Additive Manufacturing (AM) ist der weltweit genormte Begriff für die Fertigungstechnik der Schichtbauverfahren, die als Rapid Prototyping Ende der 1980er-Jahre bekannt wurden und ihren Siegeszug durch alle Branchen angetreten haben. AM ist heute nicht nur ein unverzichtbares Werkzeug zur direkten digitalen Herstellung von Modellen und Prototypen, sondern auch ein Fertigungsverfahren zur Produktion von Endprodukten aus Kunststoff und Metall sowie zur Herstellung von Werkzeugen, Lehren und Formen.
Mit der Vorstellung kleiner und preiswerter Maschinen und dem Vordringen des AM in private Bereiche hat sich der Begriff 3D-Drucker (dreidimensionaler Drucker), 3D Printer, einfach Drucker oder Printer, häufig auch Fabber (von Fabricator; der etwas herstellt) durchgesetzt. Alle Welt spricht daher heute nur noch vom Drucken, wenn es die Anwendung von AM meint. Am anderen Ende der Skala entwickeln sich Industrial Printer zur Serienfertigung individueller Produkte und läuten die Industrialisierung des 3D-Druckens ein.
Das Buch befasst sich mit diesen technischen Aspekten des 3D-Druckens, aber auch mit seinen Auswirkungen auf eine veränderte Methode der Herstellung und damit verbundene Aspekte einer neuen Art der Organisation von Produktion.
Das Buch wendet sich an alle, die mehr über die AM Technologie oder das 3D-Drucken wissen wollen, um die gesamte Breite vom Anschauungsmodell bis zum komplexen, aus Metall gesinterten Produkt kennen zu lernen. Es ist für Studierende, aber auch für Praktiker geeignet und vermittelt schnell und anschaulich die wesentlichen Fakten.
Dr.-Ing. Andreas Gebhardt studierte an der technischen Hochschule Aachen Maschinenbau mit dem Schwerpunkt Motoren- und Turbinenbau. Er promovierte 1986 bei Professor Dibelius mit einer Arbeit über das instationäre Verhalten konventioneller Dampfkraftwerksblöcke. Nach Stationen als Geschäftsführer in der mittelständischen Wirtschaft wurde er zum Sommersemester 2000 als Professor für Hochleistungsverfahren der Fertigungstechnik und Rapid Prototyping an die Fachhochschule Aachen berufen. Dort leitet er eine Forschergruppe und Labore zum Lasersintern von Metallen (SLM Verfahren), Polymerdrucken, 3D-Drucken (Pulver-Binder Verfahren), Extrusionsverfahren (FDM) und zum Einsatz unterschiedlicher Fabber. Seit dem Wintersemester 2000 ist Andreas Gebhardt Gastprofessor am City College der City University New York.
2004 gründete er das RTeJournal (www.rtejournal.de), eine "open-access" online-Zeitschrift für Rapid Technologie und ist dessen Herausgeber.
2 Additive Fertigungsverfahren/3D-Drucken
Die technische Durchführung additiver Herstellungsverfahren erfolgt mittels Schichtbauverfahren (auch "Direct Layer Manufacturing Process" bzw. "direkte Schichtbau-Herstellungsverfahren" genannt). Fünf Familien zählen zu den Schichtbauverfahren, die als additive Herstellungsverfahren auf dem Markt verfügbar sind. Sie basieren auf verschiedenen Methoden, eine feste Schicht zu erzeugen, um durch Zuordnen und Verbinden angrenzender Schichten ein Bauteil zu formen. Das Prinzip wurde in Kapitel 1 "Grundlagen der 3D-Druck Technologie" erörtert. Alle fünf Prozessfamilien, einschließlich einiger Derivate, werden im Folgenden detailliert beschrieben und zugehörige auf dem Markt erhältliche Maschinen werden mit ihren typischen Bauelementen vorgestellt.
Werden Prototypen und Bauteile nicht direkt mittels additiver Fertigung hergestellt, beruhen jedoch auf additiven Prozessen, werden sie "Sekundäre Rapid Prototyping Prozesse" (Secondary Rapid Prototyping Processes) oder "Indirekte RP-Prozesse" genannt. Das Prinzip und die am häufigsten angewendeten Varianten wurden kurz in Abschnitt 1.2.2 "Indirekte Prozesse" erläutert. Die wichtigste Variante, das Vakuumgießen (engl. Room Temperature Vulcanization, RTV) wird detailliert in Abschnitt 2.2 "Indirekte Verfahren ? Folgeprozesse" beschrieben.
2.1 Direkte additive Verfahren
Das Prinzip der Additiven Fertigung oder auch "Additive Manufacturing" (AM) ist sehr einfach und in Bild 1.2 dargestellt. Es basiert lediglich auf (virtuellen) 3D-CAD-Datensätzen (Solids). Die Datensätze werden gemäß einer vorgegebenen Schichtdicke geschnitten und somit die frei geformte Oberfläche (in z-Richtung) mithilfe einer Anzahl konturierter Schichten einheitlicher Dicke angenähert (siehe Bild 2.1).
Bild 2.1 Schneiden einer 3D-Freiformfläche in konturierte Schichten gleicher Dicke mit dem charakteristischen Treppenstufeneffekt (Schichtdicke zur Verdeutlichung übertrieben)
Der (physische) Herstellungsprozess (der AM-Prozess) ist gekennzeichnet durch die wiederkehrende Herstellung einzelner Schichten und ihrer Verbindung mit der zuvor erzeugten Schicht. Der Prozess besteht demnach aus zwei Schritten, die so oft wiederholt werden, bis das Bauteil fertiggestellt ist:
-
Herstellung einer einzelnen Schicht, geformt nach der Kontur und mit der Schichtdicke entsprechend der vorgegebenen Daten für die jeweilige Schicht.
-
Verbindung jeder neuen Schicht mit der Oberfläche der zuvor hergestellten.
Wie aus dem theoretischen Aufbau (Bild 2.1) ersichtlich, zeigen auch die entstehenden Bauteile den Treppenstufeneffekt, der für AM-Prozesse typisch ist (Bild 2.2).
Bild 2.2 Treppenstufeneffekt, Schichtdicke 0,1 mm; Stereolithographie
Die Standard-Schichtdicke liegt bei 0,1 mm, kann jedoch je nach Verfahren bis auf 0,016 mm reduziert werden, womit nicht nur die Genauigkeit der Teile, sondern auch die Anzahl der benötigten Schichten sowie die Herstellzeit anwachsen. Die Schichtdicke hängt darüber hinaus vom verarbeiteten Material ab, da die entstehenden Treppenstufen bei hartem Material, z.?B. Metallen und keramischem Material, mehr Aufwand in der Nacharbeit erfordern.
Gegenwärtig befinden sich deutlich mehr als 200 verschiedene Maschinentypen (und zusätzlich inzwischen kaum zählbare Varianten der Fabber oder Personal Printer (siehe Abschnitt 1.3 "Maschinenklassen für die additive Fertigung") auf dem Markt. Alle beruhen auf den zwei zuvor erwähnten grundsätzlichen Herstellungsschritten. Sie unterscheiden sich lediglich darin, wie jede Schicht hergestellt wird, wie aufeinander folgende Schichten verbunden werden, und welches Material verarbeitet wird.
Zur Erzeugung der physischen Schicht können eine Vielzahl von Materialien wie Kunststoffe, Metalle oder keramische Materialien in Form von Pulvern, Flüssigkeiten, Feststoffen, Folien oder Platten eingesetzt werden. Für den Prozess werden unterschiedliche physische Vorgänge wie Fotopolymerisation, Selektives Aufschmelzen, Schmelzen oder Sintern, Schneiden, Verkleben von Granulaten oder Extrusion angewendet (Einzelheiten bei /Geb16/ und in Kapitel 6 "Materialien und Konstruktion").
Für das Konturieren jeder Schicht wird eine Energiequelle benötigt, die den erforderlichen physikalischen Vorgang sowie ein Positionierungssystem zur Ansteuerung der x-y Koordinaten sicherstellt.
Dabei kommen folgende Systeme zur Anwendung:
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Laser mit Scannereinheiten meist vom Galvo-Typ (drehbare Spiegeleinheiten), optische Schalter oder x-y Bewegungssysteme (Plotter)
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Einfach- oder Mehrfachdüsen: Druckköpfe mit Hochleistungslampen, Infrarot-Heizgeräte oder DLP-Projektoren (Digital Light Processing Technology)
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Messer mit Schneidplottern
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Elektronenstrahlen mit Ablenkeinheiten
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Extruder mit x-y-z-Bewegungssystemen
Alle denkbaren Prozesse können fünf grundlegenden Familien von additiven Herstellungsverfahren zugeordnet werden (Tabelle 2.1). Die in Tabelle 2.1 aufgeführten Bezeichnungen sind sogenannte generische Bezeichnungen, die kennzeichnend für alle einer bestimmten Familie zugehörigen physikalischen Prinzipien sind. Generische Bezeichnungen müssen von den Markenbezeichnungen, die spezifische Hersteller ihren Prozessen oder Maschinen geben, unterschieden werden. Beides, einschließlich der gebräuchlichsten Abkürzungen, wird in Tabelle 2.2 aufgeführt.
Tabelle 2.1 Physikalisches Prinzip der Erzeugung und Konturierung der Schichten und die sich ergebenden fünf grundlegenden Familien der generativen Herstellungsprozesse (Generische Bezeichnungen)
Erzeugung einer festen Schicht durch
Konturierung der Schicht mittels
AM-Prozess
Polymerisation
Laser, Druckkopf
Stereolithographie
ymerdrucken
Selektives Schmelzen oder Selektives Sintern und Wiederverfestigung
Laser, IR-Quelle
Elektronenstrahl
Lasersintern
Laserschmelzen
Kontur Schneiden und Fügen
Laser, Klinge, Fräsen
Layer Laminate Manufacturing
Selektives Fügen oder Kleben durch Binder
Mehrfach-Düsen Druckkopf
3D-Drucken (Pulver-Binder-Verfahren)
Selektive Anwendung thermisch aktivierbarer Phasen
Einzel-Düsen Extruder
Fused Layer Manufacturing
Tabelle 2.2 AM-Prozesse: Generische Bezeichnungen, Marktbezeichnungen und Abkürzungen
Generische Bezeichnung
Abkürzung
Marktbezeichnung
Abkürzung
Stereolithographie Polymerisation
SL
Laser-Stereolithographie
merdrucken
LS
Lasersintern
Laserschmelzen
LS
Selektives Lasersintern
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