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Ich bin nicht frei, solange irgendeine Frau unfrei ist, auch wenn ihre Fesseln sich sehr von meinen eigenen unterscheiden.38
Audre Lorde (1934-1992), Schriftstellerin und Aktivistin
Heute erscheint es vielleicht als eine Selbstverständlichkeit, dass Frauen wählen, studieren und Karriere machen können. Doch das mussten Generationen mutiger Frauen erst erkämpfen. In den vergangenen knapp zweieinhalb Jahrhunderten haben sie viele Fortschritte erstritten. Manchmal wurden Frauen dabei auch von Männern unterstützt. Oft aber begegneten diese den Feministinnen mit Ablehnung und Unverständnis.
Einige der mutigen Frauen und die Kämpfe, an denen sie teilnahmen, werden hier schlaglichtartig vorgestellt.39 Es geht unter anderem um die erste richtige Menschenrechtserklärung, Aktivistinnen im Hungerstreik und um feministisches Gemüse.
VON WELLE ZU WELLE
Heute wird die Geschichte des Feminismus in Europa und den USA meistens in Wellen beschrieben: eine Perspektive, die zwischen drei oder neuerdings vier Wellen unterscheidet. Jede Welle steht für eine Epoche sowie typische Debatten und Ideen dieser Zeit. Natürlich gab es aber auch zwischen den Wellen feministisches Engagement - und während einer Welle dachten auch nicht alle das Gleiche.
Die erste Welle der Frauenbewegung (etwa von der Französischen Revolution 1789 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs 1918) kämpfte vor allem für die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter, insbesondere für das aktive und passive Wahlrecht, das Recht auf Erwerbsarbeit und - damit verbunden - gleiche Bildungschancen.
Feministinnen der zweiten Welle (1960er- bis 1980er-Jahre) forderten Selbstbestimmung: über das eigene Leben, den eigenen Körper, die eigene Sexualität. Eines der großen Themen dieser Zeit war das Recht auf eine straffreie Abtreibung.40
Die dritte Welle (1990er- und 2000er-Jahre) des Feminismus zeichnet sich vor allem durch ihre Vielfalt aus41 - und die Erkenntnis, dass das Versprechen vollständiger Gleichberechtigung nicht eingelöst wurde. Sie kritisierte unrealistische Schönheitsnormen und Geschlechterstereotype in Filmen, Serien und Computerspielen. Aushängeschild und wichtiger Impulsgeber der dritten Welle ist die im Punk verwurzelte »Riot Grrrls«-Bewegung aus den USA.42
Der Feminismus der Gegenwart, womöglich der Beginn einer vierten Welle, ist im Netz präsent, aber auch auf der Straße: Online wird über #MeToo und #Aufschrei diskutiert, offline bei Slutwalks und Women's Marches demonstriert.43 Zwei Themen, die heute den Feminismus prägen, sind Sexismus und sexualisierte Gewalt.
Erste Welle
1791: Die erste universale Menschenrechtserklärung von Olympe de Gouges44
Alle Menschen sind gleich - diese Idee der Aufklärung verbreitete sich im 18. Jahrhundert in Europa und prägte auch die Französische Revolution. 1789 verkündete die Französische Nationalversammlung die »Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte«. Doch die Rechte der Frauen standen weder in diesem Manifest noch generell auf der revolutionären Agenda. »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit« - schon die Parole der Französischen Revolution zeigte: Gleich sollten erst mal nur die Brüder sein. Schwestern blieben ausgeschlossen.
Die Künstlerin und Aktivistin Marie Gouze, besser bekannt als Olympe de Gouges, veröffentlichte daraufhin einen Gegenentwurf zur Erklärung der Nationalversammlung: eine Deklaration, die auch Frauen einschloss. Olympe de Gouges' »Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin« von 1791 war damit die erste tatsächlich universale Menschenrechtserklärung. »Die Frau hat das Recht, das Schafott zu besteigen; sie muss gleichermaßen das Recht haben, die Rednertribüne zu besteigen«, schrieb de Gouges. Sie, die auf die Tribüne stieg und die Gleichberechtigung der Geschlechter forderte, landete am Ende selbst auf dem Schafott. 1793 wurde sie unter dem Terrorregime der Jakobiner hingerichtet.
1849: Die »Frauen-Zeitung« von Louise Otto-Peters und zwei separate Frauenbewegungen45
Feministinnen waren sich nicht immer einig in ihren Zielen, das zeigt sich auch in der Geschichte der deutschen Frauenbewegung. Im Oktober 1865 trafen sich in Leipzig bürgerliche Frauen, um gemeinsam für ihre Interessen einzutreten. Sie gründeten den Allgemeinen Deutschen Frauenverein (ADF). Erste Vorsitzende wurde die Schriftstellerin und Journalistin Louise Otto-Peters, die bereits 1849 die »Frauen-Zeitung« gegründet hatte. In ihren Artikeln setzte sich Louise Otto-Peters nicht nur mit der Situation von Frauen auseinander. Sie beschäftigte sich auch mit der sozialen Frage und prangerte die Bedingungen an, unter denen Arbeiterfamilien leben mussten.46 So viel Kritik an den herrschenden Verhältnissen kam nicht gut an. Um Otto-Peters mundtot zu machen, wurde in Sachsen eigens ein Gesetz beschlossen: Die sogenannte Lex Otto untersagte Frauen, politische Zeitungen herauszugeben.47
SOJOURNER TRUTH (1797-1883)
Die Afroamerikanerin Sojourner Truth wird im US-Bundesstaat New York als Sklavin geboren. Sie trägt zunächst den Namen Isabella. Während ihrer Kindheit wird sie mehrmals an neue Besitzer verkauft. Später entkommt sie der Sklaverei, arbeitet zunächst als Hausangestellte, wird Wanderpredigerin und gibt sich selbst ihren neuen Namen. Ihre Freiheit nutzt Sojourner Truth, um sich für die Abschaffung der Sklaverei und das Frauenwahlrecht einzusetzen. Mit ihrer nachträglich »And ain't I a woman?« betitelten Rede schreibt sie Geschichte: Sie stellt die Frage »Und bin ich denn keine Frau?« und fordert damit die weißen Frauenrechtlerinnen auf, auch für die Rechte schwarzer Frauen zu kämpfen. Ob Sojourner Truth diese Frage tatsächlich exakt so formuliert hat, wird heute aber bezweifelt: Denn warum sollte eine im Bundesstaat New York unter Niederländisch sprechenden Besitzern aufgewachsene Frau im Südstaaten-Dialekt sprechen?
Mit ihrem Interesse für die Probleme der Arbeiterinnen bildete Otto-Peters eine Ausnahme. Der ADF und der Großteil der bürgerlichen Frauenbewegung traten vor allem für Bildungschancen sowie das Recht auf Arbeit und freie Berufswahl ein. Bürgerliche Frauen wollten zunehmend einer bezahlten Arbeit nachgehen, aber nur wenige Berufe standen ihnen offen. Ärztin, Rechtsanwältin oder Professorin konnten sie beispielsweise nicht werden, weil ihnen der Zugang zu höheren Schulen und Universitäten verschlossen war. Und in der Fabrik zu schuften galt nicht als respektable Tätigkeit für bürgerliche Frauen.48 Zum Teil hatten Arbeiterinnen ähnliche Probleme wie Frauen aus dem Bürgertum. Im Zuge der Industrialisierung arbeiteten nämlich immer mehr Frauen in den Fabriken, zum Ärger vieler männlicher Kollegen. Arbeiter und ihre Gewerkschaften beschimpften die Frauen als »Schmutzkonkurrenten« und forderten ein Verbot oder zumindest die Einschränkung weiblicher Fabrikarbeit: Frauen waren billige Arbeitskräfte und verdrängten die besser bezahlten Männer. Doch die übereinstimmenden Interessen der proletarischen und der bürgerlichen Frauen, ihr Recht auf Arbeit und gleiche Bezahlung gegen männliche Widerstände durchzusetzen, führten nicht dazu, dass sie gemeinsam für Verbesserungen stritten. Zu groß waren die Unterschiede: Die proletarische Frauenbewegung war revolutionär gesinnt, sie kämpfte nicht nur gegen die Unterdrückung der Frau, sondern auch gegen den Kapitalismus. Die Anhängerinnen der bürgerlichen Frauenbewegung drängten dagegen auf Reformen innerhalb des Systems. An Klassenkampf hatten sie kein Interesse.49
1913: Taten statt Worte - der Kampf der Suffragetten50
Den Kampf für das Recht zu wählen führten Großbritanniens Feministinnen über viele Jahrzehnte. Die Aktivistinnen nannte man Suffragetten, nach dem englischen Wort »suffrage« für Wahlrecht, und sie wurden für ihre rabiaten Methoden bekannt. Ihr Protest begann zunächst friedlich, mit ersten Flugblättern in den 1840er-Jahren. Sie demonstrierten, veröffentlichten Artikel und schrieben Briefe an Abgeordnete.
Doch da dieses Engagement keinen Erfolg brachte, setzten die radikaleren Aktivistinnen auf militanten Protest. Die Suffragetten warfen Schaufensterscheiben ein, kappten Telefonleitungen, ketteten sich an Bahngleise, verübten Bombenanschläge und griffen Politiker an: Eine Suffragette attackierte den späteren Premierminister Winston Churchill mit einer Hundepeitsche. In Cambridge wurde einem Politiker eine tote Katze ins Gesicht geworfen. Viele Aktivistinnen landeten im Gefängnis. Dort traten sie, um ihren Protest fortzusetzen, in den Hunger- und Durststreik.
Auch die Suffragette Emily Davison kam wegen Brandstiftung ins Gefängnis und trat dort in den Hungerstreik. Sie wurde zur Märtyrerin der Bewegung, denn sie starb 1913, als sie bei einem Pferderennen in Epsom für das Wahlrecht demonstrierte: Davison trat auf die Rennbahn und geriet unter das herangaloppierende Pferd des Königs. Einige Tage später erlag sie ihren schweren Verletzungen. Es ist unklar, ob es sich um einen Unfall handelte oder ob Davison einen Suizid geplant hatte. Ihr Grabstein bekam die Inschrift: »Taten statt Worte«.51
Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs stellte sich die WSPU (Women's Social and Political...
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