie das vor zehn oder fünfzehn Jahren nicht getan hätten, doch jetzt wird es vom Kunden wertgeschätzt und aktiv nachgefragt. Beide Gewerke gehen ihrer Passion nach, ein qualitativ hochwertiges Produkt zu erstellen, dessen Eigenschaften vom Kunden gezielt gefordert werden. Dabei sind die Arbeitsbedingungen in den jeweiligen Backstuben mittlerweile so definiert, dass Maschinen auf eine neue Art unterstützen. Das Berufsbild verändert sich mehr und mehr. Arbeits-Startzeiten verschieben sich. Dezentrale Abschluss- oder Veredelungsarbeiten werden durch modernste Geräte möglich und entlasten die Kernarbeiten, ohne die Belastung an anderer Stelle zu platzieren. Und in diesem Bereich dürfen endlich wieder neue Kreationen entstehen. Der Fokus liegt auf dem Wohl der Menschen und der Umwelt und nicht mehr auf exotisch, Masse oder abgedriftet. Das Produkt soll den Menschen unterstützen und stärken.
Ähnlich verhält es sich in weiteren Gewerken. Die Augenoptiker, Zahntechniker oder Hörakustiker sind heute die Handwerker, die dem Menschen eine möglichst lange und komfortable, gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Ein Hörgerät ist heute so klein, dass es kaum gesehen wird. Damit fällt die Scham weg, eines zu tragen. Die Lebensqualität steigt. Berufe in diesen Feldern haben durch diese Entwicklung an Prestige gewonnen.
Gutes Sehen ist ein Anspruch bis ins hohe Alter, dafür steht die Arbeit des Optikers. Die Risiken werden minimiert. Während noch vor fünfzehn Jahren Augenarzt und Augenoptiker eher notgedrungen zusammengearbeitet haben, gibt es heute Vorzeigeprojekte, die einen maßgeblichen Nutzen für den Einzelnen mit sich bringen. Dank modernster Digitaltechnik können Diagnose und Behandlung an einer Stelle durchgeführt werden. Die Telemedizin schafft eine neue Form der Kooperation und das zum Wohl des Menschen. Für diese Form der Behandlung sind Studiengänge entstanden, die die Zukunft bereits heute einleiten und die die Attraktivität von Berufen steigern. Ein Optometrist zum Beispiel vereint Berufs- und Anwendungserfahrung mit der Freude, innovativ zu sein.
Ein letztes und grandioses Beispiel sind der Kraftfahrzeugmechatroniker und dessen angrenzende Gewerke. In der allgemeinen Wahrnehmung fehlt das Wissen, dass mit der E-Mobilität und auch den folgenden Antriebstechniken ein Ölwechsel nicht mehr relevant ist, da die Motoren in ihrem Einsatz kaum oder gar kein Öl mehr für ihre Funktionalität benötigen. Kein Öl, kein Ölwechsel, keine ölverschmierten Hände. Das klingt ziemlich banal, doch gerade im Handwerk wird gesellschaftlich zu wenig über die positiven Veränderungen in der Branche gesprochen. Dabei sind es genau diese Veränderungen, die die bisherigen Nachteile oder unliebsamen Folgeerscheinungen minimieren oder gar ganz eliminieren. Die Folge sind moderne, innovative und positive Berufsbilder.
Im Handwerk geht Master und Meister- sonst nirgends!
Hinsichtlich der Karrierechancen im Handwerk wird sehr schnell deutlich, dass es kaum eine Branche gibt, die einen solch vielfältigen Berufsweg zulässt wie diese.
In 130 dualen Ausbildungsberufen des Handwerks ist der Erwerb eines umfangreichen Basiswissens möglich. Die duale Ausbildung hat noch immer den Vorteil, Theorie und Praxis gleichermaßen zu erlernen. Durch die festgelegten Standards, sowohl im Praktischen wie im Theoretischen, erhält der Auszubildende ein solch fundiertes Wissen in seiner Ausbildung, dass er mit Abschluss als Geselle so ziemlich in jedem Handwerksunternehmen arbeiten kann, dessen Gewerk er erlernt hat.
Es gibt bereits einige Handwerksberufe - wie beispielsweise den Maurer -, da ist nach zwei Jahren der dualen Ausbildung eine erste Stufe erreicht. Mit der Zwischenprüfung ist der Auszubildende gleichzeitig auch der Hochbaufacharbeiter. Durch einen guten Notenschnitt oder einen bestimmten Schulabschluss ist eine Ausbildungsverkürzung möglich.
Nach der bestandenen Ausbildung zum Gesellen und mit einigen Jahren Berufserfahrung, das kann von Gewerk zu Gewerk unterschiedlich sein, ist der Meister oder ein Studium möglich. Während des gesamten Handwerkerlebens ist eine kontinuierliche Weiterbildung und Erweiterung bzw. Spezialisierung des Wirkungsfeldes möglich.
In Fall des Maurers kann dies folgendermaßen aussehen:
Nach der vollständig durchlaufenen und bestandenen Ausbildung können Erfahrungen in unterschiedlichen Betrieben den eigenen Horizont erweitern und das Fachwissen ausbauen. Es besteht die Möglichkeit, sich durch weitere fachliche und betriebswirtschaftliche Fortbildungen eine höhere Spezialisierung anzueignen.
Sind die fachlichen Bestrebungen zu Höherem gegeben, kann ein Meisterbrief (Bachelor Professional) im Maurer- und Beton-Handwerk erworben und die Leitung und Führung eines Betriebs übernommen werden. Dies beinhaltet auch die Befähigung, Menschen auszubilden und als Ausbilder zu agieren.
Zudem ermöglicht der Meister, dass der Handwerker ohne Abitur zusätzlich noch ein Studium anhängen kann.
Das Handwerk ist die Branche, die sich mit den Zukunftsfragen und mit einer zunehmenden Sinnhaftigkeit im Arbeitsalltag auseinandersetzt. Ob nun die Frage nach dem Sinn der Arbeit am Kunden oder der Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsanspruch - kaum eine andere Branche beschäftigt sich auf so hohem Niveau damit wie das Handwerk.
Am Beispiel des Maurers kann durch Fortbildung der Weg zum...