Abbildung von: Einbindung von Spontanhelfenden in die Gefahrenabwehr - Kohlhammer

Einbindung von Spontanhelfenden in die Gefahrenabwehr

Kohlhammer (Verlag)
1. Auflage
Erschienen am 19. April 2023
136 Seiten
E-Book
ePUB mit Wasserzeichen-DRM
978-3-17-042273-5 (ISBN)
22,99 €inkl. 7% MwSt.
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Die Beteiligung von Spontanhelfenden kann in Krisensituation eine große Unterstützung darstellen, gleichzeitig bedeutet diese jedoch eine zusätzliche organisatorische Herausforderung für die beteiligten Organisationen. Das Buch zeigt einen Weg auf, wie Spontanhelfende ohne Änderungen in der Gesetzes- und Verordnungslage in Deutschland zum Wohle der von der Krise bzw. Katastrophe Betroffenen effektiv und effizient in die behördliche Gefahrenabwehr eingebunden werden können. Der Autor stellt hierbei die bereits vorhandenen Führungskonzepte, die sich aus der FwDV/DV 100 ableiten lassen können, in den Fokus. Wichtige rechtliche Hinweise und Tipps für die Zeit vor der Krisen- oder Katastrophenlage können als Grundlage für die individuelle Vorbereitung solcher Szenarien genutzt werden. Die Vorstellung der gängigen Empfehlungen und der DIN ISO EN 22319 sowie aktueller Forschungsprojekte runden den Titel ab.
Sprache
Deutsch
Verlagsort
Stuttgart
Deutschland
Illustrationen
20 Abb.
Dateigröße
1,96 MB
ISBN-13
978-3-17-042273-5 (9783170422735)
Schlagworte
Schweitzer Klassifikation
Thema Klassifikation
DNB DDC Sachgruppen
BISAC Klassifikation
Warengruppensystematik 2.0
Andreas H. Karsten, freiberuflicher Berater und Lehrbeauftragter diverser Hochschulen, Diplom-Physiker und Branddirektor a.D., war langjähriger Direktionsdienstbeamter deutscher Berufsfeuerwehren, Referatsleiter im BBK und Berater im Innenministerium der Vereinigten Arabischen Emirate sowie der NATO im Bereich Krisenmanagement und KRITIS.

[28]4Kategorisierung von Spontanhelfenden


Es gibt nicht die prototypischen Spontanhelfenden. Jede Gruppe ist so vielfältig wie unsere Gesellschaft und kann die unterschiedlichsten Kompetenzen, Kulturen und Personalstärken (von Einzelpersonen bis zu Hunderten) umfassen. Die Gefahrenabwehrbehörden haben sich individuell auf die Spontanhelfenden einzustellen.

Um zumindest erste grobe Empfehlungen im Umgang mit Spontanhelfenden anführen zu können, ist es hilfreich, sie zu kategorisieren. Dabei bieten sich zwei unterschiedliche Einteilungskategorien an:

  • Unterscheidung anhand systemtheoretischer Kriterien (siehe Kapitel 4.1)

  • Unterscheidung der Art der Hilfeleistung (siehe Kapitel 4.2)

Für alle Spontanhelfende gilt, dass sie sich überwiegend über Social Media organisieren. Schließen sie sich zu Gruppen zusammen, so sind diese in der Regel durch flache Hierarchien und Vernetzungen untereinander gekennzeichnet.

Die Einbindung oder nicht Einbindung von Spontanhelfenden kann grundsätzlich auf drei Weisen erfolgen:

1. Die Gefahrenabwehrbehörden ignorieren die Aktivitäten der Spontanhelfenden.

Diese Art ist in der Regel die schlechteste. Bei dieser Herangehensweise werden Ressourcen durch Doppelarbeit vergeudet, während an anderer Stelle unter Umständen Ressourcen fehlen. Zusätzlich wird es politisch und gegenüber der Öffentlichkeit heutzutage kaum noch zu erklären sein, weshalb eine Gefahrenabwehrbehörde die Zusammenarbeit mit Spontanhelfenden nicht anstrebt.

2. Die Gefahrenbehörden monitoren die Tätigkeiten der Spontanhelfenden und übernehmen mit ihren Kräften die Aufgaben, die die Spontanhelfenden nicht wahrnehmen.

Bei dieser Herangehensweise nehmen Spontanhelfende unter Umständen Aufgaben wahr, die die behördlichen Kräfte besser ausführen können. Diese Herangehensweise ist notwendig, wenn es den Gefahrenabwehrbehörden nicht gelingt, alle Spontanhelfenden zu überzeugen, dass eine koordinierte Zusammenarbeit den Betroffenen am besten hilft.

[29]3. Die Gefahrenabwehrbehörden arbeiten mit allen Spontanhelfenden koordiniert zusammen.

Dies muss heute das Ziel aller Gefahrenabwehrbehörden sein.

4.1Kategorisierung nach systemtheoretischen Kriterien


Bei dieser Kategorisierung erfolgt die Einteilung anhand dreier Kriterien (siehe Bild 12):

  • Zeitpunkt des Entschlusses der Spontanhelfenden zu helfen,

  • Ausprägung der internen Bürokratie der Gruppe der Spontanhelfenden,

  • Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den Gefahrenabwehrbehörden.

Bild 12: Kategorisierung der Spontanhelfenden anhand systemtheoretischer Kriterien [zurück]

[30]Der Zeitpunkt des Entschlusses der Menschen, Spontanhelfende zu werden, hat einen erheblichen Einfluss auf die Möglichkeit der Gefahrenabwehrbehörden, um diese frühzeitig in die Bewältigung konstruktiv einzubinden.

Im Nachgang zu den Hochwasserlagen Ende der 2010er Jahren wurden Plattformen entwickelt, auf denen sich Bürger:innen in normalen Zeiten registrieren können, wenn sie grundsätzlich bereit sind, in Krisensituation als Spontanhelfende zur Verfügung zu stehen. Neben dem Namen und Kontaktmöglichkeiten können in der Regel auch Kompetenzen und Einschränkungen vermerkt werden, sodass die Einsatzplaner:innen der Gefahrenabwehrbehörden - ggf. über vermittelnde Personen (siehe Kapitel 12.2) - gezielt die jeweiligen Spontanhelfenden ansprechen können. Dadurch kann im Vorfeld festgelegt werden, wann welche Spontanhelfenden und wo im Schadengebiet mitwirken können. Eine mittelfristige Planung ist somit möglich.

Eine zweite Kategorie von Spontanhelfenden hat sich bereits vor der Krise existierenden Gruppen und Organisationen angeschlossen, die in der Regel für einen ganz anderen Zweck gegründet wurden (z.B. Obdachlosenhilfe etc.). Mit Eintritt der Krise entscheiden sich die Gruppen an der Krisenbewältigung teilzunehmen. Häufig schließen sich dann weitere Spontanhelfende diesen Gruppen an, so dass diese aus »altgedienten, wohlbekannten« Personen und spontan dazu gestoßenen bestehen. Die Einsatzplaner:innen der Gefahrenabwehrbehörden können zumindest mit den »Altgedienten« planen.

Und als dritte gibt es die Gruppe, die sich erst nach dem Eintritt der Krise dazu entschließt, zu helfen. Diese Personen erscheinen in der Regel unvorhergesehen im Krisengebiet. Die Einsatzplaner:innen können nur aus den Erfahrungen ehemaliger Krisenlagen abschätzen, welche Kompetenzen ihnen zur Verfügung stehen werden.

Die zweite Unterscheidungskategorie betrachtet den Bürokratisierungsgrad einer Spontanhelfenden-Organisation. Streng hierarchisch strukturierte Organisationen sind anders in die behördliche Gefahrenabwehr einzubinden als anarchisch organisierte. Bei ersten kann eher mit »Befehl« geführt werden als bei letzteren. Die Mitarbeiter:innen der Gefahrenabwehrbehörden, die mit Spontanhelfenden in direkten Kontakt treten - sei es persönlich oder über Medien - müssen ihren Kommunikationsstil entsprechend anpassen (siehe Kapitel 7.2).

Die dritte Unterscheidungskategorie betrachtet das Verhältnis der Spontanhelfenden zu den Gefahrenabwehrbehörden, inwieweit sie bereit sind, mit Behörden zusammenzuarbeiten. Manche streben es an, in die behördliche Gefahrenabwehr eingebunden zu werden und sind dementsprechend beleidigt, wenn sie es nicht werden, andere lehnen eine Zusammenarbeit strikt ab.

[31]Entsprechend dieser Kategorisierungen können vier Hauptgruppen unterschieden werden, die unterschiedlich angesprochen werden müssen. Ziel der Gefahrenabwehrbehörden muss es sein, dass eine koordinierte Gefahrenabwehr zum Wohle der Betroffenen grundsätzlich mit allen Spontanhelfenden, egal welcher Gruppe, organisiert werden kann.

Gruppe A

Spontanhelfende der Gruppe A sind am schwierigsten zu einer gemeinsamen Krisenbewältigung zu motivieren. Sie lehnen eine enge Kooperation mit staatlichen Behörden aus grundsätzlichen Erwägungen ab. Als Beispiele sind hier Teile der Occupy- und Friday-for-Future-Bewegung zu nennen.

Die Hauptaufgabe für die Gefahrenabwehrbehörden besteht darin, diese Spontanhelfenden davon zu überzeugen, dass eine koordinierte Hilfe den Betroffenen am besten hilft. Unabdingbare Voraussetzung dafür ist, dass die Führungskräfte der Behörden den Spontanhelfenden auf Augenhöhe begegnen. Ungeachtet gesetzlicher Regelungen sollte auf ein Unterstellungsverhältnis jeglicher Art nicht bestanden werden. Um die Hilfsmaßnamen mit den Spontanhelfenden koordinieren zu können, müssen die Behörden mit ihnen ins Gespräch kommen. Dabei gibt es zwei Hindernisse zu überwinden:

  1. das technische der Etablierung eines Kommunikationskanals und

  2. das psychologische des Aufbauens von Vertrauen.

Die erste Aufgabe ist eine der Koordinierungsgruppe des Krisenstabes (KGS) bzw. des Stabsbereichs S6. Sie müssen die technischen Voraussetzungen schaffen, damit mit den Spontanhelfenden überhaupt Kontakt aufgenommen werden kann. Diese Aufgabe ist bereits heute schon anzugehen. So haben die dafür Verantwortlichen das Kommunikationsverhalten möglicher zukünftiger Spontanhelfenden zu beobachten. Da diese bisher immer über Social Media kommunizierten, sollten besonders die entsprechenden Plattformen beobachten werden:

  • Wer kommuniziert auf welcher Plattform?

  • Welche Plattformen sind gerade besonders angesagt?

Nach der Analyse ist technisch sicherzustellen, dass die Bereiche BuMA und/oder S5 die zweite Aufgabe wahrnehmen können. Letztere haben die Art und Weise der Kommunikation auf diesen Plattformen zu analysieren, um im Bedarfsfall die richtige Ansprechform zu wählen. Daneben sollten die Hauptverwaltungsbeamt:innen sowie deren Pressesprecher:innen regelmäßig darauf hinweisen, dass ihre Gefahrenabwehrstäbe im Bedarfsfall Spontanhelfende zum Wohle der Betroffenen einbinden werden.

[32]Gruppe B

Spontanhelfende der Gruppe B sind grundsätzlich bereit, mit den Gefahrenabwehrbehörden zusammenzuarbeiten, entscheiden sich aber erst nach dem Eintritt der Krise dazu, Hilfe zu leisten. Naturgemäß sind sie un- bzw. gering organisiert. Sie erscheinen als Einzelperson oder Gruppe an den Einsatzstellen. Auch diese müssen überwiegend auf den aktuellen Social-Media-Kanälen angesprochen werden. Im Vergleich zur Gruppe A muss jetzt das Vertrauen zu den Gefahrenabwehrbehörden nicht aufgebaut werden. Aber die Zuständigen der Bevölkerungsinformation und Medienarbeit (BuMA) und S5 haben so zu kommunizieren, dass das Vertrauen erhalten bleibt. Diese Gruppe von Spontanhelfenden ist vermutlich die älteste. Bereits nach der Sturmflut 1962 in Hamburg bewiesen unzählige Spontanhelfende ihre Fähigkeiten. Sie retteten viele Menschenleben und erleichterten das Schicksal der Überlebenden beträchtlich.

Gruppe C

Spontanhelfende der Gruppe C traten erst in den letzten Jahren auf. So wurden u.a. von Rotkreuz-Organisationen Internet-Plattformen eingerichtet, auf denen sich jeder registrieren lassen kann und bei Bedarf um Hilfe gebeten wird (siehe Kapitel 12.2). So können gezielt und geordnet Spontanhelfende in ein Schadengebiet entsandt werden. Um diese Spontanhelfende anzusprechen, müssen die Gefahrenabwehrbehörden nur die Betreibenden der entsprechenden Internetseiten ansprechen. Der Kontakt zu diesen sollte bereits vor einer Krise aufgenommen werden.

Gruppe D

Spontanhelfende der Gruppe D entsprechen schon nahezu den klassischen Hilfsorganisationen. Sie haben...

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