Thomas Brasch montiert in »Der Papiertiger« Texte, die er in den letzten Jahren in der DDR geschrieben hat. Die Grundsituation: Eine Gruppe, die vor Jahren eine Revolution oder einen Kinderladen machen wollte, spielt sich Erfahrungen vor, da sie keine Öffentlichkeit mehr finden können, zelebrieren sie ein Ritual. Der Ausbruch und die Rückkehr ins Kollektiv gehören dazu. Eingeschoben sind Szenen, in denen die Verweigerung von Herrschaft durchgehalten wird.
Per Olov Enquist konstruiert in der Biographie von August Strindberg eine Szene: Strindbergs geschiedene Frau und ihre Freundin proben einen Einakter von Strindberg. Strindberg wohnt der Probe bei. Der Einakter interpretiert gemeinsame Erfahrungen, und die Erprobung auf der Szene, während die Vergangenheit durchschlägt, korrigiert Strindberg. Die Story ist ein Vehikel, die Verstörungen der Männer durch womans lib, die Ängste und neuerlichen Rückzüge den Beteiligten vorzuspielen.
Franz Jung schrieb »Heimweh« 1927 für Erwin Piscator. Das Stück - zunächst eine Südseekolportage - liest sich wie ein Film, fremde, schöne, unverständliche Bilder. Der Text, mehr Vorlage denn Literatur, wäre im Film gleichwohl nicht auflösbar, er sucht in der Körperlichkeit das Unausgesprochene, die Unruhe, die die Menschen weitertreibt, als ihren besten Teil.
Else Lasker-Schüler schrieb »Die Wupper« 1909. Herbert Ihering schrieb 1913: »Alles ist Sinnlichkeit, Bild und Farbe. Am Anfang steht dasselbe Gefühl, das Else Lasker-Schülers Lyrik geboren hat. Verzückungen sind unter die Oberfläche gestiegen. Ekstasen leben als verdeckte Energiequellen fort. Der Raum ist eine Vision der Gestalten.«
Heiner Müller schrieb sein »Friedrich«-Stück 1975/76. Vorangegangen waren »Die Schlacht« und »Germania«: Stücke über die Fähigkeit der Deutschen zum Faschismus. Bleibt die Frage nach ihrer Schulung, die Jahrhunderte ungebrochener preußischer Übung, Jahrhunderte auch der Ohnmacht von Literatur. Gezwungen zur Onanie.
Gerhard Roth schrieb »Die Sehnsucht« 1976. Er konfrontiert Menschen, die so obsessiv mit ihrem eigenen Ich beschäftigt sind, daß sie keine Erfahrungen machen können. Die Gespräche verkommen zu Monologen, Zuwendung wird zum taktischen Spiel. Hinter den Lügen, Vortäuschungen und Maskierungen lebt die Sehnsucht nach neuen Erfahrungen.
Botho Strauß schrieb »Bekannte Gesichter, gemischte Gefühle« 1974. Das Stück handelt von drei Ehepaaren, die alle untereinander liiert waren, und Karl, der einen Autounfall überlebt hat, der zaubern kann. Sie leben in einem entlegenen Hotel. »Leidenschaften bewahrt dieses Museum kaum noch auf, höchstens ein paar häßliche Überreste davon.« (Benjamin Henrichs)
Erwin Sylvanus schrieb das Stück »Victor Jara« 1976, zwei Jahre zuvor reiste er durch Chile. In der Biographie des Sängers schildert er den Kampf der Chilenen für ihren sozialistischen Weg.
Thomas Brasch, Dichter, Dramatiker, Filmschaffender und Übersetzer, eine der markantesten Figuren der neuen deutschen Literatur, wurde 1945 in Westow/Yorkshire (England) als Sohn jüdischer Emigranten geboren. Bis zu dem Jahr, in dem er die DDR verließ (1976), lebte er in Ostberlin. 1977 erschien sein bekanntestes Buch, der Erzählband Vor den Vätern sterben die Söhne. 2001 ist er in Berlin gestorben.
Geboren am 23. September 1934 im Dorf Hjoggböle, Provinz Västerbotten, Nordschweden, Studium der Literaturwissenschaften in Uppsala, MA 1960; seit Beginn der 60er Jahre war Enquist Theater-/Literaturkritiker und Publizist im politischen Bereich für verschiedene Zeitungen, u.a. Uppsala Nya Tidning, Svenska Dagbladet, Expressen und Aftonbladet. In mehreren Bereichen engagierte sich P.O. Enquist kulturpolitisch, als Mitglied des Staatlichen Kulturrates, im Rundfunkrat (Programmplanungsausschuß) und fünf Jahre lang im Vorstand des Schriftstellerverbandes. Er wohnte längere Zeit in West-Berlin, Los Angeles, Paris und Kopenhagen. Seit 1993 und bis zu seinem Tod im April 2020 lebte er in Vaxholm, Schweden.
Else Lasker-Schüler wurde am 11. Februar 1869 in Elberfeld (heute ein Stadtteil von Wuppertal) als Tochter eines jüdischen Privatbankiers geboren. Nach der Heirat mit dem Arzt Berthold Lasker siedelte sie nach Berlin über, wo sie sich ihrer zeichnerischen Ausbildung widmete. 1899 wurde ihr Sohn Paul geboren. Im selben Jahr veröffentlichte sie auch erste Gedichte in der Zeitschrift Die Gesellschaft, 1902 folgte ihr erster, noch impressionistisch geprägter Gedichtband Styx, mit dem sie bekannt wurde. Nach ihrer Scheidung heiratete sie den Schriftsteller Herwarth Walden, den Herausgeber der expressionistischen Zeitschrift Der Sturm. 1906 erschien ihr erstes Prosawerk Das Peter-Hille-Buch, dem in den folgenden Jahren viele weitere folgten. Lasker-Schüler wandte sich schließlich dem Expressionismus zu und verfaßte neben Lyrik und Prosaliteratur auch Essays, Theater- und Literaturkritiken. Sie war eine exzentrische Frau, die durch ihr Auftreten und ihre (Ver)Kleidungen Konventionen herausforderte und Aufsehen und Anstoß erregte. Nach dem Tod ihres Sohnes 1927, zog sie sich zunehmend aus dem öffentlichen Leben zurück. 1932 wurde sie für ihr Gesamtwerk mit dem Kleist-Preis geehrt, mußte aber schon ein Jahr später aufgrund öffentlicher Angriffe ins Exil in die Schweiz gehen. Es folgten mehrere Palästina-Reisen. Am 22. Januar 1945 starb Lasker-Schüler in Jerusalem.
Heiner Müller, geboren am 9. Januar 1929 in Eppendorf, Sachsen, war einer der wichtigsten deutschsprachigen Dramatiker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zudem war er Lyriker, Prosa-Autor und Essayist sowie Präsident der Akademie der Künste Berlin (Ost). Er ist am 30. Dezember 1995 in Berlin verstorben.
Gerhard Roth, geboren 1942, ist promovierter Philosoph und promovierter Biologe. Seit 1976 ist er Professor für Verhaltensphysiologie und Entwicklungsneurobiologie am Institut für Hirnforschung der Universität Bremen, seit 2016 leitet er zudem das Roth Institut in Bremen. Von 1997 bis 2008 war er Rektor des Hanse-Wissenschaftskollegs, von 2003 bis 2011 Präsident der Studienstiftung des Deutschen Volkes, außerdem ist er Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Für sein Werk erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt den Life Achievement Award. Gerhard Roth gilt als einer der bedeutendsten Neurowissenschaftler im deutschsprachigen Raum, seine Bücher erreichen regelmäßig Bestsellerstatus.
1944
2. Dezember: Botho Strauß wird in Naumburg/Saale als Sohn eines Lebensmittelberaters geboren. Er lebt heute in Grünheide in der Nähe von Berlin.
Besuch des Gymnasiums in Remscheid und Bad Ems. Studium der Germanistik, Theatergeschichte und Soziologie in Köln und München, das Strauß aber nach fünf Semestern abbricht. Schauspieler auf Laienbühnen.
1967-1970
Redakteur und Kritiker der Zeitschrift >Theater heute<.
1970-1975
Dramaturgischer Mitarbeiter an der Schaubühne am Halleschen Ufer in Berlin.
1974
Dramatikerpreis der Stadt Hannover für
Bekannte Gesichter, gemischte Gefühle.
1975
2. September: Uraufführung des Stücks
Bekannte Gesichter, gemischte Gefühle in Stuttgart.
1976
Als Stipendiat der Villa Massimo in Rom.
1977
18. Mai: Uraufführung des Stücks
Trilogie des Wiedersehens in Hamburg. Die Erzählung
Die Widmung erscheint.
Verleihung des Förderpreises des Schiller-Preises des Landes Baden-Württemberg.
1978
8. Dezember: Uraufführung des Schauspiels
Groß und klein in Berlin.
1980
Der Roman
Rumor erscheint.
1981
Verleihung des Literaturpreises der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Der Prosaband
Paare, Passanten erscheint.
1982
31. Januar: Uraufführung der Komödie
Kalldewey, Farce in Hamburg. Mülheimer Dramatikerpreis für
Kalldewey, Farce.
1984
Der Roman
Der junge Mann erscheint.
5. Oktober: Uraufführung des Schauspiels
Der Park in Freiburg/Breisgau.
1987
Verleihung des Jean-Paul-Preises.
1989
Verleihung des Georg-Büchner-Preises.
1993
Verleihung des Berliner Theaterpreises.
2000
Der Erzählband
Das Partikular erscheint.
2003
Der Erzählband
Die Nacht mit Alice, als Julia ums Haus schlich erscheint.
Brasch, Thomas: Der Papiertiger. Enquist, Per Olov: Die Nacht der Tribaden (Tribadernas natt). Ein Schauspiel aus dem Jahr 1889Deutsch von Heiner Gimmler. Jung, Franz: Heimweh. Lasker-Schüler, Else: Die Wupper. Schauspiel in fünf Aufzügen. Müller, Heiner: Leben Gundlings Friedrich von Preußen Lessings Schlaf Traum Schrei. Ein Greuelmärchen. Roth, Gerhard: Sehnsucht. Strauss, Botho: Bekannte Gesichter, gemischte Gefühle. Komödie. Sylvanus, Erwin: Victor Jara.