Abbildung von: Liebe rein, Scheiße raus - Anja Jahnke

Liebe rein, Scheiße raus

Zwischen Mut und Angst
Anja Jahnke(Autor*in)
Anja Jahnke (Verlag)
1. Auflage
Erschienen am 21. März 2023
288 Seiten
E-Book
ePUB mit Wasserzeichen-DRM
978-3-98865-975-0 (ISBN)
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Wie gestaltest du dein einzigartiges Leben? Isabella hat alles, was sie unbedingt wollte. Dennoch steckt sie seit über einem Jahr fest. Nach der Überwindung der akuten Erschöpfung hat die Lehrerin das Gefühl, ihr wäre der Sinn des Lebens abhandengekommen. Oder hat sie ihn noch nie gefunden, gar gesucht ...? Als Isabella einer alten Bekannten begegnet, erfährt sie von deren Schicksalsschlag. Nadja stellte ihr Leben danach komplett auf den Kopf. Mit ihrer offenen Art und den richtigen Fragen zieht sie Isabella in ihren Bann. Sehr zum Missfallen ihres Ehemanns Paul erwägt die Mutter einen Neuanfang. Bringt sie den Familienfrieden damit in Gefahr? Mit der Fortsetzung ihres Debüts holt Anja Jahnke erneut Tabuthemen direkt aus dem Schatten ans Licht und bringt den Lesenden zum Nachdenken, aber auch zum Schmunzeln. Sie lädt dich ein, selbst zu reflektieren: Was ist mein Traum?

Als Autorin und kreative Rebellin gestatte ich dir den Blick durchs Schlüsselloch hinein in die Abgründe einer scheinbar makellosen Familie. Ich nehme dich mit auf meine Reise. Bist du bereit Augen und Herz zu öffnen?Ich stamme gebürtig aus Dresden und lebe mit meinen drei Kindern und meinem Mann an der Müritz.Mit 38 Jahren habe ich innerhalb einer Lebenskrise die Liebe zum Schreiben entdeckt. Durch einen Fernlehrgang zur Kinder- und Jugendbuchautorin beim ILS Hamburg wurde die Leidenschaft für Literatur endgültig entfacht.

1


Schon beim Betreten des Schulgebäudes nehme ich den altbekannten Geruch wahr und fühle mich augenblicklich zurückversetzt in die gute alte Zeit. Der Boden ist frisch gebohnert und glänzt wie damals, als ich hier noch Schülerin war. Der lange Flur in Richtung Aula ist von zahlreichen Bildern aus dem Kunstunterricht gesäumt. Obwohl ich ewig nicht mehr hier gewesen bin, kommen die Erinnerungen sofort hoch. Wie schön und prägend dieser Lebensabschnitt rückblickend war. Ich hatte keine Verantwortung für andere. Einfach nur sein und an die Hausaufgaben denken. Damals erkannte ich diesen Vorteil nicht, wollte schnell erwachsen werden, und in diesem Moment frage ich mich, ob ich diesen positiven Blick in ein paar Jahren vielleicht auch auf meine aktuelle Situation haben werde.

Unsinn. Was soll daran gut sein?!

Heute kann ich jedenfalls noch nicht daran glauben, denn ich stecke fest. In meine Gedanken über das Damals und das Heute mischt sich schnell Ärger darüber, dass ich überhaupt hierher gekommen bin. Mein ehemaliges Gymnasium veranstaltet regelmäßig ein Absolvententreffen. Anfangs habe ich gern teilgenommen, dann nur noch sporadisch und schließlich gar nicht mehr. Jedes Jahr aufs Neue ein Update zu bekommen, wer welchen tollen Job hat und vielbeschäftigt in der Welt herumreist, nervte mich. Darauf hatte ich noch nie Lust, weil ich mich automatisch mit ihnen verglich und mir mein Leben dann immer plötzlich eintönig und vorhersehbar vorkam. Im Gegensatz zu den anderen hatte ich keine Highlights zum Berichten. Bei dem Spiel Mein Auto, mein Haus, mein Job konnte ich als verbeamtete Lehrerin und später als stellvertretende Schulleiterin mit einem liebevollen Ehemann, drei gesunden Kindern und einem Einfamilienhaus auf dem Land zwar mitmachen, aber im Vergleich zu dem Jetsetleben und der Weltenbummelei einiger ehemaliger Schulkameraden war es langweilig. Von Jahr zu Jahr fragte ich mich mehr, ob diese Schaumschlägerei tatsächlich nottut, und irgendwann blieb ich diesen Treffen aus Selbstschutz fern.

In diesem Jahr jedoch war es anders. Mit Eintrudeln der Einladung bekam ich das Gefühl, diese Chance wahrnehmen und schauen zu müssen, ob es ehemalige Mitschüler gibt, denen es wie mir geht. Schließlich habe ich vor einiger Zeit gehört, dass viele Frauen mit Ende 30 in eine Krise rutschen und nicht wenige einen Wendepunkt einläuten. Dass es unter meinen früheren Freundinnen vielleicht auch nur eine einzige geben könnte, die in derselben Misere steckte wie ich, spornte mich an, zu diesem Treffen zu gehen.

Mein Mann Paul fand diesen Gedanken nachvollziehbar und ergänzte: «Bella, du musst sowieso mal wieder raus! Seit einem Jahr arbeitest du so hart an dir und nimmst dir kaum Auszeiten. Du verkriechst dich . Aber ständig allein zu sein tut dir auf Dauer nicht gut. Gönn dir doch ein paar Tage und mach einen Kurzurlaub daraus - das hast du dir verdient.»

Es fiel mir schwer, dem zu widersprechen, also habe ich es gemacht und bin hingefahren. Nun bin ich hier, in dem Gebäude, in dem ich meine halbe Jugend verbracht habe, und fühle mich augenblicklich deplatziert. Am liebsten möchte ich wieder gehen. Habe ich mir zu viel zugemutet?

Als ich mich umdrehe, steht plötzlich Susi hinter mir. «Wo willst du denn hin?», fragt sie mich mit herausforderndem Unterton.

Ich fühle mich ertappt und finde schon deshalb keine triftige Ausrede für meinen versuchten schnellen Abgang. Gleichzeitig freue ich mich aber auch, sie nach all den Jahren wiederzusehen. Ihr Erscheinen überrascht mich und bewirkt ein positives Gefühl. Außerdem hakt sie sich so schwungvoll bei mir unter, dass mir gar nichts anderes übrig bleibt, als mit ihr in Richtung Aula zu schreiten.

«Lass uns mal schauen, wer dieses Jahr alles da ist. Du hast dich ja ziemlich rar gemacht.» Sie grinst mich an. Susi kann diesen Veranstaltungen anscheinend mehr abgewinnen als ich, und spätestens jetzt ahne ich, dass ich sie zunächst auf Stand bringen muss. Damit sie mich versteht. Aus der Aula ist lautes Stimmengewirr zu hören. Der Einladung sind viele Ehemalige gefolgt. Ob es in den Jahren zuvor hier auch so voll war?

Nachdem wir uns am Eingang einen Willkommenssekt geschnappt und uns einen groben Überblick verschafft haben, suchen wir nach einem freien Stehtisch. In der hinteren Ecke an den Fenstern zum Pausenhof werden wir fündig. Einigen ehemaligen Mitschülern zuprostend gehen wir zielstrebig darauf zu und stellen unsere Gläser ab. Ich lasse meinen Blick durch den offenen Raum schweifen und bleibe im Eingangsbereich hängen. «Das kann doch nicht wahr sein! Die hab ich ja ewig nicht gesehen!», platzt es wohl etwas zu laut aus mir heraus, als Nadja die Aula betritt, denn die umstehenden Personen schauen erst mich und dann Nadja an.

Dann ebbt das Stimmengewirr ganz ab. Alle Augen sind auf Nadja gerichtet, deren Ausstrahlung noch immer sehr stark ist. Sie trägt einen langen, mintfarbenen Plisseerock, dazu eine weiße Bluse und weiße Turnschuhe. Die blonden Haare fallen über ihre schmalen Schultern, die Haut ist makellos - noch immer die Schönheit von damals. Als wäre die Zeit stehen geblieben. Einige ehemalige Mitschüler fangen zwar an zu tuscheln, aber die unangenehme Stille hängt weiterhin im Raum, was Nadja zumindest augenscheinlich nichts ausmacht. Sie setzt ihr schönstes Lächeln auf und sagt: «Ihr habt wohl schon ohne mich angefangen!?» Der Satz entfaltet seine Wirkung und beendet die surreale Situation - zumindest wenden sich alle wieder ihren Tischgesprächen zu.

Auch ich drehe mich zu Susi und hoffe, dass mich Nadja nicht entdeckt hat. Ihr Auftritt versetzt mich gedanklich zurück in die elfte Klasse. Nadja kam damals als neue Mitschülerin zu uns und alle waren sofort hin und weg von ihrer besonderen Ausstrahlung sowie ihrer lockeren Art. Wie selbstverständlich setzte sie sich mit den Worten «Dann werden wir wohl jetzt Freundinnen!» neben mich. Mein Versuch, ihr zu erklären, dass meine Freundin Susi nur wegen einer Erkältung fehle und der Platz eigentlich besetzt sei, scheiterte kläglich. Nadja saß und der Lehrer begann mit dem Unterricht.

Innerhalb kurzer Zeit schaffte sie es, die halbe Klasse für sich zu vereinnahmen. Selbst Susi, der sie den Platz weggenommen hatte, wurde ihre Freundin. Zum ersten Mal in meinem Leben spürte ich Neid, blanken Neid sogar, weil Nadja beliebt war und ihr alles leichtzufallen schien. Woran liegt das? Wie macht sie das? Ihre Selbstsicherheit schüchterte mich ein und ich wollte sie blöd finden, doch gleichzeitig war Nadja so charmant und lieb, dass ich ihr noch nicht einmal böse sein konnte - bis sie mit meinem Schwarm anbandelte. Da wusste ich plötzlich, woher meine Skepsis kam: Ich hatte das Gefühl, sie könnte mir liebgewordene Menschen streitig machen. Natürlich war ich todunglücklich, als ich sie in der Raucherecke mit Finn knutschen sah.

Ich seufze, als dieses Gefühl von Die-Welt-geht-unter-wenn-ich-nicht-mit-Finn-zusammen-bin wieder präsent wird. Damals glaubte ich, dass es nur diese eine Liebe für mich geben könnte. Ich presse die Lippen aufeinander. Mensch, Paul, warum hast du mich nur bestärkt, hierher zu kommen? Wenn Nadja hier ist, kann Finn nicht weit sein.

Obwohl ich mit meiner Ehe glücklich bin, muss ich die einstigen Turteltauben, die mir viel Liebeskummer beschert haben, nicht unbedingt auf dem Silbertablett serviert bekommen. Als ich von Susi damals erfuhr, dass Finn und Nadja nach dem Abschluss nicht nur zusammenblieben, sondern sogar heirateten, war das der nächste Stich ins Herz. Aus irgendeinem Grund konnte ich ihnen ihr Glück nicht gönnen, und ja, das sagt eindeutig mehr über mich als über sie aus.

Um diesen unschönen Erinnerungen zu entgehen, konzentriere ich mich auf Susi und unser Gespräch.

«Erzähl doch mal, wie läuft es bei dir, Bella? Hast du Kinder?», will sie gerade wissen.

«Ja, drei. Benno ist neun und Oskar fünf Jahre alt. Meine Große heißt Jette und ist inzwischen schon vierzehn.»

«Vierzehn?» Susi schnauft und winkt ab. «O mein Gott, was für ein anstrengendes Alter. Meine Große ist dreizehn und schon jetzt voll pubertär. Der kannst du nichts mehr recht machen. Ständig am Nörgeln. Alles wollen, aber nichts beisteuern. Ätzend, oder?» Sie schaut mich an.

Ich ziehe den linken Mundwinkel hoch und schüttle mitleidig den Kopf. «Da kann ich nicht mitreden, sorry, Susi. Jette ist ein sehr entspannter Teenager. Sie kümmert sich selbstständig um ihre Schulsachen und ihr Zimmer, außerdem hat sie ihre Aufgaben im Haushalt, die sie - wenn auch manchmal widerwillig - regelmäßig erledigt.»

Susi kann offenbar nicht fassen, was ich da sage. Ihre Augen weiten sich und ihr klappt beinahe der Mund auf. «Wie machst du das?», fragt sie wissbegierig.

«Ich kann es dir nicht sagen. Jette weiß wohl einfach, dass mit mehr Freiheiten auch mehr Verpflichtungen auf sie zukommen. Das eine bedingt das andere. Außerdem hat sie zwei jüngere Brüder, die viel Aufmerksamkeit von mir fordern. Manchmal habe ich schon ein schlechtes Gewissen und frage mich, ob sie dadurch nicht zu wenig Liebe bekommt. Wenn sich dann aber die Gelegenheit zu einem Gespräch ergibt, habe ich den Eindruck, dass sie ihre Rolle in unserer Familie genießt. Wir . wir haben eine schwere Zeit hinter uns .» Meine Augen werden feucht und in meinem Hals bildet sich ein Kloß, der es mir unmöglich macht, weiterzusprechen. Ich unterbreche meine Antwort.

«Echt? Was ist denn passiert?», fragt Susi neugierig.

«Ach, ist nicht so wichtig», gebe ich kurz zurück und hoffe, sie versteht, dass ich nicht darüber sprechen möchte. Ein flaues Gefühl breitet sich...

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