Die immer weiter ausgefeilte juristische Methode und Fachsprache sind einerseits Voraussetzungen für die Ausdifferenzierung der Rechtswissenschaften, bedeuten jedoch andererseits Schwierigkeiten für die Zusammenarbeit der Jurisprudenz mit anderen Wissenschaften. In dieser Entwicklung liegt jedoch nicht nur ein soziologisch zu beschreibender Prozeß der Ausdifferenzierung; das Recht ist vielmehr eine gesellschaftliche Tatsache, die Auswirkungen auf andere gesellschaftliche Prozesse besitzt und von diesen beeinflußt wird. Eine Rechtswissenschaft, die nicht in der Lage ist, durch Interdisziplinarität diesen vielfältigen Dimensionen ihres Forschungsgegenstandes gerecht zu werden, verliert die Möglichkeit, ihn angemessen zu untersuchen. Zugleich fehlen anderen Disziplinen, die die Auswirkungen des Rechts auf ihren Forschungsgegenstand berücksichtigen müssen, die für ihre Zwecke kompetent aufgearbeiteten juristischen Informationen. Die Forderung nach Interdisziplinarität aufzustellen, bedeutet jedoch nicht, daß sie auch möglich ist. Ihre wissenschaftstheoretischen, organisatorischen und soziologischen Bedingungen werden im vorliegenden Band interdisziplinär und international grundsätzlich und anhand ausgewählter Problembereiche analysiert und Lösungsansätzen zugeführt.
'Interdisciplinarity in Jurisprudence'
The mutual influences of law, society and natural environments require an interdisciplinary analysis of law. Specific methods and language limit its possibility. In the present volume members of different disciplines and different countries discuss the epistemological, organizational and sociological preconditions of interdisciplinarity in jurisprudence in international and interdisciplinary perspective, referring also to concrete examples.
»Der erste Band stellt sicherlich für alle am interdisziplinären Arbeiten in Rechtswissenschaft und angrenzenden Disziplinen Interessierten eine wichtige Referenz dar, die zudem viele weitere Literaturhinweise in den einzelnen Beiträgen enthält. Der zweite Band ist ein schöner Überblick zu Fragen nach dem Verhältnis von Freiheit und Recht und auch als Einstieg in diese Fragen gut geeignet.« Thomas Meyer, in: der blaue Reiter, 40/2017
Stephan Kirste studied Law, History and Philosophy in Freiburg i.Br. and received his PhD in 1997. From 2004-2012 he was Senior Lecturer at the Faculty of Law of the University of Heidelberg. After he was substitute Professor of several Chairs in Münster and Heidelberg, he accepted the call to a Chair for Public law, European Law and Legal Philosophy at the German Speaking Andrássy University, Budapest in 2009. Since 2012 he has been University Professor at the Paris-Lodron University of Salzburg.
Stephan Kirste ist ordentlicher Universitätsprofessor für Rechts- und Sozialphilosophie an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg und Vorsitzender der Deutschen Sektion der Internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie. Zuvor war er Dekan der Deutschsprachigen Fakultät für Vergleichende Staats- und Rechtswissenschaften an der Deutschsprachigen Andrássy Gyula Universität Budapest. Er hat sich 2004 in Heidelberg habilitiert und erhielt die venia legendi für Öffentliches Recht, Rechtsphilosophie, Verfassungsgeschichte der Neuzeit und Rechtssoziologie. Promoviert wurde er von der Juristischen Fakultät der Universität Freiburg. Er war 2006 Gastprofessor an der University of Virginia und ist seit 2001 Gastprofessor an verschiedenen Brasilianischen Universitäten. Neben zahlreichen Aufsätzen und Sammelbänden zu öffentlich-rechtlichen, rechtsphilosophischen, verfassungsvergleichenden und verfassungsgeschichtlichen Themen, sind 2010 seine 'Einführung in die Rechtsphilosophie' und bei Duncker & Humblot eine Monographie zu Recht und Zeit erschienen.
Einleitung
I. Modelle von Disziplinarität und Interdiziplinarität
Dieter Grimm
Notwendigkeit und Bedingungen interdisziplinärer Forschung in der Rechtswissenschaft
Stephan Kirste
Voraussetzungen von Interdisziplinarität der Rechtswissenschaften
Bart van Klink / Sanne Taekema
A Dynamic Model of Interdisciplinarity. Moving from Multidisciplinary to Interdisciplinary or Transdisciplinary Legal Research
Matthias Jestaedt
Rechtswissenschaft als normative Disziplin. Banalität, Komplexität und Brisanz der Klassifikationsfrage
II. Rechtswissenschaft und Nachbarwissenschaften
Dietmar von der Pfordten
Philosophie und Rechtswissenschaft
Oliver W. Lembcke
Über den Verweisungszusammenhang von Politik und Recht. Eine politiktheoretische Kartographie des modernen Konstitutionalismus
Marcel Senn
Rechtswissenschaft und Geschichte. Rechtswissenschaft zwischen Grundlagenkrise und Selbstbeschauung
Giancarlo Corsi
'Inkongruente Perspektiven'. Interdisziplinarität aus soziologischer Sicht
III. Interdisziplinäre Felder I: Entscheidungen im Recht
Anne van Aaken
Towards a Psychological Concept of Law
Bettina von Helversen
Heuristiken bei Entscheidungen im legalen Kontext
Andreas Fischer / Joachim Funke
Entscheiden und Entscheidungen. Die Sicht der Psychologie
Carsten Bäcker
Was bedeuten Begründungen für juristische Entscheidungen? Neun Thesen
Norbert Paulo
Vom Nutzen der Rechtstheorie für die angewandte Ethik. Spezifizierung, Abwägung und Kasuistik in der Bioethik
Klaus Mathis
Folgenorientierung im Recht
João Maurício Adeodato
Realistische Rhetorik als Methodik der Jurisprudenz. Einführung: Rhetorik und Philosophie
Joachim Lege
Die Bedeutung der Rhetorik für das Recht. Dreizehn Thesen
Vasiliki E. Christou
Reasoning from Neutrality and the Political Conception of Justice
IV. Interdisziplinäre Felder II: Der Menschenrechtsdiskurs
Winfried Brugger
Interdisziplinarität und Mehrebenenanalyse in Georg Jellineks Statuslehre
Georg Lohmann
Menschenrechte und Recht. Zu Gustav Radbruchs 'Fünfter Minute'
Frank Dietrich
Kollektive Rechte. Zur Wechselbeziehung rechtswissenschaftlicher und philosophischer Analysen
Miodrag A. Jovanovic
Conceptualizing Collective Rights. Philosophical and Sociological Methodological Inputs
Mark S. Weiner
Die amerikanische Bürgerrechtsbewegung und die Kulturgeschichte des Rechts
Autorenverzeichnis