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Preiserhöhungen: Ein heikles Thema
Ich erinnere mich noch genau an das erste Mal in meiner beruflichen Laufbahn, als ich die Aufgabe erhielt, meine Kunden aufzusuchen und ihnen Preiserhöhungen schmackhaft zu machen. Mein Chef berief ein Meeting mit allen Account Managern in unserer Region ein. Er händigte uns eine Liste mit den Namen und dem monatlichen Umsatzvolumen jedes einzelnen Kunden aus.
Ich erschrak, als er die Bombe platzen ließ. Es handelte sich um eine Nettopreiserhöhung von sechs Prozent, von der wir unseren Kundenstamm in Kenntnis setzen mussten. Er bat uns, die Liste durchzugehen und die Kunden auszuwählen, die darauf angesprochen werden sollten. Dafür gab er uns bis zum Ende der Woche Zeit.
Als ich nach der Rückkehr in mein Büro einen Blick auf die Namen meiner Kunden warf, war mir regelrecht schlecht. Ich hatte hart gearbeitet, um die Beziehungen zu ihnen aufzubauen. Aus vielen waren Freunde geworden. Ihre Preise zu erhöhen, fühlte sich wie Verrat an.
Bei der Bewertung jedes einzelnen Kunden fand ich gute Gründe, warum ich ihn nicht mit einer Preiserhöhung konfrontieren sollte. Ich ging abermals die Liste durch, konnte aber erneut nur wenige identifizieren, die als Zielkunden in Frage kamen. Ich gelangte zu der Schlussfolgerung, dass meine Kunden bei einer Nettopreissteigerung von sechs Prozent niemals mitmachen würden.
Während der Besprechung mit meinem Chef am Ende der Woche präsentierte ich ihm das gesamte Sammelsurium der Gründe, die ich mir zurechtgelegt hatte. Doch ohne Erfolg. Er erklärte mir unumwunden, dass die Geschäftsleitung eine Preiserhöhung von sechs Prozent festgesetzt hatte und keine Ausreden gelten ließ. Ich hatte keine Wahl.
Nach dem Gespräch war ich am Boden zerstört und hatte Angst vor der Reaktion meiner Kunden. Ich überlegte sogar, zu kündigen. Vor der Aufforderung, meinen Zielkunden die Preiserhöhung zu verkaufen, hatte ich meine Arbeit geliebt. Nun stellte ich alles in Frage, was damit einherging. Tausend Kaltakquise-Anrufe in einem Haifischbecken wären mir in dem Moment lieber gewesen, als einem einzigen Kunden beizubringen, dass ihm eine Preiserhöhung in Haus stand.
Schon bei dem Gedanken daran war ich einer Panik nahe. Ich zögerte die Gespräche hinaus und pflegte sie nach Möglichkeit so lange zu vermeiden, bis ich gezwungen war, sie in Angriff zu nehmen, weil mir die Zeit davonlief. Ich machte eine Menge Fehler, weil die Angst Besitz von mir ergriffen hatte. Es war eine der schlimmsten Phasen meiner Laufbahn im Verkauf. Am Ende bestand ich die Feuerprobe, aber an die Lektion, die ich über den Umgang mit Angstgefühlen lernte, erinnere ich mich bis heute.
Verkäufer hassen Preiserhöhungen
Im Lauf der Jahre habe ich mir ein dickeres Fell und eine wirksamere Herangehensweise an Preiserhöhungsgespräche zugelegt. Aber ich mag sie trotzdem nicht. Diese Abneigung teile ich mit den meisten Verkäufern und Kundenbetreuern - niemand ist von Preissteigerungen begeistert.
Fakt ist, dass Verkaufsprofis darauf geeicht sind, Abschlüsse zu tätigen, Rabatte einzuräumen, für zufriedene Kunden zu sorgen und Probleme zu lösen. Doch in der Regel haben wir eine psychologisch bedingte Aversion gegen Preiserhöhungen, die wir als Gräuel empfinden.
Mit Kunden über Preiserhöhungen zu diskutieren nimmt im Pantheon der Aufgaben, die Verkäufer hassen, den Platz an der Spitze ein - noch vor Aktivitäten zum Einzug von Forderungen, Kaltakquise und Aktualisierung ihres CRM-Systems.
Wenn Verkäufer zwischen der Durchsetzung von Preiserhöhungen und anderen Aufgaben wählen dürften - Aufgaben gleich welcher Art -, würden sie sich vermutlich immer für die letzte Option entscheiden. Dafür gibt es mehrere Gründe, unter anderem:
- Konfliktvermeidung,
- Angst vor Ablehnung,
- der Wunsch, bei ihren Kunden beliebt zu sein,
- Unbehagen angesichts der Kommunikation von Preiserhöhungen,
- Verständnis für die Reaktionen der Kunden,
- Angst vor dem Verlust von Kunden, Umsatz und Einkommen,
- keine überzeugenden Argumente zur Rechtfertigung der Preiserhöhung,
- keine Übereinstimmung zwischen Preiserhöhung und Vergütung und
- mangelndes Verständnis der Auswirkungen von Preiserhöhungen auf ihr Unternehmen.
Preiserhöhungen sind wichtig
Einer der Gründe für meine Abneigung gegen Preiserhöhung und die Überzeugung, meine Kunden zu verraten, war das fehlende Verständnis wesentlicher Geschäftsgrundlagen. Mir war nicht klar, dass Preiserhöhungskampagnen für die Gewinnentwicklung und den Free Cash Flow (FCF, das heißt die liquiden Mittel, die einem Unternehmen zur Verfügung stehen) wichtiger sind als die Erhöhung der Spitzenerlöse durch eine Steigerung des Umsatzvolumens oder die Neukundengewinnung.
Kein einziges Instrument des Verkaufsarsenals im Business-to-Business-Bereich schützt die Gesundheit Ihres Unternehmens besser als Preiserhöhungen. Sie helfen, Perioden steigender Inflation durchzustehen, generieren Kapital für Investitionen in Wachstum und Beschäftigung, tragen zur Verbesserung des Qualitäts- und Serviceniveaus bei, treiben die Aktienkurse in die Höhe und sichern Arbeitsplätze.
Preiserhöhungen bieten erhebliche Vorteile. Sie können durchgereicht werden und bei allen Beteiligten einen Gewinnzuwachs von 400 Prozent in Form einer Steigerung des Umsatzvolumens mit sich bringen. Eine Steigerung des Umsatzvolumens von einem Prozent hat zum Beispiel einen Gewinnzuwachs von 3,3 Prozent zur Folge, während eine Preiserhöhung von einem Prozent bei einem gleichbleibend stabilen Umsatzvolumen zu einem operativen Gewinn von sage und schreibe 11,1 Prozent führt.1
Unter dem Strich stellen Preiserhöhungen die größte einzelne Chance und Strategie für B2B-Unternehmen dar, ihre Gewinne zu steigern.2 Natürlich nur, wenn es ihnen gelingt, ihre Kunden zu halten.
Die Kundenbindung ist ein Schlüsselelement und der Grund, weshalb sich Ihr Unternehmen darauf verlässt, dass Sie Preiserhöhungskampagnen erfolgreich umsetzen. Verkäufer verfügen über die beste Kundenkenntnis, sind Kommunikationsexperten reinsten Wassers und Profis, wenn es gilt, Geschäftsabschlüsse unter Dach und Fach zu bringen.
Dennoch bringt eine überwältigende Anzahl von Verkäufern tief verwurzelte Ängste und mangelnde Selbstsicherheit bei der Implementierung von Preiserhöhungsinitiativen zum Ausdruck. Sie fürchten, Kunden zu verlieren und wichtige Beziehungen unwiderruflich zu schädigen. Sie haben das Gefühl, nicht ausreichend für effektive Preiserhöhungsgespräche gewappnet zu sein. Erschwerend kommt hinzu, dass die meisten Unternehmen wenig oder gar kein formales Training zur Verbesserung der Kompetenzen auf diesem schwierigen Terrain anbieten, nicht einmal für die Führungskräfte im Verkauf, die diese spielentscheidenden Fähigkeiten und Fertigkeiten vermitteln und feinschleifen müssen.
Ohne ein wirksames Verfahren, System oder Rahmenkonzept für die erfolgreiche Durchsetzung von Preiserhöhungen und die darauffolgenden Einwände lassen die Leistungen der Verkäufer bei diesen entscheidenden Gesprächen zu wünschen übrig. Die Initiativen stellen Ablenkungen dar, die Angst erzeugen und sich negativ auf das Gesamtergebnis des Verkaufs auswirken. Kein Wunder, dass mehr als 70 Prozent der Führungskräfte wenig Vertrauen in die Fähigkeit ihrer Verkaufsteams setzen, Preiserhöhungsgespräche effektiv zu steuern.3
Preiserhöhungsinitiativen verschiedener Art
In diesem Buch fokussieren wir uns auf die am weitesten verbreiteten Preiserhöhungsszenarien im B2B-Bereich, für die Sie zuständig sein könnten.
Breit gestreute Preiserhöhungskampagnen
Sie werden auf Unternehmens-, Bereichs- oder regionaler Ebene durchgeführt und betreffen viele Kunden gleichzeitig. In der Regel erfordern sie den Einsatz der gesamten Verkaufs- und Servicemannschaft.
Gezielte kundenspezifische Preiserhöhungen
Diese Initiativen sind auf einzelne Kunden bei anstehender Vertragserneuerung, Nachbestellungen oder spezifischen Einzelpositionen ausgerichtet. Gezielte Preisveränderungen werden häufig als Hebel eingesetzt, um die Rentabilität bestimmter Kunden zu verbessern und die Gestaltung der Preise zu optimieren, wenn diese zum Zeitpunkt der Kundenakquisition zu niedrig angesetzt waren.
Nicht verhandelbare Preiserhöhungen
Bei nicht verhandelbaren Preiserhöhungen geht ein Unternehmen davon aus, dass der Vorteil einer Preiserhöhung groß und das Risiko eines signifikanten Kundenverlusts gering ist. Meistens übernimmt der Marketingsektor die Aufgabe, die Nachricht vom bevorstehenden Preisanstieg zu formulieren und an die Kunden zu übermitteln. Verkauf und Servicebereich sind in erster Linie für die Beantwortung von Kundenanfragen, Glätten der Wellen und die Verteidigung der Preiserhöhung - das heißt, für eine...